Zu den vielen „Skandalen“ der jüngeren Vergangenheit, die sich im Nachhinein als aufgebauschte „Skandälchen“ ohne Substanz entpuppt haben, gehört der Sturmwind der Entrüstung über die Benzinsorte „E10“. Wir erinnern uns: Vor drei Jahren wurde die Mineralölindustrie durch eine Verordnung des EU gezwungen, die Nutzung von Biokraftstoff zu fördern und führte E10 ein, ein Benzin mit bis zu zehnprozentiger Beimischung des Bioalkohols Ethanol. Zuvor gab es nur E5. Das anschließende Medienecho war gewaltig und wirkt noch immer nach. Statt der erwarteten 80 Prozent greifen nur rund 15 Prozent der Autofahrer zu E10. Sie fürchten Schäden an ihren Fahrzeugen. Der Importeursverband VDIK, ein BMW-Techniker und nahezu alle Medien schürten diese Ängste nach Kräften und ließen die E10-Einführung zum Desaster werden. Die deutschen Autohersteller taten ein Übriges und erteilten älteren Fahrzeugen keine Freigabe, die Importeure rieten auch bei jüngeren Modellen von E10 ab.
Der Mühe eines echten Tests, wie denn der vermeintlich aggressive Kraftstoff auf ältere Motoren wirkt, unterzog sich zunächst niemand. Warum auch ein faires Urteil suchen, wenn sich das Vorurteil so gut verkaufen lässt. Aber halt: Ein Magazin wollte es dann doch genau wissen, die „Oldtimer Markt“ legte Motorenteile, Schläuche und Vergaser in verschiedene Kraftstoffsorten ein und verglich die Wirkung (Ausgabe 7/2014). Das überraschende Ergebnis: Auf Aluminiumgehäuse und Benzinschläuche wirkt E5 aggressiver als E10 – was Chemiker nicht erstaunt, ist doch die fünfprozentige Beimischung aus chemischer Sicht deutlich aggressiver. Das „Oldtimer Markt“ Magazin rät seinen Lesern deshalb, ihre alten Schätzchen konstant mit E10 zu betanken. Probleme könne es höchsten geben, wenn ständig zwischen den Kraftstoffsorten gewechselt werde.
Dass bei Werkstätten und Autoherstellern drei Jahre nach der Einführung von E10 kein Schadensfall durch den Biokraftstoff dokumentiert ist, wundert deshalb kaum noch. Auch dem AvD wurden von seinen Mitgliedern bisher keine Schäden gemeldet, die auf den Einsatz von E10 zurückzuführen sind. Alles andere wäre auch eine Überraschung, gibt es doch in den USA seit Jahren nur noch E10, ohne das dort reihenweise Einspritzsysteme, Benzintanks oder Leitungen korrodiert wären. Dort wird jetzt E15 eingeführt. Brüssel jedoch will die Beimischung von Biokraftstoff auf fünf Prozent begrenzen. Da E5 viel aggressiver ist als E10 wäre das doch ein Grund, sich aufzuregen, oder?