Herr Reindl, wie hat sich die Zufriedenheit der Beschäftigen im deutschen Autohandel im Vergleich zu 2019 entwickelt?
Stefan Reindl: Entgegen unserer ursprünglichen Vermutung hat sie sich verbessert – von der Durchschnittsnote 2,55 im Vorjahr auf jetzt 2,34.Woran liegt das?
Reindl: Verantwortlich dafür war eine höhere Zufriedenheit in zwei Bereichen: Zum einen das Beziehungsfeld "Arbeitsbedingungen" sowie zum anderen das Feld "Vergütung und Entwicklungsmöglichkeiten". Die positiven Veränderungen in beiden Fällen dürften wohl mit dem Festhalten am Stammpersonal in den Autohausunternehmer im Zusammenhang stehen.Wo gibt es die größten Defizite?
Reindl: Mit Blick auf einzelne Beziehungsfelder kritisieren Mitarbeiter am häufigsten die fehlende Transparenz und Kommunikation. Auch die Wertschätzung für geleistete Arbeit wird häufig vermisst, ebenso die Angemessenheit der Vergütung. Bei der Analyse nach Abteilungen haben wir die geringste Zufriedenheit im Werkstatt- und Teilebereich festgestellt.Wie erklären Sie das?
Reindl: Es gibt traditionell ein Gefälle zwischen "white collar" und "blue collar". Der Verkauf fühlt sich dem Handwerk überlegen. Das Ansehen derjenigen, die sich die Finger schmutzig machen, wird nach wie vor mit Geringschätzung bedacht. Das ist ein strukturelles Problem – aber nichts Neues. Mit der Digitalisierung, den neuen Technologien und dem Wandel der Qualifikationen könnte aber künftig auch das Ansehen der Service-Mitarbeiter steigen. Ein fitter Mechatroniker ist ja nicht dümmer als ein Verkäufer. Die Verkäufer verhelfen zwar zu mehr Umsatz, aber nicht zu mehr Ertrag. Wo sind die Autohäuser in Sachen Mitarbeiterzufriedenheit besonders gut aufgestellt?Reindl: Arbeitsbedingungen und Arbeitsschutzmaßnahmen wurden im Schnitt am besten bewertet. Dabei lassen sich einige Kriterien wohl recht eindeutig zuordnen. Sehr gut abgeschnitten haben zum Beispiel Corona-getriebene Maßnahmen wie die "flexible Arbeitszeitgestaltung" oder die verstärkte "Nutzung des Homeoffice".Aus Gründen der Vergleichbarkeit werden drei strategische Gruppen gebildet. Gibt es eine Korrelation von Betriebsgröße und Mitarbeiterzufriedenheit?Reindl: Ja, bei den kleinen Betrieben ist die Mitarbeiterzufriedenheit klar höher. Dagegen sehen wir kaum Unterschiede zwischen den Durchschnittswerten der mittleren und den ganz großen Betriebe. Wo können die kleinen Betriebe besonders punkten?Reindl: Mit den Möglichkeiten, eigene Kompetenzen oder eigene Ideen einzubringen, sind Mitarbeiter in kleinen Betrieben zufriedener als in mittleren und großen Autohäusern. Auch die Möglichkeit, Beruf und Privatleben auszubalancieren, ist in kleinen Betrieben offenbar eher gegeben. Außerdem sind die Befragten in den kleinen Betrieben mit den Umgangsformen zufriedener und attestieren den Führungskräften am ehesten eine faire Behandlung aller Mitarbeiter.Hat die Zugehörigkeit zu einer großen Gruppe Einfluss auf die Mitarbeiter-Zufriedenheit?David Sosto Archimio: Das lässt sich schwer sagen, da 90 Prozent der teilnehmenden Betriebe zu einer Gruppe gehören. Wir haben beim BAA 2020 nur wenige Einzelbetriebe oder Unternehmen mit zwei oder drei Häusern.Das IfA erstellt jährlich die Händlerzufriedenheitsstudie MarkenMonitor, die das Verhältnis zum Hersteller untersucht. Korreliert eine gute Hersteller-Händler-Beziehung mit einer guten Händler-Mitarbeiter-Beziehung?Reindl: Aufgrund der Fallzahlen ist hier der Ausweis einer Korrelation nicht zulässig. Aber: Die beiden Beziehungen haben sich gegenläufig entwickelt. Während die Mitarbeiterzufriedenheit beim BAA 2020 signifikant zugenommen hat, existiert in der Händler-Hersteller-Beziehung mittlerweile ein deutlicher Vertrauensverlust. Die Ergebnisse der diesjährigen Händlerzufriedenheitsanalyse zeigen, dass die Unterstützung der Händler durch die Hersteller in diesem Jahr sehr schlecht bewertet wurde, während die Zufriedenheit der Mitarbeiter mit den Maßnahmen ihrer Autohaus-Führung zugenommen hat. Das sollte den Herstellern zu denken geben.Womit können Unternehmen die Loyalität ihrer Mitarbeiter am stärksten fördern? Reindl: Auffällig war das Beziehungsfeld "Vertrauen ins Management". Das Autohaus-Management ist offensichtlich sorgsam mit der Beziehung zu den Mitarbeitern umgegangen. Hier ist eine relativ hohe Stabilität vorhanden – ganz anders als beim IfA MarkenMonitor, bei dem die Händler das bezüglich der Hersteller nicht so gesehen haben.Welcher Führungsstil ist heute im Autohaus zeitgemäß?
