Herr Zechmair, Valeo hat gemeinsam mit der Universität Schanghai ein günstiges E-Auto für China vorgestellt. Wollen Sie damit auf Ihre Gesamtfahrzeugkompetenz aufmerksam machen?
Ja und nein. Wir zeigen damit unsere Innovationsstärke, aber wir planen nicht, in den Fahrzeugbau zu gehen, und wollen keine eigenen Fahrzeuge herstellen.
Aber Sie demonstrieren so Ihre Kompetenz im Antriebsstrang. Erhoffen Sie sich dadurch Hersteller aus China als neue Kunden, die größere Pakete im Antriebsstrang bei Ihnen einkaufen und dann selbst ein Auto bauen?
Ja, das können wir uns vorstellen. Wenn Sie sich unsere Komponentenpalette beim Antriebsstrang anschauen, dann decken wir alle elektrischen Komponenten im Bereich von zwölf bis 800 Volt ab. Das Angebot beinhaltet unter anderem Generatoren, Ladegeräte, Leistungselektronik und Elektromotoren in verschiedensten Ausprägungen.
Valeo hat das fürs autonome Fahren notwendige Laser-Scanner-System Lidar zu einer serientauglichen Lösung entwickelt. Sie nennen es Scala und haben Audi bereits als Kunden. Zu welchem Preis können Sie ein solches System anbieten?
Das hängt natürlich von Stückzahlen und Anwendungsfall ab, aber auf jeden Fall liegen wir deutlich unter 1000 Euro. Unser Ziel ist es, immer den Massenmarkt zu erreichen, damit die Technik allen zugutekommt.
Welchen Vorteil sehen Sie bei Ihrem Lidar-System gegenüber dem Wettbewerb?
Zum einen decken wir die Anforderungen der Automobilindustrie für einen Einsatz im mobilen Bereich ab. Und wir können Scala in hohen Stückzahlen zuverlässig mit den geforderten Industrienormen fertigen. Andere Wettbewerber müssen das erst noch unter Beweis stellen. In einer nächsten Generation wird unser System die sogenannte Solid-State-Technologie nutzen, die ohne rotierenden Spiegel auskommt.
Welche Akzente wollen Sie bei Valeo in Deutschland setzen?
Valeo hat in den vergangenen zwei Jahren in Deutschland seine Aktivitäten vor allem durch Zukäufe wie den Thermospezialisten für Busse Spheros oder den Anbieter im Bereich Antriebsstrang FTE automotive systematisch ausgebaut. Mittlerweile haben wir fast 10.000 Mitarbeiter in Deutschland und hier nicht nur Fertigungs- sondern auch bedeutende Entwicklungsstandorte im Bereich Fahrassistenzsysteme, Klimatisierung, Wischer- und Wischermotoren. Für den Bereich der Fahrassistenzsysteme ist der zentrale F&E Standort des weltweit tätigen Konzerns sogar hier in Bietigheim-Bissingen angesiedelt.
Und wollen Sie die Standorte weiter ausbauen?
Ja, Deutschland ist wichtig für uns. 30 Prozent unserer Umsätze machen wir mit deutschen Kunden. Und die legen durchaus Wert darauf, dass ihre Lieferanten Entwicklungs- und Fertigungsstandorte in ihrer Nähe haben. Aber wir brauchen Produktivitätssteigerungen, um unsere Standorte wettbewerbsfähig zu halten.
Wie meinen Sie das?
Neue Technologien, Prozesse und Abläufe verändern die Arbeitswelt heute sehr schnell. Als Unternehmen müssen wir die Mitarbeiter hierbei unterstützen.
Gibt es Überlegungen bestimmte Bereiche von Deutschland ins Ausland zu verlagern?
