Der schwedische Akku-Hersteller ist insolvent. VW wird seine Beteiligung wohl abschreiben müssen. Doch wo kriegen Audi, VW und Porsche jetzt Batterien her?
Der schwedische Batteriezellhersteller Northvolt strauchelt. VW ist größter Anteilseigner und hat 1,4 Milliarden Euro investiert.
Mit einem Anteil von über 20 Prozent ist Volkswagen größter Northvolt-Investor. 2019 steckten die Niedersachsen 900 Millionen Euro in den schwedischen Hersteller von Batteriezellen, erhielten im Gegenzug neben einem Fünftel der Anteile auch einen Sitz im Aufsichtsrat.
Zwei Jahre später legte VW noch einmal nach, investierte weitere rund 500 Millionen Euro in Northvolt, um im Rahmen einer neuerlichen Finanzierungsrunde von insgesamt 2,75 Milliarden US-Dollar seinen Anteil konstant zu halten.
Viel dürfte von den insgesamt 1,4 Milliarden Euro inzwischen nicht mehr übrig sein. Im Geschäftsbericht 2022 wurde die Beteiligung immerhin mit 900 Millionen Euro gelistet, 2023 waren es nur noch 693 Millionen Euro. Im jüngsten Geschäftsbericht für 2024, der im März veröffentlicht wird, könnte dort eine Null stehen.
Im November vergangenen Jahres hatte Northvolt einen Insolvenzantrag nach US-Recht (Chapter 11 Bancruptcy) gestellt. Kurz darauf hieß es in Branchenkreisen bereits, Volkswagen habe die Bewertung seines Anteils deutlich reduziert.
Konkrete Zahlen nennt VW vor Veröffentlichung des Geschäftsberichts nicht, ein VW-Sprecher wies darauf hin, dass man fortlaufend Korrekturen vornehme, wenn es erforderlich sei.
Dass Volkswagen weiterhin zu Northvolt steht, erscheint unwahrscheinlich. Zumal auch der zweite Großaktionär Goldmann Sachs sein Investment – knapp 20 Prozent – in Höhe von 900 Millionen Dollar komplett abschreiben musste; genauso wie Blackrock.
Wenige Monate vor der Insolvenz gab sich Goldman Sachs noch zuversichtlich und sprach davon, dass die Northvolt-Investition mehr als das vierfache des Einkaufspreise wert sei; in den kommenden Jahren gar auf das sechsfache steigen würde.
Erst vor wenigen Tagen gaben auch die schwedischen Pensionsfonds AP bekannt, ihre Beteiligung an Northvolt komplett abzuschreiben – umgerechnet 515 Millionen Euro.
Jüngst sickerte zudem die Nachricht durch, dass auch die kanadische Investment Management Corp. of Ontario (IMCO) ihr 400-Millionen-US-Dollar-Investment ebenfalls komplett auf Null gesetzt haben soll. Auch der dänische Pensionsfonds ATP muss wohl die Bewertung seiner fünfprozentigen Beteiligung korrigieren.
Spätestens im Sommer 2024 deutete sich an, dass das 2017 von Ex-Tesla-Mangern gegründete Unternehmen in Schwierigkeiten steckt. Berichte über Qualitätsprobleme in der schwedischen Mutterfabrik in Skellefteå häuften sich, Kunden reklamierten die gelieferten Akkus, BMW stornierte einen milliardenschweren Großauftrag. Die geplanten Produktionsziele wurden verfehlt, 1600 der zwischenzeitlich bis zu 7000 Mitarbeiter mussten gehen.
Der damalige Northvolt-Chef Peter Carlsson gab im November zu, dass die Expansionspläne des Unternehmens zu aggressiv gewesen seien. Wenige Tage später räumte Carlsson seinen Stuhl und das Unternehmen stellte den Insolvenzantrag.
Northvolt wolle die Gelegenheit nutzen, seine Schulden umstrukturieren, das Geschäft auf Basis der aktuellen Kundenbedürfnisse anpassen und eine Wachstumsperspektive schaffen, hieß es damals in einer Mitteilung.
Northvolt-Chef Peter Carlsson ist im November zurückgetreten.
Wie diese Perspektive aussehen könnte? Unklar. Genauso wie die Zukunft des Werkes in Schleswig-Holstein nahe Heide, gut anderthalb Autostunden nordwestlich von Hamburg. Hier bauen die Schweden gerade eine Gigafabrik mit einer Jahreskapazität von 60 Gigawattstunden, 3000 Arbeitsplätze sollen direkt entstehen.
Vor knapp einem Jahr setzten Bundeskanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther den ersten Spatenstich, 2026 sollten die ersten Batterien produziert werden, inzwischen ist von "der zweiten Jahreshälfte 2027" die Rede.
Eine Northvolt-Sprecherin betont, der deutsche Standort sei vom Insolvenzverfahren nicht betroffen, "der Bau der Northvolt Batteriezellfabrik bei Heide läuft weiter". Viel zu sehen ist auf der Baustelle in den Gemeinden Lohe-Rickelshof und Norderwöhrden allerdings noch nicht.
Und es droht neues Ungemach: Aktuell steht der Vorwurf im Raum, Gemeindevertreter seien bei der Abstimmung über die Baugenehmigung Anfang 2024 befangen gewesen, die Genehmigung sei daher rechtswidrig.
In der Nähe von Heide in Schleswig-Holstein will Northvolt eine Gigafabrik bauen.
Bundeswirtschaftsminister Habeck wiederum sprach im Rahmen einer Wahlkampfveranstaltung dagegen jüngst von technischen Problemen bei der schwedischen Mutter und davon, dass es Interessenten gäbe, "das Ding zu übernehmen". Ob es sich dabei um ein Investment in Northvolt handelt oder eine Übernahme der in Bau befindlichen Fabrik, bleibt offen.
