Herr Mock, wie steht der ICCT zum Vorschlag der EU-Kommission, die CO2-Grenzwerte bis 2030 im Vergleich zu den Vorgaben für 2021 um 30 Prozent zu senken?
Überaus skeptisch. Denn beim ICCT rechnen wir von hinten her. Dabei zeigt sich zum einen, dass die EU ihre eigenen Klimaschutzziele bis 2030 mit der genannten Vorgabe klar verfehlen würde. Und zum anderen, dass auch unser Land bei dieser Aufgabe, auf "nur" deutscher Ebene, grandios scheitern würde. Dann müssten wir CO2-Zertifikate hinzukaufen, etwa in Schweden – und dafür hätten wir alle aufzukommen, als deutsche Steuerzahler.
Wäre ein stark beschleunigter Hochlauf der E-Mobilität die passende Lösung für dieses Problem?
Bis 2021 sind die CO2-Ziele nach unseren Analysen auch ohne Elektroautos recht gut zu schaffen. In der Zeit danach jedoch wird man an einer stärkeren Elektrifizierung nicht vorbeikommen können. Das heißt aber nicht zwingend, dass wir ausschließlich mehr reine Stromer benötigen. Die deutsche Automobilindustrie setzt ja auch– mit Erfolg– auf Plug-in-Hybride.
Wie beurteilen Sie den Fortgang des Ausbaus der Infrastruktur zum Laden von E-Mobilen?
Im Moment zeichnet sich ab, dass viele Hersteller bei ihren künftigen E-Autos auf Reichweiten von 500 oder gar 600 Kilometern setzen. Das kann allerdings nicht der Weisheit letzter Schluss sein, denn dafür sind sehr schwere Batterien nötig. Vor diesem Hintergrund ist ein höheres Tempo bei der Verbesserung der Infrastruktur vonnöten. Da ist auch die Politik gefordert.
Die Gewerkschaften warnen vor einem dramatischen Jobverlust beim Umstieg auf die E-Mobilität. Wie groß ist diese Gefahr?
Derlei Schreckensszenarien basieren auf einer Studie, die häufig falsch interpretiert wird. Nach unserem Verständnis wird es durch die zunehmende Automatisierung der Produktion in jedem Fall zu Jobverlusten kommen. Bei reinen Stromern, wohlgemerkt. Bei Plug-in-Hybrien dürfte es ob der hohen Komplexität ihrer Technik tendenziell einen Zuwachs bei der Beschäftigung geben. Wichtig ist, dass der Übergang von Verbrennungs- zu E-Motoren mit klaren Zielen und Leitplanken begleitet wird. Und die entsprechende Qualifizierung der Mitarbeiter muss rechtzeitig erfolgen.
Ist die ökologische Gesamtbilanz von Elektrofahrzeugen noch immer so verheerend, wie sie von Verbrenner-Fans oft beschrieben wird?
Für die Beurteilung ist hier sehr bedeutsam, wie der Strom für Herstellung und Betrieb der E-Autos gewonnen wird. Wenn wir europäische Durchschnittswerte zugrundelegen, haben die Stromer bereits heute einen Vorteil gegenüber den Verbrennern. Und die Produktion wird zunehmend effizienter, der Strommix grüner. Langsam, aber sicher.
Bringt die Hinwendung zur E-Mobilität Nachteile für deutsche Anbieter mit sich, etwa im Wettbewerb mit der Benziner-Nation USA?
Die Welt schaut da zunehmend auf China, immer weniger auf die USA. Und bei E-Mobilität sind chinesische Konzerne starke Treiber. Sie wollen ihre Stromer eines gar nicht so fernen Tages exportieren – in ganz großem Stil.
Der anhaltende Trend zu massigen SUVs verhagelt manche CO2-Bilanz. Was ist zu tun?
Es bleibt jedem selbst überlassen, was er fahren möchte. Aber objektiv betrachtet, braucht es eine Reform der Kfz-Steuer: Fahrzeuge mit geringen CO2-Emissionen sollten einen Bonus bekommen. Insgesamt ist das Niveau der Kfz-Steuer in Deutschland derzeit viel zu niedrig, um eine Lenkungswirkung zu erreichen.
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