Herr Bauernhansl, wer ist besser, Mensch oder Roboter?
Es gibt sehr viele Arbeiten, die der Mensch noch lange viel besser ausführen kann als der Roboter. Nehmen Sie einmal die Finger mit ihrer Sensorik, die Oberflächen sehr exakt überprüfen können oder hinter einem Armaturenbrett ein Kabel einführen und mit einem Stecker verbinden. Das ist für einen Roboter nur sehr schwer zu schaffen.
Und wo hat der Roboter Vorteile?
Roboter kommen überall da zum Einsatz, wo standardisierte und gut beschreibbare Aufgaben erledigt werden müssen, die sich idealerweise wiederholen. Zudem muss die Sicherheit gewährleistet sein. Stellen Sie sich vor, ein Roboter hantiert mit einem scharfen Blech und verliert es, während jemand in der Nähe arbeitet.
Aber Menschen und Roboter arbeiten doch schon Hand in Hand?
Das wird heute gemacht, um den Menschen zu entlasten, beispielsweise, wenn er eine schwere Stoßstange hält, bis diese angeschraubt wird. Doch die Möglichkeiten sind begrenzt. Wenn der Roboter bei jeder potentiellen Gefährdung eines Menschen sein Arbeitstempo verringern muss, verzögert das ja auch den Produktionsprozess.
Wird es in Zukunft mehr oder weniger Roboter geben?
Bestimmte Bereiche der Automobilindustrie, wie etwa der Karosseriebau oder die Lackiererei, sind nahezu voll automatisiert. In der Endmontage sieht dies anders aus. Dort sind nur etwa zehn bis 15 Prozent der Arbeitsschritte automatisiert. Viel mehr ist in vielen Fällen kaum möglich, der Trend dürfte in den kommenden Jahren sogar in die andere Richtung gehen.
Woran liegt das?
Eine starre Automatisierung ist nur bei hohen Stückzahlen und möglichst wenig Abweichung wirtschaftlich sinnvoll. Die Produktion heute muss aber immer flexibler werden. Die Autobauer bauen mehr Modelle und Varianten, dazu kommen unterschiedliche Antriebsarten. Idealerweise kann ich heute auf einer Linie alle Modelle und Varianten produzieren. Hinzu kommt: Wenn ein Markt plötzlich wegbricht, muss ich reagieren und die Kapazitäten für bestimmte Modelle anpassen können. Es geht also um eine horizontale und eine vertikale Flexibilität.
Wie kam diese Entwicklung?
Vor der ersten industriellen Revolution gab es Handwerker, die beispielsweise ein paar Schuhe speziell für einen Kunden gefertigt haben. Mit der industriellen Revolution gelang die Standardisierung somit auch Automatisierung der Produktion. Damit gingen die Stückzahlen nach oben und die Kosten nach unten. Die Massenfertigung führte dazu, dass sich alle beispielsweise einen Fernseher, einen Kühlschrank oder eben einen VW Käfer leisten konnten. Die Auswahl war nicht so wichtig.
Das hat sich geändert?
Ja, als die Bedürfnisse befriedigt waren und der Computer Einzug hielt, war es möglich zu differenzieren und Varianten herzustellen. Die Leute wollten einen anderen Kühlschrank als der Nachbar. Damit gehen die Stückzahlen pro Variante wieder zurück und die Individualisierung der Produkte nimmt zu. Weil dies alles mehr und mehr mittels Software funktioniert, lässt sich dies vergleichsweise günstig und in hoher Qualität herstellen. Wer heute ein Auto bestellt, hat Tausende von Möglichkeiten, es zu individualisieren.
Welchen Einfluss hat dies auf die Fabriken?
Es wird in Zukunft zwei Typen von Fabriken geben. In der einen werden hohe Stückzahlen für möglichst die ganze Welt produziert, da laufen dann Modelle wie der der Golf vom Band. In der anderen geht es um eine möglichst hohe Flexibilität und um marktnahe also lokale Produktion. Dort wird der Automatisierungsgrad eher geringer werden.
Das heißt, ein Bandarbeiter muss sich also keine Sorgen um seinen Arbeitsplatz machen?
Überall dort, wo es um stark standardisierte Prozesse geht und keine komplexen Fertigkeiten gebraucht werden, schon. Aber Robotik umfasst ja mehr als die automatisierte Produktion. Ich würde mir eher Gedanken machen im Einkauf, in der Planung oder im Vertrieb. Da läuft in Zukunft vieles über IoT-Plattformen. Wozu das führt, kann man ja bei Banken oder Versicherungen beobachten, da gibt es deutlich weniger Filialen, in denen noch Menschen arbeiten. Ikea ist eigentlich nur noch eine Lagerhalle, in der der Kunde die meisten Arbeitsschritte selbst durchführt.
Wie verwandelt sich dadurch die Autoindustrie?
Die Autoindustrie befindet sich in einer Art Vorwärtsintegration. Die Hersteller werden mehr und mehr online oder selbst in neuen Erlebniswelten verkaufen, die Händler aus der Wertschöpfung zunehmend verdrängt. Arbeitsbereiche wie Design, Marketing, Systemintegration und Dienstleistungen rund um die Mobilität werden wichtiger, während die Produktion selbst zunehmend aus der eigenen Wertschöpfung herausgenommen wird. Auch der Kunde wird mehr eingebunden, indem er das Auto konfiguriert oder irgendwann sogar das Design selbst beeinflussen kann.
In der Produktion wird aber weiter der Mensch das Sagen haben?
In den nächsten Jahren sicher. In 20 bis 30 Jahren sieht die Welt ganz anders aus. Die Roboter designen und bauen dann selbst Roboter und können die Prozesse optimieren, weil sie selbstlernend sind. Dann nimmt die Dynamik deutlich zu. Ich bin überzeugt, dass Roboter in der ferneren Zukunft die komplette Wertschöpfung übernehmen und es kaum noch Menschen in den Fabriken gibt.
Wie wichtig ist es denn, dass Roboter in Deutschland gebaut werden?
Natürlich wandert die Produktion dahin, wo die großen Märkte sind, also etwa nach China. Aber wir müssen uns überlegen, was die Schlüsseltechnologien für Deutschland sind und wie wir sie halten können. Viele sind schon abgewandert, wie etwa die Mikroelektronik oder die Fotovoltaik. Sinnvoll verhindern lässt sich dies nur, wenn wir gut organisierte Cluster bilden, wie etwa in der Region Stuttgart für die Automobilindustrie. Wenn sich Forschungseinrichtungen, große Unternehmen und Mittelständler optimal ergänzen und von der Politik unterstützt werden, wird es schwer für andere, dagegen anzukommen.