"Das Auto wird mit diesen Attacken allein nicht fertig"

Herr Mai, verkennen die Automobilhersteller die Gefahren der Cyberkriminalität?

Cybersicherheit ist nicht neu, aber sie muss bei vernetzten Geräten und damit auch zukünftigen Fahrzeugen viel ernster genommen werden. Dass alle Hersteller das Thema erkannt haben und mit Hochdruck daran arbeiten, bestmöglichst aufgestellt zu sein, kann man nicht sagen. Einige von ihnen arbeiten bereits an Lösungen, andere überlegen noch, ob es sich überhaupt lohnt, hier zu investieren. Einige haben sehr detaillierte Vorstellungen bezüglich der Sicherheitsarchitektur in ihren Autos, andere warten erst einmal die nächsten Entwicklungen ab.

Sind die Sicherheitsmaßnamen für Autos ausreichend?

Heute reichen die Sicherheitsmaßnahmen für die vernetzten Fahrzeuge noch aus. Aber in Zukunft, wenn Fahrzeuge wie andere vernetzte Geräte genutzt werde, Zahlungen möglich sind und eine rege Kommunikation mit der Infrastruktur besteht, sind zusätzliche Maßnahmen erforderlich um die teilweise sensiblen Daten zu schützen. Das erfordert eine ganzheitliche Sicherheitsarchitektur, die von Chips in Fahrzeugen bis zu den Onlinediensten in der Cloud reicht.

Warum zögern manche Hersteller noch?

Vielfach besteht bei Automobilherstellern die Tendenz, dass alles, was die Sicherheit betrifft, auch am und im Fahrzeug ablaufen muss. Man versucht, sich auf das zu fokussieren, was man selbst und direkt beeinflussen kann. Nur ist es in der Welt der Vernetzung so, dass die Cybersecurity-Cloud eine wichtige Rolle für die Sicherheit des vernetzten Autos spielt. Die allerdings befindet sich nicht mehr im Fahrzeug und ist für den Hersteller weit weg vom Kerngeschäft.

Das heißt, Autos sind in Zukunft ohne eine Cybersecurity-Cloud nicht sicher?

Sind Autos vernetzt, kommunizieren aber nicht zusätzlich mit einer Cybersecurity-Cloud, sind sie nicht sicher. Diese Cloud bietet eine Sicherheitsarchitektur, die vernetzte Autos vor Angriffen schützt, noch bevor sie im Auto landen. Die Speicherkapazität und Rechnungsleistung der Prozessoren, die im Auto eingebaut sind, reichen nicht aus, um moderne Cyberattacken abzuwehren. Das Auto wird mit diesen Attacken allein nicht fertig. Es braucht die Unterstützung durch leistungsstarke Sicherheitssysteme in der Cloud.

Wie setzt man diese Cloud ein?

Sicherheits-Clouds haben die Funktion eines Abwehrschirms. Sie schützen die gesamte Kommunikation nach außen und nach innen und können ganze Flotten von Herstellern sichern. Sie analysieren Anomalien, die bei der Kommunikation in Fahrzeugnetzwerken identifiziert werden. Der Hersteller kann auch Sicherheitsupdates an alle damit vernetzten Fahrzeuge senden.

Ist das Auto denn eine gute Beute?

Bis auf den Fahrzeugdiebstahl nicht, nein. Cyberkriminelle versuchen in der Regel, auf Bankkonten oder direkte Zahlungsmodalitäten ihrer Opfer abzuzielen. Aber nichts davon ist derzeit im Fahrzeug zu haben – noch nicht. Aber wenn Zahlungen über die Near-Field-Communication (etwa mit dem neuen iPhone 6 möglich, Anm. d. Red.) oder standortbezogene Dienste vorgenommen werden, wird das Auto für Datendiebe interessanter.

Hersteller weisen immer wieder auf die Sicherheit durch die Abgrenzung der Bus-Systeme untereinander hin. Kann das künftig noch durchgehalten werden?

Die bisherigen Strategien, kritische Systeme in Fahrzeugen von mit der Außenwelt verbundenen Infotainmentsystemen physisch zu trennen, sind bei Fahrerassistenzsystemen und in Zukunft auch autonomen Fahrzeugen nicht mehr möglich, da zahlreiche sensorische Impulse von der Fahrzeugumgebung unmittelbar in Steuerbefehle für das Fahrzeug umgesetzt werden müssen. Das ist ein Sicherheitsmechanismus von heute. Aber in Zukunft, wo alles vernetzt sein wird, wo wir Fahrerassistenten haben oder wo wir autonome Fahrzeuge bauen, müssen diese Subsysteme miteinander kommunizieren und Informationen austauschen. Hersteller werden dann die Subsysteme nicht mehr physisch voneinander trennen können, denn die Impulse von Sensoren müssen zu anderen Systemen weitergeleitet werden, die wiederum auf diese Resultate reagieren. Eine physische Trennung ist daher nicht mehr möglich.

Sollte an Autos anders vernetzen?

Aus Angst vor Cyberangriffen , Autos künftig nicht so zu vernetzen, wie es die Technik kann, halte ich für falsch.