Boysens tiefe Partnerschaft

Altensteig. Als ein Hauptkunde hat BMW die Entwicklung des früheren Familien- und heutigen Stiftungsunternehmens Friedrich Boysen ganz wesentlich mitbestimmt, und zwar praktisch von Anfang an. "BMW ist für uns kein Kunde wie jeder andere", sagt Rolf Geisel, Geschäftsführer des Spezialisten für Abgastechnik aus Altensteig.

"Im Gegenteil: Unserer Verhältnis zu BMW ist einmalig, und zwar sowohl unter historischen als auch unter technischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten", so Geisel. In der Automobilindustrie, so der Unternehmer, sei gerne von partnerschaftlicher Zusammenarbeit zwischen Fahrzeugherstellern und ihren Zulieferern die Rede. "Die Realität sieht, wie wir alle wissen, in der Regel anders aus." Auch in dieser Hinsicht habe die Verbindung von Boysen und BMW eine Ausnahmestellung. "In der Breite, in der Tiefe, in ihrer Intensität und Qualität kommt die Beziehung unserer beiden ungleichen Unternehmen dem Ideal einer Partnerschaft sehr nahe."

Die Geschichte der Geschäftsbeziehungen beider Unternehmen reicht zurück bis in die 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Schon die 1921 von Friedrich A. Boysen in Leipzig mitgegründete Steigboy Apparatebau hat BMW mit Schalldämpfern für Motorräder und Abgastechnik für Flugzeugmotoren beliefert.

Von herausragender Bedeutung für Boysen war Ende der 1970er Jahre der Großauftrag für die Lieferung von Schalldämpfern für die Modelle der ersten BMW Dreier Baureihe. Ab 1978 waren BMW 316i, 318i, 320i und 323i mit reinen Reflexionsdämpfern ausgerüstet. Die patentierten Mehrkammer-Resonatoren zeichneten sich dadurch aus, dass kein Schallschluckstoff mehr verwendet werden musste und dass sie auf tiefe Frequenzen abgestimmt werden konnten.

Im letzten Vierteljahrhundert und unter Beschrändkung auf die Abgastechnik für Pkw gab es bei Boysen noch eine Reihe weiterer "Meilensteine": So der erste luftspaltisolierte Krümmer für die 3,0- und 4,0 Liter V8-Motoren der Modelle BMW 730i und BMW 740i (1992); wegen ihrer komplexen Geometrie im Übrigen erstmals unter Einsatz der IHU-Technik gefertigt (Innenhochdruckumformung). Zudem war das Unternehmen Lieferant aller Abgasanlagen sämtlicher Modelle von Rolls-Royce beginnend mit dem Rolls-Royce Phantom (2003).

Zudem verweisen die Altensteiger auf das komplette Abgassystem für den wasserstoffbetriebenen 6,0 Liter V12-Zylinder des BMW Hydrogen 7 (2004). Auch der Fächerkrümmer und motornahe Katalysatoren für den 5,0 Liter V10-Hochdrehzahlmotor des BMW M5 (2005) stammen von Boysen ebenso wie die Abgassysteme des BMW i3 mit Range Extender und des Supersportwagens BMW i8 (2013).

Bezeichnend für das Selbstverständnis von Boysen als Partner nicht nur für Produktentwicklung, sondern auch für Produktion und Logistik, war das weltweit erste Montage-vor-Ort-Werkes für die Fertigung kompletter Abgasanlagen nach dem Just-in-Sequence-Prinzip.

Boysen MVO in Salching startete 1994 mit der Lieferung von Abgasanlagen für die im Werk Dingolfing gefertigten Modelle BMW 730i, BMW 740i und BMW 840Ci. Seit 1996 produzieren die JIS-Spezialisten in Salching auch für BMW in Regensburg.

Auch für die Globalisierung der Boysen Gruppe war die Beziehung zu BMW von entscheidender Bedeutung: Die ersten Boysen Werke außerhalb Europas – Surajpur/Indien (1999), Gaffney/USA (2004) und Shenyang/China (2008) – wurden für die Fertigung von Abgastechnik für BMW errichtet.

Bezeichnend für die besondere Qualität der Beziehung zu BMW ist schließlich auch, dass Boysen 2007 in München ein Büro für Resident Engineers eröffnet hat. Es ist bis heute das einzige Boysen-eigene Ingenieurbüro in unmittelbarer Nähe zu einem Kunden.

In den 1920er Jahren für die damalige Steigboy GmbH sowie für die 1945 gegründete Friedrich Boysen GmbH war BMW bis in die 70er Jahre hinein ein Kunde unter vielen. In späteren Jahren fokussierte Boysen seine Geschäftstätigkeit immer stärker auf seinen ältesten und treuesten Kunden.

Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre hatte BMW – seinerzeit praktisch der einzige nennenswerte Abnehmer von Boysen Abgastechnik im Automobilbereich – maßgeblichen Anteil daran, dass das mittelständische Unternehmen den für das weitere Wachstum entscheidenden Entwicklungsschritt vom einfachen Zulieferer zum Systemlieferanten von Abgastechnik vollzogen hat.

Heute erwirtschaftet die Boysen Gruppe über 90 Prozent ihres Umsatzes von 1,46 Milliarden Euro im Jahr 2015 in etwa zu gleichen Teilen mit den drei Premium-Automobilherstellern Audi, BMW und Mercedes. Obwohl seit den 1970er Jahren ausschließlich auf den Pkw-Bereich ausgerichtet, ist die Zusammenarbeit von Boysen mit der BMW Group breit aufgestellt. Sie umfasst die komplette Markenwelt des Konzerns und geht mit Alpina sogar noch ein Stück weit darüber hinaus.

Ohne BMW wäre Boysen heute nicht das, was Boysen ist. Und womöglich gilt, in aller Bescheidenheit, für BMW ein Stück weit das gleiche, heißt es beim Unternehmen. In jedem Fall zeigen unter anderem die Projekte BMW i3 mit Range Extender und BMW i8, dass die Zusammenarbeit von BMW und Boysen Zukunft hat.

Boysen-Geschäftsführer Rolf Geisel fährt übrigens seit mittlerweile drei Jahrzehnten dienstlich einen Siebener BMW. "Alle vier Jahre einen neuen", wie er sagt.