Steve Jobs ist tot. Das ist eine traurige Nachricht. Denn solche Visionäre gibt es nicht oft. Auch in der Autoindustrie nicht. Carl Benz war so einer. Robert Bosch und Henry Ford sicher auch. Was sie vereint? Jobs hat mal gesagt, er brauche keine Verbraucherbefragung, um zu erfahren, was die Kunden wollen: "Es ist nicht Aufgabe der Kunden zu wissen, was sie eigentlich brauchen. Das ist unsere Aufgabe.“ Starke Worte. Damit hat Steve Jobs Apple zu einem der wertvollsten Unternehmen der Welt geformt. Henry Ford hat ähnlich gedacht: "Hätten wir die Kunden nach ihren Wünschen gefragt, hätten sie gesagt: schnellere Pferde.“ Doch eigentlich wollten sie Autos. Sie wussten es nur noch nicht.
Wo ist heute der Steve Jobs der Automobilindustrie, der Henry Ford des 21. Jahrhunderts? Beinahe wöchentlich flattern mir Kundenbefragungen auf den Tisch, nicht selten im Auftrag von Zulieferern und Herstellern erstellt. Dort steht dann zum Beispiel, wie viele Menschen sich die Anschaffung eines Elektroautos vorstellen können. Oder wie viele sich gar nicht mehr fürs Auto interessieren. Ich kann diese Vorgehensweise nur zutiefst verachten. Wer keine Visionen hat, was die Kunden morgen von der Automobilindustrie erwarten, sondern sich auf Umfragen verlässt, der sollte nicht an der Spitze eines Unternehmens stehen, sondern vielleicht am Montageband. Obwohl heute ja auch schon dort ein hohes Maß an Eigenverantwortung und Kreativität gefragt ist.
Was kann die Autoindustrie von Steve Jobs lernen?
- Funktionalität und intuitive Bedienbarkeit: Wenn ich mir die mit Knöpfen überfrachteten, zerklüfteten Armaturenbretter vieler moderner Autos ansehe, kann ich nur den Kopf schütteln. Selbst Kompaktautos kommen oft mit mehr als 50 Schaltern daher. Das Apple iPhone braucht zur Bedienung einen einzigen Knopf!
- Design: Gutes Design ist klar, einfach und kommt ohne schrille Effekte aus. So wie das Braun-Design der 50er und 60er Jahre, das man bei Apple oft zitiert findet. Die Inflation an Karosserie-Falzen, glitzernden Tagfahrlichtern und aufgeklebten Chrom-Applikationen bei vielen Fahrzeugen ist einfach nur peinlich und geschmacklos. Wer solche Autos gestaltet ist kein Designer, sondern Dekorateur.
- Marke: Apple umgibt noch immer eine unvergleichliche Aura. Wer die Produkte mit dem Apfel nutzt, fühlt sich als Mitglied einer Elite. Obwohl iPhone und iPod mittlerweile Massenprodukte sind, konnte die Marke diese Aura bisher erhalten. Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass die Werbung für diese Produkte eher zurückhaltend ist. Solches Understatement täte auch manchem Autobauer gut.
- Charisma: Eine Bühne, ein Mann in Jeans und Rolli, ein Produkt. Mehr brauchte es nicht für die perfekte Steve-Jobs-Show. Keine donnernden Rhythmen, keine Light-Show-Gewitter, keine Pseudo-Prominenten. Wie sehne ich mich danach, auf einer Automesse so ein Auto präsentiert zu bekommen. Merke: Je schwächer das Produkt, desto schriller die Show.
Ich weiß nicht, ob es irgendwo da draußen einen neuen Steve Jobs gibt. Sollte es ihn in Deutschland geben, ist die Chance groß, dass er in der Autoindustrie anfängt. Denn dies ist nach wie vor die attraktivste Industrie, die ich kenne. Und viel zu tun (siehe oben) gibt es auch.