Nein, dann hätten wir die Akquisitionen hierzulande nicht gemacht. Ganz im Gegenteil. Wir bauen Produktionskapazitäten in Deutschland auf, zum Beispiel im Bereich der Frontend-Module. Darüber hinaus investieren wir sehr stark in den Bereich F&E – auch in Deutschland. Das steckt in unseren Genen. Der Konzern investiert immerhin etwa zwölf Prozent seines Umsatzes von rund 18,6 Milliarden Euro im letzten Jahr in den Bereich Forschung und Entwicklung. Wir haben beispielsweise am Standort in Kronach vor zwei Jahren ein kleines Team von Spezialisten im Bereich der Fahrerassistenzsysteme übernommen. Aus dem Team von elf Mitarbeitern wurde inzwischen ein Standort mit 65 Ingenieuren und wir werden dort wohl noch in diesem Jahr mehr als 100 sein.
Das Joint Venture Valeo Siemens eAutomotive kann sich vor Aufträgen kaum retten, würden Sie das Gemeinschaftsunternehmen für E-Motoren auch nach einem Siemens-Ausstieg weiterführen?
Ja. Siemens wird zum entsprechenden Zeitpunkt aussteigen und Valeo wird das Joint Venture dann alleine weiterführen. Es stand schon bei der Vertragsunterzeichnung fest, dass Siemens seine 50 Prozent an uns abgeben wird.
Viele Zulieferer verfolgen eine duale Strategie, um einerseits konventionelle, auf Verbrennungsmotoren basierende Technik weiter zu entwickeln und andererseits neue Themen wie E-Mobilität oder autonomes Fahren zu forcieren. Wie versuchen Sie diesen Spagat zu meistern?
Mit unserem Produktportfolio unterstützen wir das Thema E-Mobilität in allen Aspekten zu 100 Prozent. Wir sprachen ja über unser Joint Venture mit Siemens, in das wir auch unsere bereits bestehenden Kompetenzen in diesem Bereich integriert haben. Diesen Einsatz leisten wir aber auch genauso im Bereich der Verbrennungstechnologien. Wir setzen dabei die Vorgaben der Kunden um, bringen aber stets unsere Expertise und Know-how ein. Und das ist nicht wenig – immerhin sind wir ja schon über 90 Jahre als reiner Zulieferer auf dem Markt. Das schaffen sie unter anderem nur mit herausragenden Innovationen und einer entsprechenden wettbewerbsfähigen Produktpalette.
Welche Bedeutung hat für Sie der Nafta-Markt?
Jeder Markt für sich ist gleich wichtig für uns. Und auch im Bereich Nafta möchten wir weiter wachsen. Und dies natürlich auch – aber nicht nur – mit unseren deutschen Kunden. Derzeit erzielen wir rund 20 Prozent des Umsatzes im Nafta-Raum. Zum Vergleich, in Europa erwirtschaften wir fast die Hälfte, 47 Prozent, des Gesamtumsatzes. In Asien und China zusammen sind es 31 Prozent.
Wollen Sie Ihr Portfolio erweitern?
Unser Geschäft verändert oder besser, es erweitert sich permanent. Wir sprachen auch im Zusammenhang mit unseren Aktivitäten im Bereich E-Mobilität darüber. Heute forschen wir beispielsweise auch in der Temperaturregulierung wie Kühlung/Beheizung von Hochleistungsbatterien, die in den E-Autos zum Einsatz kommen. Wir haben dazu einen sehr modernen Hochvolt-Batterieprüfstand in einem unserer Werke in Deutschland aufgebaut. Abwärme von Batterien kann künftig zum Beispiel genutzt werden, um in einem LKW, die mit einem Verbrennungsmotor betriebene Standheizung zu ersetzen. Was die CO2- wie auch Geräuschemissionen deutlich verringert. Hier geht es auch darum, Reichweiten und die Lebensdauer solcher Batterien zu erhöhen. Dazu gehört aber auch, dass wir im Bereich der Fahrassistenzsysteme nicht mehr nur Produkte, sondern auch geistiges Eigentum, also Software und Lizenzen im Portfolio haben. Dies sind nur einige Beispiele, um es konkreter und anschaulicher zu erklären.
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