Göteborg. Das 55 Millionen Euro schwere Projekt Drive Me unterscheide sich von aktuellen Feldversuchen etwa in Kalifornien in zwei wesentlichen Punkten, sagt Entwickler Mikael Thor: Am Steuer sitzen keine Ingenieure, sondern ganz normale Kunden. Vor allem könne der Fahrer während der autonomen Abschnitte seine Zeit sinnvoll nutzen. Denn während alle am Markt verfügbaren Assistenzsysteme den Fahrer immer in der Verantwortung hielten und auch die Entwickler bei ihren Tests stets in Alarmbereitschaft seien, werde man sich bei Drive Me auf Knopfdruck völlig aus der Kontrollfunktion zurückziehen können, stellt Entwickler Thor in Aussicht: „Das wird der nächste Level autonomen Fahrens, bei dem man sich getrost zurücklehnen kann.“ Zwar dürfe man weder schlafen noch den Platz hinter dem Lenkrad verlassen. Doch seien alle Systeme so ausgelegt, dass die Technik dem Fahrer genügend Zeit lässt, bis er das Kommando wieder übernehmen muss. Völlig autonom werden allerdings auch die Drive-Me-Volvos noch nicht fahren können: „Zunächst ist das Projekt auf eine etwa 50 Kilometer lange, autobahnähnliche Ringstraße um die City begrenzt“, sagt Thor. Diese Strecke sei aus technischen Gründen gewählt worden, weil es dort weder Kreuzungen noch Gegenverkehr oder Fußgänger gebe. Und aus taktischen Gründen sei sie erste Wahl, weil der Verkehr dort in der Regel am dichtesten ist. „Wenn Autofahren keinen Spaß macht, dann hier.“ Noch sind Männer wie der Volvo- Entwickler in umgerüsteten S60-Limousinen unterwegs, die viele zusätzliche Sensoren tragen und trotzdem nicht ihr ganzes Umfeld erkennen. Spurwechsel zum Beispiel sind bislang genauso wenig möglich wie das autonome Durchfahren eines Autobahnkreuzes. Doch bis zum Start von Drive Me könnten die vermutlich vom neuen XC90 abgeleiteten Prototypen den gesamten Autobahnring umfahren, überholen und die Spuren wechseln, ohne dass dafür zusätzliche Hardware benötigt werde. „Alles, was wir dafür brauchen, wird in den kommenden Serienfahrzeugen schon eingebaut sein. Wir müssen nur noch eine weiterentwickelte Software aufspielen und das System mit detaillierteren Navigationsdaten füttern“, erklärt der Entwickler. Vor diesem Hintergrund spinnt das Projektteam den Faden schon euphorisch weiter: „Technisch sollte es damit bereits Anfang des nächsten Jahrzehnts möglich sein, dass wir auf den allermeisten Autobahnen und Fernstraßen in einem autonomen Modus unterwegs sind“, sagt Sicherheitsforscher Anders Eugensson und sieht als Hindernis dafür kaum mehr als den juristischen Rahmen und die nötigen Investitionen in die Infrastruktur – zum Beispiel für aufgefrischte Fahrbahnmarkierungen und mehr Verkehrsschilder. Peter Mertens ist da nicht ganz so optimistisch: Auf der Automobilwoche Konferenz in München sah der Volvo-Entwicklungschef das autonome Fahren noch als ferne Zukunftsmusik: „Man sollte nicht erwarten, dass in den nächsten fünf Jahren eine größere Anzahl autonom fahrender Autos unterwegs sein wird.“
Volvo startet Pilotprojekt Drive Me
Autonom durch Göteborg
Volvo will das autonome Fahren im Alltag testen und hat deshalb den bislang größten Flottenversuch in Europa angekündigt. Ab dem Jahr 2018 sollen 100 mit einem Autopiloten ausgestattete Prototypen führerlos durch Göteborg fahren.