Herr Stadler, in der öffentlichen Wahrnehmung gilt BMW mit seinem Projekt i als technologischer Vorreiter. Ihnen wird in den Medien verstärkt der Vorsprung abgesprochen. Was ist los bei Audi?
Lassen Sie uns über Fakten sprechen. 2013 war für uns ein absolutes Rekordjahr. Weltweit haben wir 1,57 Millionen Autos verkauft und wir sind im direkten Wettbewerbsvergleich der Rendite-Champion. Das zählt. Wir punkten aber auch abseits der Zahlen mit einer ganzen Reihe von Innovationen und Zukunftsthemen.Und die wären?
Connectivity, Lichttechnologie, Leichtbau und Effizienz. Hier geben wir den Takt vor. Schon heute ist jeder Audi ein „mobile device“, wir vernetzen unser Auto mit dem Internet. In Kürze bringen wir das Laserlicht in Serie und setzen nach unserem Matrix-LED einen neuen Meilenstein. Auch beim Thema Leichtbau macht uns so schnell keiner was vor. Mit der intelligenten Kombination von verschiedenen Materialien sind wir branchenweit Benchmark und setzen die Trends der Zukunft.Früher haben Sie mit Quattro und Aluminium-Spaceframe Maßstäbe gesetzt. Womit wollen Sie sich künftig als Vorreiter positionieren? Mit e-tron-Modellen und pilotiertem Fahren?
Mir ist wichtig, dass wir uns auf Technologien konzentrieren, die einen Alltagsnutzen für unsere Kunden bieten. Beim pilotierten Fahren ist technisch schon vieles machbar. Sobald der rechtliche Rahmen steht, schalten wir auf Autopilot. Erfolgversprechende Entwicklungen breiten sich heute innerhalb weniger Monate über die gesamte Industrie aus. Darum muss sich ein Unternehmen in unserer Größenordnung breiter aufstellen, um auch künftig auf der Überholspur zu fahren. Wir sind überzeugt von unserer Plug-in-Hybrid-Strategie und starten jetzt mit dem A3 e-tron in den Markt. Unser Vorteil ist, dass wir diese Technologie in allen Werken ausrollen können.Auch auf weitere Modelle?
Der A3 e-tron gibt die Pace vor. Wir sind flexibel bei den Produkten, sei es ein Q7 e-tron, ein A6 e-tron oder ein A8 e-tron. Mindestens genauso wichtig ist es, dass wir geeignete Werke haben. Und hier spielen wir unsere Trümpfe aus. Wir können e-tron in Ingolstadt und Neckarsulm, aber auch in China und Mexiko bauen. Sie laufen ganz einfach zwischen TDI und TFSI auf der normalen Produktionslinie mit. Das macht uns keiner nach.Beim Leichtbau gilt derzeit BMW als führend.
BMW konzentriert sich auf die Carbon-Monocoque-Bauweise. Wir gehen sehr breit an dieses Thema heran. Bereits beim R8 Spyder und beim gerade ausgelaufenen RS 3 haben wir auf Carbon als Werkstoff gesetzt. Und bei Lamborghini bauen wir schon seit Jahren Monocoque-Karosserien in Serie. Unser Leitbild für Leichtbau ist der Einsatz des richtigen Materials. An der richtigen Stelle und in der richtigen Menge. Wie das geht, zeigt der neue TT. Der ist noch einmal 50 Kilogramm leichter als sein Vorgänger. Das ist so, als würden Sie zwei Säcke Zement einfach so aus dem Kofferraum nehmen.Sie bringen 2014 kein neues Großserienfahrzeug auf den Markt. Auch das wirkt so, als passiere bei Audi derzeit zu wenig. BMW und Mercedes hingegen punkten mit zahlreichen Neuheiten.
Bei uns passiert eine ganze Menge. Audi erlebt gerade den größten Internationalisierungs- und Investitionsschub seiner Geschichte. Im letzten Jahr sind mit Foshan in China und Györ in Ungarn zwei große neue Werke ans Netz gegangen. 2016 folgt ein weiteres in Mexiko und wir nehmen eine Fertigung in Brasilien auf. Darüber hinaus investieren wir bis 2018 22 Milliarden Euro in die Produktion und Entwicklung neuer Modelle. Heute säen wir und morgen fahren wir dann die Ernte ein. Mit einem neuen Volumenmodell kann jeder Stückzahlen erzeugen. Das ist keine Kunst. Die größere Leistung ist es, über eine intelligente Modellpflege auch dann attraktiv zu bleiben, wenn ein Teil der Fahrzeugpalette bereits drei oder vier Jahre im Markt ist. Wir werden auch in diesem Jahr wachsen und 17 Modelle präsentieren.Die drei deutschen Premiummarken liegen bei Volumen und Innovationskraft dicht beieinander. Was macht Sie so sicher, dass Sie 2020 vorne liegen?
