München. Soft-maskuline Typen wie den vollbärtigen Hipster, der für Mobile. de barfüßig von Auto zu Auto springt, trifft man heute an jeder Straßenecke. Dem wirklichen Leben entsprungen scheint auch der Vater im Toyota Verso-Spot: absolut durchschnittlich, aber in den Augen der Kinder ein Held, der etwa in Superman-Manier spielerisch riesige Mengen Reisegepäck im Kofferraum verstaut. Doch Mann-Sein insgesamt ist kompliziert und facettenreich geworden. Konnte „Mann“ sich früher in seiner Rolle als Oberhaupt der Familie ausruhen, muss er heute ein Alleskönner sein, analysieren die Marktforscher. Er soll nicht mehr nur im Job erfolgreich sein, sondern gleichzeitig hingebungsvoller Vater und Ehemann und auch noch Zeit für Hobbys und Muße haben. Dieses Ideal greift etwa Mercedes in seiner Kampagne für die V-Klasse auf. Während die Sprecher über das Ende der Freiheit orakeln, wenn man Kinder hat, zeigen die Filmsequenzen das Gegenteil: Sport, Sex und Spaß. Matthias Schmidt, Kreativgeschäftsführer der Volkswagen- Agentur DDB Berlin, pflegt eine andere Herangehensweise: „Volkswagen hat den Anspruch, im echten Leben stattzufinden. Wir zeigen authentische Typen, in denen sich der Mann auf der Straße wiedererkennt. Diese Typen dürfen auch mal Bauch oder Glatze haben oder sind von ihren Kindern genervt.“ Der typische Volkswagen- Mann tritt beispielsweise im aktuellen E-Golf-Spot auf, in dem der Hersteller den Abschied von der Benzin-Ära inszeniert. Ein unscheinbarer Mann mit Halbglatze streift durch die vertraute Tankstelle, gibt der Zapfsäule einen zärtlichen Klaps, betastet wehmütig selbst die banalsten Artikel im Shop und fällt am Ende dem verblüfften Tankwart zu „Goodbye, my love, goodbye“ schluchzend in die Arme. Was für ein Unterschied zur Coolness der 80er-Jahre! Dass normale Männer keine Modelmaße haben, zeigt auch ein Werbe lm für den Golf GTD: Der Wagen beschleunigt so stark, dass er zur Verblüffung von Fahrer und Beifahrer für drei Sekunden ihren Bauch reindrückt. „Volkswagen ist als demokratische Marke sehr aufgeschlossen für neue, lebensnahe Themen“, erklärt Schmidt. Selbst der gehörnte Gatte und untergeschobene Kuckuckskinder sind nicht mehr tabu, wie der Spot „Pedro – Sign Assist“ belegt, in dem ein sanftmütiger Ehemann alle offensichtlichen Zeichen für die außereheliche Affäre ignoriert. Auch wenn ihre Zeit vorbei ist, als Persiflage taugen die alten Machos noch. Ein Beispiel ist Tatort- Pathologe Jan Josef Liefers, der in der Hybrid-Offensive von Toyota den klassischen „Vollgas-linke- Spur“-Snob verkörpert und als Stichwortgeber für seinen umweltbewussten Counterpart Axel Prahl fungiert. „Das Tatort-Duo passt für unsere Kampagne perfekt, denn mit Stereotypen wie der Figur von Liefers kann man wunderbar spielen“, erklärt Alexander Reiss, Executive Creative Director bei Saatchi & Saatchi Düsseldorf, der mit seinem Team unter anderem auch Toyota betreut. „Prahl hingegen ist der Prototyp des Toyota- Fahrers: bodenständig, unaufgeregt, normal.“ Die werbliche Glaubwürdigkeit kommt an: Der Hybrid-Anteil am Toyota-Motorenmix ist, so Reiss, seit Kampagnenstart vor zwei Jahren von 18 auf 28 Prozent geklettert.
Autowerbung
Alltagshelden mit Bauch und Glatze
Als Männer noch Chauvis sein durften, gaben sie mit ihren Autos an und schwärmten von PS, Zylindern und Kurven. Heute wäre ein Werbefilm, der so unverhohlen archaische Männerfantasien bedient, nur noch eine Lachnummer. Zu sehr hat sich im Windschatten der Emanzipation das männliche Leitbild in der Gesellschaft gewandelt. Zappt man durch die Fernsehkanäle, ist ein anderes Männerbild zu sehen: Statt Testosteron-getrieben, ehrgeizig und leistungsorientiert präsentiert die Autoindustrie ihre männlichen Werbehelden als nahbar, humorvoll und fürsorglich – und erzählt damit viel über das gängige Männerbild.