In China ist Li Shufu längst ein Held. In Deutschland kannten ihn bislang nur Autoexperten. Doch mit dem spektakulären Einstieg bei Daimler in Höhe von 9,7 Prozent rücken der diskrete Chinese und sein Unternehmen auch hierzulande in den Fokus.
Li Shufu gilt in seiner Heimat bereits als der Henry Ford Chinas. Dabei kommt der Multimilliardär mit einem geschätzten Privatvermögen von 16,5 Milliarden Dollar aus bescheidenen Verhältnissen. Der Vater war Reisbauer. Sein erstes Geld verdiente sich der 18-jährige Li Shufu, indem er 1981 eine einfache Kamera kaufte und damit Auftragsbilder in der bäuerlichen Umgebung knipste.
Später baute Li Shufu ein Unternehmen für das Recycling von Elektroschrott auf, danach folgten eine Fertigung von Kühlschrank-Komponenten und eine Moped-Fabrik für den taiwanesischen Markt. All dies zeigt, dass Li Shufu ein Alleskönner ist – er schlägt zu, wenn sich Gelegenheiten bieten.
Inzwischen dreht der Manager ein ganz großes industriepolitisches Rad, selbstredend unter den wachsamen Augen der Kommunistischen Partei Chinas. Es geht ihm um ein globales Mobilitätsimperium mit zahlreichen Marken. Basis dafür ist die Geely Holding, der erste tatsächlich rein private Automobilhersteller in China. Alle anderen Autobauer vergleichbarer Größe haben wesentliche staatliche Beteiligungen oder sind gleich staatliche Gründungen. Geely bedeutet übersetzt in etwa „Glück bringendes Auto“. Die ersten Eigenkreationen der Marke beruhten noch auf Komponenten von Daihatsu.
Das Geschäft mit Autos, Motorrädern, Lastwagen und Bussen ist die größte Sparte der Geely Holding. Aktiv ist die Gruppe aber auch im Im- und Exporthandel, in der Hotel- und Reisebranche sowie im Immobilienbereich.
Größter Sektor der Holding ist die Geely Automobile Holding. Eigenen Angaben zufolge kam die Autosparte 2017 auf einen Umsatz von 92,8 Milliarden Yuan (12,3 Milliarden Euro). Der Nettogewinn belief sich auf 10,7 Milliarden Yuan (1,4 Milliarden Euro).Zum inländischen Markenportfolio gehören neben der Kernmarke Geely auch in Deutschland völlig unbekannte Marken wie Emgrand, Englon, Gleagle oder Shanghai Maple. Auch eine Exotenmarke wie den Flugauto-Hersteller Terrafugia leistet sich Li Shufu nebenbei. Er operiert in dieser Hinsicht teilweise wie Tesla-Gründer Elon Musk, lässt entwickeln, testet den Markt und wacht darüber, immer der Treiber zu sein, nicht der Getriebene.
Weit mehr Strahlkraft hat aber natürlich die europäische Luxusmarke Volvo Cars, die Li Shufu 2010 günstig von Ford übernahm. Seither hat der chinesische Automobilkonzern etliche weitere Marken zugekauft oder neu aufgebaut. Dazu zählt die neue Elektroautomarke Polestar, die ursprünglich als Performance-Marke von Volvo Cars gegründet worden war. Sie wird von Volvo-Chefdesigner Thomas Ingenlath geleitet. Hinzu kommt der innovative Ableger Lynk & Co, den der frühere Volvo-Vertriebschef Alain Visser leitet.
Der Geely-Automotive-Gruppe gehört außerdem seit dem vergangenen Sommer 51 Prozent der britische Sportwagenikone Lotus. Dies gelang, indem sich Li Shufu 49 Prozent an dem defizitären malaysischen Autohersteller Proton sicherte. Und hinzu kommt die für viele Briten zur Staatsräson zählende Nischenmarke London Taxi, wo Ex-Opel-Chef Carl-Peter Forster die Fäden zieht.
In China zählt Geely Automotive mit seinem Markenportfolio zu einem der fünf größten Autobauer. Die Gruppe verfügt über 920 Stützpunkte im Land und hat im asiatisch-pazifischen Raum weitere Verkaufsstellen, 489 in 23 Ländern.
Li Shufu verfolgt dabei eine globale Strategie, die er jedoch noch nie öffentlich dargelegt hat. Ein wenig beachteter Coup war 2016 der Erwerb von 48 Prozent an einem Hersteller von Lithium-Ionen-Batterien, der Shandong Forever New Energy. Damit will Geely vorbereitet sein auf den staatlichen chinesischen Plan „Made in China“, der im Autobereich vor allem vorsieht, dass ab 2025 für alle Autobauer eine E-Auto-Quote gilt. Vier Fünftel aller Elektroautos sollen diesem staatlichen Plan zufolge künftig auch in China gebaut werden. „China first“ lautet die Strategie – executed by Li Shufu.
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