Im Motorsport entscheidet eine schnelle Runde noch lange nicht das Rennen. Wir sind gut trainiert und legen ein hohes Tempo vor. Beste Voraussetzungen, um auf dem Treppchen ganz oben zu stehen. Und bis 2020 legen wir noch einmal eine Schippe drauf und gehen auf über 60 Modelle.Sie führen zwar nach den ersten beiden Monaten beim Absatz, aber die höchste Wachstumsrate hatte mit 16,6 Prozent Mercedes.
Wir respektieren unsere Wettbewerber, deren Stärke spornt uns an. Abgerechnet wird aber immer am Schluss.Fürchten Sie nicht, von Mercedes überholt zu werden und am Ende des Jahres auf Platz drei zu landen?
Nein. Das beobachten wir ganz entspannt. Trotz aller Widrigkeiten sind wir sehr gut ins Jahr gestartet und haben bis jetzt schon über 50 Sonderschichten an unseren deutschen Standorten beschlossen. Unsere weltweiten Auslieferungen haben wir in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt, in den vergangenen zwanzig Jahren sogar vervierfacht. 2013 auf knapp 1,6 Millionen Autos. Das ist das Ergebnis einer konsequenten Markenführung. Und wir halten den Kurs. Der amerikanische Markt hat riesiges Potential für uns. Unsere Strategie ist klar, wir spielen auf Angriff und bleiben in Europa und China Marktführer.Wie wollen Sie Ihre Premiumkonkurrenten im Wachstumsmarkt China auf Abstand halten?
In China sind wir die Nummer eins. In unseren Werken in Foshan und Changchun bauen wir zwei SUVs, die Langversionen von A4 und A6, den A3 Sportback und die A3 Limousine lokal. Wir sind dort so breit aufgestellt wie keiner unserer Wettbewerber. Dazu wird auch der neue A3 seinen Beitrag leisten. Wir haben ihn zwar schon 2012 eingeführt, aber erst jetzt ist er auf allen Märkten angekommen.2013 haben Sie zwar mehr Autos verkauft, aber Ihr Gewinn ist gesunken.Analysten gehen beim Ergebnis auch 2014 von Rückgängen aus. Teilen Sie deren Einschätzung?
Schauen wir nochmal auf die Fakten. Mit unserer operativen Umsatzrendite von 10,1 Prozent kann keiner unserer direkten Wettbewerber mithalten. Wir werden jetzt nicht übermütig, sondern wollen 2014 unseren strategischen Korridor von acht bis zehn Prozent bestätigen.Ihr Vorteil ist, dass Sie auf die Baukästen Ihrer VW-Mutter zurückgreifen können. Führen diese Synergieeffekte Sie langfristig an die Spitze?
Das ist ja keine Einbahnstraße. Volkswagen greift auch auf Audi-Entwicklungen und unsere Baukästen zu. Das ist gut so, das stärkt beide Marken und den ganzen Konzern. Die Rechnung ist doch ganz einfach. Baukästen machen die steigende Komplexität beherrschbar, bei Modellen, Technologien, Antrieben, aber auch in Fabriken und in übergeordneten Unternehmensabläufen. Die Anzahl und die Variabilität der Derivate, die auf dem Modularen Querbaukasten möglich sind, wird keiner unserer Kernwettbewerber in dieser Breite erzeugen können.Und beim von Audi entwickelten Längsbaukasten?
Da gilt das Gleiche. Er macht uns flexibel. Egal ob wir einen klassischen Verbrenner haben oder einen e-tron. Vom A4 bis zum A8 sind wir dank des Längsbaukastens auf alle Antriebe vorbereitet und können schnell reagieren. Auf dieser Basis wird der Q7 e-tron kommen und wir starten unsere e-tron-Offensive in der Oberklasse. Dadurch garantieren wir, dass wir auch in Zukunft das Steuer in der Hand haben.Ist es eigentlich das Wichtigste, beim Absatz Erster zu sein? Zählt für eine Premiummarke nicht mehr die Profitabilität, die Kundenzufriedenheit, die Qualität?
Wie beim Quartett gibt es mehrere Größen. Der Absatz ist eine davon, ohne Zweifel. Sich alleine darauf zu konzentrieren, das wäre für eine Marke wie Audi aber zu einfach. Wir gehen einen Schritt weiter und setzen auf grenzenlose Kundenbegeisterung, Top-Zufriedenheit und Top-Produktqualität. Wachstum ja, aber nicht um jeden Preis.Sie werden also Ende 2020 nicht auf die Idee kommen, ein bisschen mehr Volumen in den Markt zu schieben, um das Ziel zu erreichen, der Größte zu sein?
Nein, nicht mit mir. Wenn jemand anfängt, Marktanteile zu kaufen, wird er mittel- und langfristig verlieren.Stimmt es, dass Ihr neuer Entwicklungsvorstand Ulrich Hackenberg die Modelle A4 und Q7 verschoben hat?
