Herr Bulander, warum favorisiert Bosch den Brennstoffzellenantrieb für schwere Lkw?
2050 wollen wir alle mobil sein und dabei möglichst wenig CO2 erzeugen – sowohl mit Pkw als auch mit Nutzfahrzeugen. Das geht mit Strom, mit Wasserstoff und mit Verbrennern, die mit synthetischen Treibstoffen, sogenannten E-Fuels, betrieben werden. Bei elektrisch angetriebenen Fahrzeugen kommt es immer auf den Anwendungsfall an. Kurze Distanzen, beispielsweise im städtischen Verteilerverkehr, sind batterieelektrisch machbar. Für schwere Nutzfahrzeuge und große Distanzen hingegen sehen wirgroßes Potenzial in Brennstoffzellenantrieben und in E-Fuels.Welche Komponenten würde Bosch für eine Brennstoffzelle beisteuern?
Zunächst die Teile, die vom Wasserstoff unabhängig sind. Der Antrieb des Fahrzeugs ist der Elektromotor, hier haben wir bereits Lösungen im Programm. Dazu kommt der Tank für den Wasserstoff, die Sensorik und Komponenten des Luftpfads wie zum Beispiel der Kompressor. Wir kaufen den Brennstoffzellen-Stack zwar zu, wollen aber das Gesamtsystem verstehen. Bei Offroad-Fahrzeugen wie beispielsweise einen Gepäckschlepper für Flughäfen haben wir dies übrigens schon unter Beweis gestellt.Sie sind also eher der Dirigent, müssen das Orchester aber nicht komplett selbst stellen?
Genau. Denn wir besitzen das Know-how, um alle Komponenten im Antriebsstrang intelligent zu verbinden. Bei der Brennstoffzelle geht es darum, verschiedene Parameter wie Feuchtigkeit oder Mischverhältnisse zu beherrschen. Auch wenn sich die Brennstoffzellen-Technologie von anderen Antriebsarten unterscheidet, ist sie ein Feld, das wunderbar zu unseren Kompetenzen passt, nämlich komplexe physikalische Systeme optimal zu regeln.Sie haben mit dem amerikanischen Start-up Nikola Motor und dem chinesischen Zulieferer Weichai Power gleich zwei Kooperationen für die Entwicklung der Brennstoffzelle geschlossen.
Bei beiden Projekten geht es darum, einen Langstrecken-Lkw mit Brennstoffzelle auf die Straße zu bringen. Die Partnerschaften unterscheiden sich aber in technologischer Hinsicht. In den USA entwickeln wir gemeinsam mit Nikola Motor Komponenten für den elektrischen Antrieb. Bei der Kooperation mit Weichai Power hingegen konzentrieren wir uns stärker auf das Brennstoffzellensystem.Ziel ist es aber, ein komplettes System anzubieten?
Genau. Wir rechnen mit einem Serieneinsatz für die Jahre 2021 oder 2022.Bisher hieß es ja immer, die Brennstoffzelle sei zu teuer. Was ist da passiert?
Eine der größten Hürden war der hohe Platinanteil. Wir gehen davon aus, dass der Platinbedarf für Brennstoffzellen in den nächsten Jahren deutlich sinken wird, sodass der Brennstoffzellenantrieb in schweren Nutzfahrzeugen wettbewerbsfähig sein kann.Sie haben kürzlich mit anderen Firmen ein Technologiebündnis zur Förderung von E-Fuels geschlossen. Ist da ein Durchbruch in Sicht?
Das Problem ist nicht die grundsätzliche Verfügbarkeit der Technologie, sondern der geringere Wirkungsgrad von E-Fuels im Vergleich zu einer direkten Nutzung von Strom. Für die Erzeugung von synthetischen Kraftstoffen ist ein hoher Energieaufwand nötig. Letztendlich wird es aber vom einzelnen Anwendungsfall abhängen, wo diese eingesetzt werden. Ein Markthochlauf der Produktion sowie sinkende Strompreise können dafür sorgen, dass E-Fuels noch deutlich günstiger werden. Ziel des Bündnisses ist es, größere Projekte anzustoßen und globale Märkte zu erschließen.Aber wann ist die Technologie wirklich einsatzreif?
Das ist eher eine Frage der Produktionskapazitäten. Es muss Wege geben, damit sich eine entsprechende Industrie formieren kann. Die Politik könnte diese Entwicklung fördern, beispielsweise über die Anrechnung von E-Fuels in der aktuell zur Verhandlung stehenden CO2-Flottenregulierung, vor allem für Lkw. Damit könnte sie den Weg frei machen für die Anrechnung von E-Fuels auf die CO2-Bilanz.Lesen Sie auch:
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