Reindl: Ich denke, dass es darum gehen muss, die Mitarbeiter in die Zukunft mitzunehmen. Ich würde in diesem Zusammenhang auch nicht von einem spezifischen Führungsstil sprechen. Es geht einfach darum, die Zukunft der Autohausunternehmen agil und motiviert zusammen mit den Mitarbeitern zu gestalten. Wenn man so will, könnte man also von einem kooperativen Führungsstil sprechen.Wie wirkt sich der Fachkräftemangel im deutschen Autohandel aus?
Sosto Archimio: Durch den Corona-bedingten Einstellungsstopp in der Industrie gab es 2020 für die Mitarbeiter im Handel kaum Chancen zum Wechsel. Insofern steigert der Stellenabbau beim industriellen Arbeitgebern tendenziell die Zufriedenheit mit den Arbeitgebern auf der Handelsebene. Welche Fähigkeiten der Mitarbeiter sind künftig besonders gefragt und sollten gefördert werden?Reindl: Das lässt sich aus der BAA-Befragung nicht ableiten. Wir wissen aber, dass die Werkstatt mit Blick auf die Qualifikationen für die Zukunftsthemen das Sorgenkind ist. Gerade bei älteren Beschäftigten herrscht oft eine gewisse Skepsis gegenüber neuen Technologien und es ist eine große Herausforderung, hier geeignete junge Mitarbeiter zu finden.Das heißt, aktuell ist es leichter, neues Personal für den Verkauf zu finden? Reindl: Ja. Allerdings existiert auch im Handel mittlerweile die Tendenz zum Arbeitsplatzabbau – aktuell wegen Corona, aber auch wegen der anhaltenden Diskussion um die Substitution der Retail-Ebene. Und diese Diskussion wird sich wohl in der Zeit nach Corona noch verstärken.Wie kritik- oder lernfähig sind deutsche Autohaus-Manager?
Reindl: Mittlerweile ist in vielen Autohausunternehmen der Generationswechsel bereits vollzogen. Das bringt unter anderem auch eine Veränderung der Sicht auf Innovationen wie die Digitalisierung und neue Antriebe mit sich. Die jungen Autohausmanager stehen solchen Themen häufig aufgeschlossener gegenüber als deren Vorgänger. Das ist gut so, denn die Herausforderungen und Anforderungen des Marktes sind anzunehmen – da gibt es keine Alternativen.Ist die Affinität zu digitalen Prozessen bei deutschen Autohaus-Managern hinreichend ausgeprägt?Sosto Archimio: Die meisten Autohausunternehmer sind sich der Bedeutung der Digitalisierung durchaus bewusst. Es muss vor diesem Hintergrund darum gehen, zusammen mit der Vertriebsstufe auf der Herstellerseite nachvollziehbare und gangbare Wege zu finden, die digitale Zukunft zu gestalten. Dazu gehört vor allem, die betriebswirtschaftliche Tragfähigkeit und Substanz der Handelsebene langfristig und nachhaltig abzusichern. Welche Änderungen am BAA sind schon jetzt für 2021 geplant?Sosto Archimio: Von den Teilnehmern wurde beispielsweise kritisiert, dass der Fragebogen sehr lang ist. Sicher kann man bei Einzelfragen nachjustieren oder auch die Zahl der Fragen etwas modifizieren. Da der BAA als langfristige Erhebung angelegt ist, wollen wir aber aus Gründen der Vergleichbarkeit an der bisherigen Struktur im Wesentlichen festhalten. Und: Eine Straffung würde die Qualität der Untersuchung beeinträchtigen.Das Interview führte Bettina John.Lesen Sie auch:
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