Es stimmt, dass Ulrich Hackenberg einer der besten Entwickler weltweit ist.Wurden diese Modelle nach hinten verschoben?
Unsere Modelle sind im Zielkorridor. Es ist kein Naturgesetz, dass nach so und so viel Jahren ein Nachfolger kommt. Von uns gibt es dazu keine Ansage. Unsere Modelle bleiben bis zum Ende aktuell und wir halten sie technologisch auf dem neuesten Stand.Vor einem Jahr sagte Ihr damaliger Entwicklungschef Wolfgang Dürheimer, der Elektrosportler R8 e-tron rechne sich nicht. Rechnet er sich jetzt doch?
Beim R8 e-tron waren wir mit der Reichweite unzufrieden. Wir haben immer gesagt, dass ein rein batteriebetriebenes Auto mindestens 240 Kilometer weit kommen muss. Und dann aus reinen Imagegründen ein Elektroauto auf den Markt zu bringen, das die Strecke von Ingolstadt nach Neckarsulm nur mit viel Glück schafft, das entspricht nicht unseren Vorstellungen. Unsere Zielvorgabe lautet jetzt mindestens 450 Kilometer. Als Technologieträger hat der R8 e-tron aber noch eine andere wichtige Rolle. Vieles, was wir in diesem Auto testen, wird in Zukunft in unseren Modellen zum Einsatz kommen.Tesla ist jetzt schon erfolgreich mit dem Model S und 500 Kilometern Reichweite.
Da vergleichen Sie Äpfel mit Birnen. Tesla verfolgt einen ganz anderen Ansatz. Schauen Sie sich das Geschäftsmodell einmal genau an. Von Audi wird ein Vollfunktionsauto erwartet. Wir müssen alltagstauglich sein und ausreichend Reichweite besitzen. Das hat schon rein psychologische Gründe. Kein Mensch will liegenbleiben, schon gar nicht mit einem Elektroauto. Hier haben wir mit unserem Audi A3 e-tron die perfekte Lösung gefunden. In der Stadt und auf kurzen Strecken nutzen Sie den Elektromotor. Wenn Sie von Ingolstadt nach Flensburg möchten, dann brauchen Sie keine Stopps, um die Batterie zu laden, sondern fahren wie gewohnt mit dem Verbrennungsmotor. Diese Kombination aus emissionsfreien Fahren und großer Reichweite ist ein Beispiel, wie wir Vorsprung durch Technik interpretieren.Sie haben angekündigt, 2014 erstmals mehr Autos im Ausland als im Inland zu bauen. Ein Trend, der sich verstärken wird?
Ja. Wir haben für die beiden deutschen Werke eine technische Kapazität von rund 900.000 Autos pro Jahr veranschlagt. Dieses Niveau wollen wir halten. Das größere Wachstum wird vor allem in Asien und den USA stattfinden. Aber ich sehe auch für Europa Chancen.Industriepolitik scheint in Europa gerade nicht groß geschrieben zu werden, wie die aktuelle CO2-Debatte zeigt.
Die Automobilindustrie stellt sich der Herausforderung, den Grenzwert von 95 Gramm CO2 zu erreichen. Am runden Tisch schaffen Sie das nicht. Wir haben die Zielvorgabe im Griff. Unsere ultra-Modelle als CO2-Speerspitzen zeigen, dass wir das Thema ernst nehmen. Aber wir gehen den ganzen Weg. CO2-neutrale Mobilität ist für uns genauso wichtig wie eine klimafreundliche Produktion. In Ingolstadt produzieren wir schon zu 70 Prozent CO2-neutral.Bis zu welchem Segment müssen Sie elektrifizieren, um die 95 Gramm zu erreichen?
Sie lösen diese Aufgabe nicht, indem Sie lediglich ein batteriebetriebenes Auto mit 50.000 oder 100.000 Einheiten im Portfolio haben. Das ist wie bei einem Puzzle. Viele Einzelteile ergeben am Ende das große Ganze.Zum Schluss noch ein Blick auf den FC Bayern. Glauben Sie, dass Uli Hoeneß nach seiner Gefängnisstrafe wieder eine wichtige Rolle in dem Verein spielen kann?
Herr Hoeneß wird dem FC Bayern immer nahe sein, unabhängig davon, wie es für ihn persönlich in den kommenden Monaten und Jahren weitergeht. Wir brauchen heute nicht darüber zu spekulieren, was übermorgen stattfindet. Der Aufsichtsrat hat sich in dieser turbulenten Zeit ruhig und besonnen verhalten.Für diese Ruhe sind Sie als einer der Anteilseigner heftig kritisiert worden.
Wir mussten verschiedene Aspekte gegeneinander abwägen und ich glaube, wir sind mit der Situation angemessen umgegangen.