Ausland – nicht um jeden Preis

München. Im Leben von Bettina Biebl ist gerade alles ein Abenteuer: wohnen, arbeiten, essen. Im Januar hat die 32 Jahre alte Personalreferentin des Technologiekonzerns Continental die Stadt Regensburg gegen Schanghai eingetauscht und erlebt das, worüber sie sonst andere berät: den Einsatz im Ausland. „Die gewohnte Umgebung verlassen, sich neu orientieren – daran bin ich persönlich und beruflich noch mal gewachsen“, sagt Bettina Biebl nach den ersten Monaten.

Raus aus der Komfortzone ist nicht jedermanns Sache. In der Continental-Studentenumfrage 2014 zeigen sich nur 18 Prozent der Studenten bereit, weltweit nach einem Arbeitsplatz zu suchen. Sind die Mitarbeiter von morgen Mobilitätsverweigerer?

Philipp Benden, Senior Consultant Development und Karriereberater bei der Personalberatung von Rundstedt und Partner, berät seit über zehn Jahren Absolventen. Er bemerkt eine Verschiebung der Werte: „Die sogenannte Work-Life-Balance ist wichtiger geworden und die Zeit der extremen Flexibilität vorbei.“ Doch von einer generellen Unlust aufs Ausland könne keine Rede sein.

Im Studium scheint der Auslandsaufenthalt sogar an Attraktivität zu gewinnen: Laut der Erhebung „Wissenschaft weltoffen 2015“ vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) und dem Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung ist der Anteil der Studenten in höheren Semestern, die eine gewisse Zeit studienbezogen im Ausland verbracht haben, von 32 Prozent im Jahr 2013 auf 37 Prozent im Jahr 2015 angestiegen. „Nachdem in der Anfangszeit der Bachelor-Umstellung eine gewisse Zurückhaltung bei den Studierenden in Bezug auf Auslandaufenthalte festzustellen war, zeigt der Trend nun wieder nach oben“, sagt Simone Burkhart, Leiterin der Gruppe Strategie beim DAAD.

Also Ausland ja – aber nicht um jeden Preis. „Und bitte nicht als Selbstzweck“, rät Nina Zika, Senior Executive Search Consultant und Headhunterin für Führungskräfte bei von Rundstedt Executive Search. Schließlich sei Karriere auch heute noch möglich, ohne das Heimatland zu verlassen – wenn auch mit Einschränkungen. „Wer in einem internationalen Unternehmen globale Verantwortung übernehmen will, der braucht die Erfahrung im Ausland.“

Diese attraktiv zu gestalten, sei Aufgabe der Unternehmen, sagt Personalerin Biebl. „Das ganze Paket muss stimmen. Das geht über das Monetäre hinaus.“ Zentral sei die Zufriedenheit der Familie – und ein Plan, wie es nach der Entsendung weitergeht.

Biete man gute Rahmenbedingungen, steige die Bereitschaft zu internationalen Einsätzen auch bei den Nachwuchskräften. So lese man das Ergebnis der jüngsten Studentenbefragung, die auch junge Mitarbeiter mit einbezog, sagt die Personalsprecherin von Continental. Ergebnis: Unter ihnen seien schon 31 Prozent zu einem weltweiten Einsatz bereit.

Bettina Biebl jedenfalls bereut ihren Schritt ins Ausland nicht: „Durch eigenes Erleben lernt man Verständnis für andere Kulturen, Offenheit und Toleranz. Man versteht, dass nicht nur ein Weg zum Ziel führt.“