Aftermarket als Achillesferse der Autobauer

Köln. Autofahren in Russland macht nicht immer Spaß – und daran sind nicht allein die rauen Sitten im Straßenverkehr oder der schlechte Zustand der Straßen schuld. Russische Onlineforen sind voll mit Beschwerden von Kunden, deren Autos stillstehen, weil es mit der Lieferung der erforderlichen Fahrzeugteile hakt.

Nicht nur in Russland brauchen Fahrzeugbesitzer Geduld und starke Nerven, wenn sie Auto­ersatzteile benötigen, auch in vielen anderen Ländern läuft die Logistik für Fahrzeugteile alles andere als rund, sagt Oleg Stark. Der gebürtige Russe lebt seit 15 Jahren in Deutschland und war bis 2010 einer der drei Geschäftsführer von Avango, einem Logistik- und Handelsunternehmen mit sieben Standorten weltweit.

Sogar innerhalb der EU vergingen zwischen Bestellung und Lieferung von Originalteilen oft mehrere Arbeitstage – obwohl die Teile in ­diversen Logistikzentren vorrätig seien. Doch viele Autohersteller behandelten die Versorgung mit Originalersatzteilen außerhalb ihres Heimatmarkts eher stiefmütterlich, so Starks Erfahrung.

Leidtragende seien neben den Kunden die Vertragswerkstätten, bei denen sich die Autofahrer beschweren. Daher bestelle mancher Händler ein Ersatzteil gleich zweimal – beim Hersteller und bei einem unabhängigen Anbieter. Das überzählige Ersatzteil biete man später in einer Teilebörse an.

Die Autokonzerne, so Starks Erfahrung, unternähmen wenig, um die Teilelogistik zu verbessern. "Ihr Geschäft ist eher auf den Verkauf von Neuwagen ausgerichtet." Der Ersatzteilmarkt sei in vielen Ländern "die Achillesferse der Hersteller". Selbst auf dem Boom-Markt China fehle es an funktionsfähiger Teilelogistik und dem erforderlichen Know-how in den Werkstätten.

In Russland organisierten bereits in den 1990er-Jahren unabhängige Anbieter die Ersatzteilversorgung, berichtet Stark. Sie bauten informationstechnische Infrastrukturen für den Ersatzteilhandel auf, organisierten internationale Lieferketten, orderten Originalteile im Ausland, sorgten für die kurzfristige Lieferung – und nutzten dabei deutlich früher als in den Heimatmärkten der Hersteller Onlineshops.

Diese Arbeitsteilung im Aftermarket habe sich in der Praxis bewährt, sei aber von den Autobauern konsequent unterbunden worden: „Hier wurde wertvolles Know-how zerstört“, kritisiert Stark. Das Kalkül der Hersteller, durch die Bekämpfung paralleler Strukturen die Kunden an sich zu binden, sei aber nicht aufgegangen. Vielmehr habe man damit vor allem illegale Beschaffungsmethoden gefördert.