„Europa ist beim Produktportfolio kritisch“, räumte im Gespräch mit der Automobilwoche ein Nissan-Insider ein. Zwar habe Nissan speziell auf Europa abgestimmte Modelle entwickelt wie den unverwüstlichen Qashqai, den Micra und auch das Kompaktmodell Pulsar. Doch der 2017 eingeführte neue Micra – um Längen besser als sein knubbeliger Vorgänger – wurde preislich zu hoch positioniert. Viele Kunden winkten ab.
Beim Pulsar – dem seit 2014 endlich wieder verfügbaren Modell von Nissan in der Golf-Klasse – griffen die Manager noch stärker daneben. Der laut Fahrtests sehr ordentliche Kompakte wurde praktisch unsichtbar in den Markt eingeführt. Zum Launch wurden dem Vernehmen nach europaweit nur drei Millionen Euro zur Verfügung gestellt.
„Das Kürzen von Marketingbudgets ist ein sicheres Rezept für Misserfolg“, sagt der Konzernkenner. Zehn Millionen wären seiner Ansicht nach für ein Fahrzeug in diesem Segment angemessen gewesen.
Der Pulsar wurde im Februar ebenso wie der kaum bekannte Van Evalia klammheimlich aus dem Portfolio geworfen.Kosten gespart, Kunden verloren. Keine überzeugende Strategie.Die wirklich wichtigen Modelle der Marke, an erster Stelle der Dauerbrenner Qashqai und der erfolgreiche Juke, erhielten im Wesentlichen nur umfangreiche Auffrischungen. Zudem wurde der neue X-Trail trotz seiner sieben Sitze zu nahe am neuen Qashqai positioniert.
„Man hat sich zu lange auf denErfolgen der Vergangenheit ausgeruht“, fasst der Insider die Entwicklung zusammen.
Autoexperte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management teilt diese Einschätzung: „Der Qashqai war jahrelang die erfolgreiche Cashcow von Nissan in Europa. Damit hat Nissan den Crossover-Markt aufgerollt. Aber inzwischen haben die Wettbewerber aufgeholt – und Nissan häufig auch überholt.“Das Scheitern des Pulsar ist für Bratzel keine Überraschung: „Man muss sich vor dem Launch eines neuen Modells überlegen: ‚Wo bin ich besser, was sind meine starken Seiten?‘ Der Pulsar blieb hier blass.“
Zudem habe Nissan völlig unnötig seinen Vorsprung bei der E-Mobilität aufs Spiel gesetzt – durch Untätigkeit. „Nissan hatte mit dem Leaf einen relevanten Wettbewerbsvorteil, der jetzt gefährdet ist. Es hat einfach zu lange gedauert mit der zweiten Generation.“Bratzel sieht bei den Japanern aber auch ein Imageproblem: „Eine Marke braucht charismatische Persönlichkeiten, die die Marke nach außen vertretenund für Vertrauen in die Marke stehen. Bei Nissan kennt man keinen einzigen Menschen.Deshalb wirkt die Marke in der Außenwahrnehmung sehrtechnisch und wenig emotional.“
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