Northvolt selbst erklärt: "Das Unternehmen befindet sich in konstruktiven Gesprächen und Due-Diligence-Prüfungen sowohl mit möglichen strategischen Partnern als auch Finanzinvestoren. Wir sind weiterhin zuversichtlich, dass eine erfolgreiche Restrukturierung gelingt und das Unternehmen gestärkt daraus hervorgehen kann."
Auch in Heide zeigt man sich zuversichtlich, dass das Projekt umgesetzt wird. "Wir haben keine anderen Nachrichten aus Schweden", erklärte ein Sprecher gegenüber Automobilwoche.
Außerdem sei Northvolt nur ein Puzzlestück einer groß angelegten Entwicklungs-Offensive für die Region, in der es vor allem eins im Überfluss gibt: regenerativ erzeugte Energie. Die bei windigem Wetter teils hohen Strom-Überschüsse, die aufgrund fehlender Nord-Süd-Trassen nicht abtransportiert werden können, sollen zukünftig vor Ort genutzt werden. Welche Unternehmen das Puzzle vervollständigen könnten, ist derzeit allerdings noch nicht bekannt.
Der Bundeswirtschaftsminister gibt sich indes zurückhaltend: "Ob das dann wirklich dazu führt, dass am Ende alles steht, das kann ich heute nicht sagen," ergänzte er.
Fakt ist: Der Bund hat ein großes Interesse daran, dass die Batteriefabrik an den Start geht, schließlich hat sie über einen KfW-Kredit bereits 600 Millionen Euro investiert; Bund und Land Schleswig-Holstein bürgen je zur Hälfte, und müssen aufgrund des Insolvenzverfahrens diese Summe plus 20 Millionen Euro Zinsen der KfW zunächst erstatten.
Habeck musste sich dafür bereits im Dezember vor dem Haushaltsausschuss verantworten; zeigte sich damals aber noch zuversichtlich, dass Northvolt das Geld zurückzahlen werde. Weitere 700 Millionen Euro an zugesagter Förderung wurden bislang noch nicht abgerufen.
Ein als geheim eingestuftes Gutachten der Beratungsgesellschaft PwC, aus dem der NDR zitiert, macht wenig Hoffnung, dass der Staat sein Geld von Northvolt zurückbekommt. Die Probleme scheinen hausgemacht: Den Insider-Berichten zufolge sei Northvolt, als die Förderentscheidung getroffen wurde, weit von einer Serienproduktion von Batterien entfernt gewesen. Anfang 2023 habe man nur "seriennahe Prototypen" an die Kunden ausgeliefert.
Den Volkswagen-Konzern trifft die Northvolt-Krise in mehrfacher Hinsicht. Zum einen als Investor, zum anderen als Kunde. Bislang kommen Northvolt-Akkus in Nutzfahrzeugen von Scania zum Einsatz. Dort will man an der Partnerschaft festhalten, schaut sich aber bereits nach Alternativen um.
Auch Audi soll angeblich mit Batterien aus Schweden geplant haben, unter anderem für den in den kommenden Wochen zum Händler rollenden A6 e-tron. Bestätigt wird dies in Ingolstadt nicht, über Zulieferer werde nicht gesprochen, heißt es.
Für die Kundinnen und Kunden gebe es aktuell aber keine Beeinträchtigungen, erklärt eine Audi-Sprecherin. Man setze auf ein vorausschauendes Lieferantenmanagement, sei im ständigen Austausch mit den Partnern und steuere aktiv das Lieferantennetzwerk.
Audi A6 Avant e-tron: Das Modell sollte angeblich mit Batterien von Northvolt ausgestattet werden.
Ähnlich diskret verhält man sich bei Porsche, wo die Lage jedoch noch etwas undurchsichtiger ist: Dem Vernehmen nach war Northvolt als alleiniger Akkulieferant für den geplanten Elektro-Sportwagen 718 vorgesehen.
Im März 2022 bestätigte auch der damals nur für den Sportwagenbauer zuständige Chef Oliver Blume: "Wir werden beim 718 die Batteriezellen von Northvolt beziehen". Noch soll Porsche an diesen Plänen festhalten, heißt es aus Insiderkreisen. Allerdings dürfte man in Zuffenhausen mit Hochdruck an einem Plan B arbeiten. Ursprünglich sollten 718 Cayman und Boxster noch 2025 als Stromer auf den Markt kommen, dieser Plan könnte sich jedoch verzögern.
Für die Kernmarken VW Pkw und VW Nutzfahrzeuge ist ein möglicher Ausfall von Northvolt als Lieferant kein Problem, aus Wolfsburg und Hannover haben die Schweden keine Bestellungen erhalten.
Hier setzt man zukünftig auf Zellen des hauseigenen Fertigers PowerCo. Der ist gerade dabei, das ursprünglich gemeinsam mit Northvolt geplante Werk in Salzgitter (bis zu 40 GWh/a) in Eigenregie zum Laufen zu bringen. Ende 2025 soll die Serienproduktion starten, ab 2026 die ersten Autos damit auf den Markt kommen. Denkbar ist ein Debüt im Elektro-Polo, der Serienversion des ID.2all.
Weitere PowerCo-Gigafabriken sind in Valencia (bereits im Bau) und Kanada geplant. Wirklich in Konkurrenz tritt man vorerst mit Northvolt aber nicht. PowerCo fertig ausschließlich die VW-Einheitszelle, die in 80 Prozent der zukünftigen Konzernmodelle zum Einsatz kommen soll. Dass diese später irgendwann auch anderen Herstellern angeboten wird, ist allerdings nicht auszuschließen.
