Es ist noch gar nicht so lange her, da war die Haltung von Dieter Zetsche zur Elektromobilität von einer gehörigen Portion Skepsis geprägt. Man zollte dem kalifornischen Autobauer Tesla für seine Erfolge Respekt, sah aber wenig Grund zur Panik. „Ich kenne keinen Hersteller, der mit Elektroautos Geld verdient“, wiederholte Zetsche gebetsmühlenartig, wenn er auf das Thema angesprochen wurde.
Nun aber ist alles anders. Elektromobilität ist eine der tragenden Säulen der neuen Konzernstrategie CASE, die Daimler zum Platzhirsch der automobilen Zukunft machen soll. „Jetzt legen wir den Schalter um. Wir sind bereit für den Start einer Elektro-Offensive, mit der wir alle Fahrzeugsegmente von der Kompakt- bis zur Luxusklasse abdecken werden“, kündigte Zetsche im vergangenen Herbst an– und machte dabei auch gleich eine Kampfansage an die Konkurrenz.
2025 will man auf diesem Gebiet der führende Premiumanbieter sein. Dann soll jedes vierte verkaufte Auto mit Stern ein Stromer sein. Bei anhaltendem Wachstum käme Zetsche auf mehr als 600.000 E-Autos pro Jahr. Deshalb muss jetzt auch im sächsischen Kamenz angebaut werden. Die Produktion im neuen Werk, das 300 Meter lang und 200 Meter breit ist, soll im Jahr 2018 beginnen. Dort werden dann auch die großen Batterien für die neue Produktfamilie EQ starten.
Noch aber ist der Konzern davon weit von seinen Zielen entfernt. Zwar verkaufen sich die Plug-in-Hybride nicht schlecht, von denen es inzwischen zehn Modelle gibt. Aber der rein elektrische Smart der neuen Generation ist eben erst in den USA auf den Markt gekommen und wird im Frühjahr in Deutschland zu haben sein. Und die seit 2014 erhältliche elektrische B-Klasse verkauft sich nur in homöopathischen Dosen. Das Auto ist mit knapp 40.000 Euro zu teuer, die Reichweite mit rund 200 Kilometern zu gering. BMW dagegen hat 2016 bereits 66.000 Autos mit Elektromotor an Bord verkauft, darunter 24.000 reinelektrische i3. 2017 sollen es bereits insgesamt 100.000 sein. Und Tesla setzt in der Schweiz sogar mehr E-Limousinen ab als Mercedes S-Klassen.
Eine Schlüsselrolle bei der Aufholjagd von Daimler spielt die neue Modellfamilie EQ. Den Auftakt macht ein Crossover-Coupé auf Basis des erfolgreichen SUV GLC. Es wird 2019 auf den Markt kommen und das erste rein elektrische Modell einer neuen Generation sein. Um dem Kunden die Reichweitenangst zu nehmen, soll das Auto mit einer Ladung rund 500 Kilometer weit fahren können. Dazu kommt ein wettbewerbsfähiger Preis, der dem eines gut ausgestatteten GLC entsprechen soll, also zwischen 50.000 und 60.000 Euro liegen dürfte. Danach sollen neun weitere Modelle folgen – von der Limousine bis zum Kompaktwagen.