Die Nationale Plattform Zukunft der Mobilität (NPM) ist seit September 2018 das zentrale Beratungsorgan der Bundesregierung zum Verkehr der Zukunft. Sie besteht aus 240 Mitgliedern, darunter zahlreiche Industrie-Vertreter. Der Vorsitzende des Lenkungskreises, der ehemalige SAP-Chef Henning Kagermann, zieht im Gespräch mit der Automobilwoche eine Zwischenbilanz.
Herr Kagermann, welches Szenario für das Hochlaufen der E-Mobilität ist am wahrscheinlichsten?
Ich halte es für realistisch, dass wir bis 2030 in Deutschland auf neun bis zehn Millionen E-Fahrzeuge kommen. Voraussetzung dafür ist auch eine leistungsfähige Ladeinfrastruktur, aber da sehe ich uns auf einem guten Weg.
Andere Branchenexperten sagen, schon sechs Millionen Einheiten bis 2030 seien herausfordernd.
Die Automobilhersteller und die Zulieferer haben den Schalter umgelegt. Es wird nun in relativ kurzer Zeit ein erhebliches Volumen an E-Fahrzeugen auf den Markt kommen. Auch die Vielfalt des Angebots wächst, und zwar nicht nur im Premiumsektor. Zudem ist die Akzeptanz in der Bevölkerung spürbar gewachsen.
Eine Leitindustrie für Elektroautos scheint in Deutschland noch möglich, aber sehen Sie auch einenLeitmarkt in Deutschland entstehen?
Die Voraussetzungen auf regulatorischer Seite und aufseiten der Bundesregierung sind dafür geschaffen. Jetzt müssen diese Beschlüsse auch umgesetzt werden – bis hin zur kommunalen Ebene. Dabei müssen alle Beteiligten noch ein großes Rad drehen.
Wie sieht die technologische Roadmap für die E-Mobilität aus Sicht der NPM aus?
Damit beschäftigt sich unsere -Arbeitsgruppe 2 für alternative Antriebe und Kraftstoffe. Vermutlich im März werden wir dazu einen Realitätscheck vorlegen. Konsens ist, dass wir beim Volumen in einem Korridor zwischen sieben und zehn Millionen E-Fahrzeugen bis 2030 landen werden. Diskussionsbedarf besteht noch bei der Frage, welchen Anteil dabei rein batterieelektrische Lösungen, Plug-in-Hybride, Wasserstoff-Fahrzeuge und auch alternative Kraftstoffe haben werden. Einig sind wir uns darin, dass es noch auf absehbare Zeit Plug-in-Hybride geben wird und dass auch das Thema Wasserstoff Relevanz bekommen wird, zumindest in der Logistik.
Das Thema E-Fuels scheint aber in den Hintergrund gerückt zu sein.
Das mag in der öffentlichen Wahrnehmung so sein, technisch aber bieten E-Fuels noch erhebliches Potenzial für nachhaltige Mobilität. Das gilt nicht zuletzt für schwere Lkw, sofern sie mit „grünem“ Erdgas betankt werden. Auch im Pkw-Bereich sind interessante Entwicklungen denkbar, etwa wenn ein Plug-in-Hybrid „grünen“ Kraftstoff tankt. Das wäre dann ohne Einschränkung ein Zero-Emission-Fahrzeug.
Kommt der Ausbau der Ladeinfrastruktur aus Ihrer Sicht schnell genug voran?
Das Angebot ist derzeit mit rund 24.000 Ladepunkten zufriedenstellend. Beim Hochlaufen der E-Mobilität muss diese Zahl aber noch erheblich steigen – die Bundesregierung peilt bis 2030 eine Million Ladepunkte an. Um das zu erreichen, muss der Aufbau beschleunigt werden.
Muss noch gefördert werden oder kann die Förderung wie in Norwegen schon wieder zurückgefahren werden?
Gezielte Anreize für die Endkunden sind in Deutschland noch unverzichtbar. Es ist gut, dass die Aufstockung der Förderung beschlossen wurde – jetzt aber muss dies auch umgesetzt werden.
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