Hier ein paar weiße Blätter, da ein Ständer voller Stifte und ringsherum jede Menge Material zur Inspiration – mit dieser fast romantischen Vorstellung vom Automobildesign hat die Arbeit in den Kreativfabriken der Fahrzeughersteller nur noch wenig gemein.
Zwar gibt es solche Schreibtische in Sindelfingen oder München tatsächlich, und Männer wie Mercedes-Designchef Gorden Wagener oder Klaus Bischoff bei VW greifen vor Publikum gerne zum Marker, um ihren Ideen Gestalt zu geben. Doch im Tagesgeschäft haben die Stilführer den Stift längst abgegeben: Die Autos von morgen entstehen in der Regel digital auf dem elektronischen Skizzenblock des Grafik-Computers. "Viele unserer jungen Kollegen haben noch nie einen Zeichenstift in der Hand gehabt", sagt Peter Horbury, der das Design bei Geely verantwortet und pro Monat gerade Dutzende Nachwuchskräfte anheuert. Sie arbeiten in Schanghai in Studios, die eher an Großraumbüros erinnern, und sitzen an Computerplätzen, die sich bis auf die bunte Dekoration kaum von denen eines Finanzbeamten unterscheiden.
Selbst wenn die ersten Skizzen noch von Hand erstellt wurden, übernimmt spätestens danach Kollege Computer. Denn mit spezieller Software werden die Zeichnungen eingescannt und in die dritte Dimension gebracht. Selbst großformatige Entwürfe, die mit flexiblen Klebebändern statt Tuschestrichen an die Wände geworfen werden, lassen sich elektronisch erfassen und weiterverarbeiten, sagt Steffen Köhl, der beiMercedes das Advanced Design leitet. Einmal abfotografiert und durch ein Grafikprogramm gejagt – schon kann man das 3-D-Modell auf dem Bildschirm drehen und wenden. Das sei einer der größten Vorzüge, sagt Köhl: "Statt immer wieder von vorn anzufangen, lassen sich Entwürfe jederzeit korrigieren, verändern oder überarbeiten."