Die schlechten Nachrichten für den Dieselmotor häufen sich: Erst der Skandal bei VW, dann die Vorwürfe gegen die anderen Hersteller, die Diskussion über Fahrverbote in Stuttgart und anderen Städten und zum Schluss die Ermittlungen bei Daimler. Jetzt muss Audi 24.000 Autos zurückrufen, weil eine Software zur Überschreitung der NOx-Werte sorgt.
Chronik eines angekündigten Todes
Nein, es sind keine guten Zeiten für den Selbstzünder. Mit den Abgasmanipulationen bei VW und den fragwürdigen Auslegungen gesetzlicher Grauzonen beim Ausstoß von Stickoxiden haben sich die Autohersteller selbst in die Defensive gebracht. Längst haben die Diesel-Gegner in den USA und Deutschland den gesellschaftlichen Diskurs an sich gerissen und schaffen es mit teils berechtigter Kritik an veralteter Technik und einer gehörigen Portion Polemik, den Diesel ins Abseits zu drängen.
Dazu tragen auch die Städte bei, die bei der Erfüllung von EU-Vorgaben Handlungsfähigkeit beweisen müssen und sich den Diesel als Ziel ausgesucht haben – auch wenn dieser, mit einem Partikelfilter ausgerüstet, nicht mehr Feinstaub verursacht als Autos mit anderen Antrieben.
Die anhaltende Verteufelung der Technologie zeigt Wirkung. Bei BMW sank der Diesel-Anteil laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) von 74 Prozent im Jahr 2014 auf 67,7 Prozent im Februar 2017. Bei Audi ging er von 67,4 auf 61,3 und bei Mercedes von 59,1 auf 55 Prozent zurück. Bei VW sank der Wert von 53,3 auf 51 Prozent. Insgesamt ist der Anteil an Dieselfahrzeugen bei Neuzulassungen in Deutschland im Februar auf 43,3 Prozent gesunken. Nur im September 2010 lag der Anteil mit 41,4 Prozent niedriger.
Noch geben sich die Vorstandschefs der Autobauer trotzig. Auf dem Auto-Salon in Genf Anfang März hatte Daimler-Chef Dieter Zetsche zwar Fehler der Autoindustrie beim Diesel eingeräumt, doch an der grundsätzlichen Strategie soll sich auch angesichts drohender Fahrverbote in Städten nichts ändern. „Der Diesel hat eindeutig Zukunft“, wiederholte Zetsche vergangene Woche bei der Aktionärsversammlung in Berlin. In einem Daimler-Streategiepapier heißt es: „Insbesondere der sparsame, saubere und vor allem in Europa sehr populäre Diesel leistet einen wesentlichen Beitrag zur Senkung des Flottenverbrauchs.“ Von 104 Mercedes-Modellen mit Effizienzlabel A oder besser sind 88 Diesel. Zumindest gilt dies auf dem Papier.
Mit dem neuen Motor OM 654 will Mercedes beweisen, dass Tricks nicht notwendig sind. Der Motor, der zunächst in der E-Klasse 220 d zum Einsatz kommt und später in der gesamten Modellpalette Einzug halten soll, kann unter realen Bedingungen im Straßenverkehr den Stickoxid-Grenzwert nicht nur einhalten, sondern deutlich unterschreiten. Zetsches deutsche Kollegen teilen seine Meinung zum Selbstzünder. Opel-Chef Karl-Thomas Neumann betont dessen Beitrag zur CO2-Reduzierung, warnt aber: "Aufgrund der immer aufwendigeren Abgasnachbehandlung wird der Dieselmotor teurer. Manche Kunden werden das möglicherweise bald nicht mehr bezahlen wollen, vor allem bei Selbstzündern in kleineren Autos."
Auch wenn der Dieselskandal von VW den Feldzug gegen den Diesel ausgelöst hat – weder Konzernchef Matthias Müller noch VW-Markenchef Herbert Diess wollen sich von ihm verabschieden. Wichtig bleibt er vor allem in Europa und den größeren Autos wie etwa dem Passat, der traditionell häufig mit Selbstzünder gekauft wird. "Die verschärften Emissionsanforderungen erhöhen den technischen Aufwand bei allen Verbrennungsmotoren. Bei den Dieselmotoren rechnen wir mit Zusatzkosten von mehr als 1000 Euro pro Fahrzeug", sagt VW-Markenchef Diess.
Auch Harald Krüger will mit seiner BMW-Mannschaft um den Selbstzünder kämpfen. „Der Diesel bleibt auch in den kommenden Jahren unverzichtbar für uns. Die bisher erreichten Fortschritte bei der CO2-Reduzierung in Europa sind überwiegend dem Einsatz der Dieseltechnologie zu verdanken“, sagt Produktionsvorstand Oliver Zipse. "Das Erreichen der zukünftigen Anforderungen ist ohne Dieselantriebe undenkbar."
Genau hier zeigt sich aber das Dilemma der Diesel-Strategie: Je schneller der Anteil bei Neuzulassungen sinkt, desto schwerer wird es, das CO2-Ziel von 95 Gramm pro Kilometer 2021 zu erreichen. So hat Daimler mit einem Flottenverbrauch von 123 Gramm pro Kilometer 2016 erstmals seit Jahren keine Reduzierung geschafft. Schuld daran ist auch der SUV-Boom. Die Autos sind oft schwerer, höher motorisiert und daher keine Spritsparer. Der Rückgang des CO2-Ausstoßes bei zugelassenen Neuwagen betrug 2016 laut KBA nur noch 1,1 Prozent. 127,4 Gramm je Kilometer waren es im Schnitt. In den vorherigen fünf Jahren gingen die CO2-Emissionen noch um jährlich 3,2 Prozent zurück.
Doch reißen die Autobauer das CO2-Ziel der EU, reißt ihnen das ein Loch ins Budget. Dann drohen kräftige Strafzahlungen. Würde etwa VW bei stark sinkenden Selbstzünder-Verkäufen seinen bisher angepeilten Zielwert um nur ein Gramm verfehlen, wären jährliche Strafzahlungen von über einer Milliarde Euro fällig. Und Milliardenstrafen hat der Diesel Wolfsburg wohl schon genug eingebracht.
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