Harter Einstieg

2021 war kein einfacher Start für die neue Geschäftsführung des Familienunternehmens Hirschvogel. Jörg Rückauf, seit Sommer 2021 Vorsitzender der Geschäftsführung, Walter Bauer, seit Dezember 2020 zuständig für Finanzen und Dirk Landgrebe, seit Januar 2021 verantwortlich für die Produktion, hatten erheblich mit der Corona-Pandemie, dem Chipmangel und dem Transformationsprozess in Richtung E-Mobilität zu kämpfen.

Der Zulieferer Hirschvogel, der im Komponentengeschäft von massiv umgeformten und weiterveredelten Bauteilen aus Stahl und Aluminium zu den weltweit größten Anbietern zählt, hat mit rund 1,2 Milliarden Euro Umsatz knapp über dem Vorjahresniveau gelegen. Angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen ist man am Stammsitz in Denklingen mit dem Ergebnis des vergangenen Jahres zufrieden. Zur Gewinnsituation macht das Familienunternehmen traditionell keine Angaben.

Finanzchef Bauer spricht davon das Geschäftsjahr "erfreulich gut" bewältigt zu haben und verweist darauf, dass das Unternehmen die Mittel habe, um sich weiterentwickeln zu können. Hilfreich ist dabei laut Produktionschef Landgrebe, dass bei Hirschvogel nicht der quartalsbezogene, sondern der nachhaltige Erfolg im Vordergrund steht: "Diese Haltung spüren und übernehmen viele Beschäftigte. Es entsteht Innovationskraft."

Hirschvogel hatte im vergangenen Jahr seine Strategie neu ausgerichtet. Im Fokus steht das sogenannte Green Business, rund um CO2-emissionsfreie Mobilitätskonzepte. "Um Wachstum und Beschäftigung an allen Standorten auch für die nachfolgenden Generationen zu sichern, richten wir aktuell das Komponentengeschäft im Automotivebereich mit Hochdruck an E-Mobilität und Antriebsunabhängigkeit aus. Parallel möchten wir über Unternehmensbeteiligungen in verwandte Technologien und Märkte wachsen", erklärt Rückauf.

Diese Doppelstrategie zeige erste Erfolge: 70 Prozent der im Jahr 2021 gewonnenen Aufträge zahlen auf das grüne Geschäft ein, ebenso wie weitere Großaufträge im 1. Quartal 2022, heißt es beim Umformspezialisten. Profitieren sollen davon alle Werke weltweit. Im Stammwerk, bei Hirschvogel Umformtechnik in Denklingen, ging kürzlich beispielsweise eine neue Produktionshalle für Differentialkegelräder in Betrieb. Bei Hirschvogel Komponenten in Schongau investiert der Zulieferer derzeit 28 Millionen Euro in eine neue Fertigungshalle für Rotorwellen in Elektroantrieben und in Technologie für eine prozess- und materialflussorientierte Fertigung. Zudem hat das Unternehmen mit der Gründung des Geschäftsbereichs Bike und Mikromobilität damit begonnen, sich ein Feld außerhalb des Automotivebereichs zu erschließen.

Eine Konsequenz daraus: Der Zulieferer hat zum Jahreswechsel 2022 seine Unternehmensstruktur angepasst und die "Hirschvogel Automotive Group" in die "Hirschvogel Group" umbenannt. Die neue Struktur vereint nun neun Produktionsgesellschaften und zwei Beteiligungsgesellschaften unter einem Dach. Im Zuge der Umstrukturierung wurde auch das Beteiligungsportfolio neu geordnet. 67 Prozent des Gesamtinvests flossen 2021 in das grüne Geschäft.

In diesem Jahr will das Unternehmen rund 68 Millionen Euro in die Standorte Denklingen und Schongau investieren. Aufgrund des Russland-Ukraine-Krieges bleibt Bauer jedoch vorsichtig: "Wir haben mit der Strategie und der neuen Unternehmensstruktur eine Basis für den weiterhin nachhaltigen Erfolg der Hirschvogel Group gelegt. Doch die aktuelle Weltlage birgt enorme Unwägbarkeiten, unter anderem bei Lieferketten, Kosten und Verfügbarkeit von Rohstoffen und Energie. Das wird uns belasten und beschränken, in welchem Ausmaß können wir noch nicht absehen."

Hirschvogel zielt mit Green Business neben der Produktwelt auch auf das nachhaltige Wirtschaften des gesamten Unternehmens. 2021 hat der Zulieferer mit weltweit rund 6000 Mitarbeitern sein Nachhaltigkeitsmanagement zentralisiert und sich gemäß dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens und den UN-Nachhaltigkeitszielen zur ökologischen, ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeitsentwicklung verpflichtet.

Als dringliche Aufgabe sieht das Unternehmen die Dekarbonisierung der energieintensiven Produktion. In diese fließen weltweit pro Jahr 300 GWh Strom und 115 GWh Erdgas. "Wir sind dabei, den Erdgasverbrauch zu reduzieren, unsere Produktionsprozesse zu elektrifizieren und auf Grünstrom umzustellen. An den deutschen Standorten beziehen wir seit Jahresbeginn ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien. International erfolgt die Umstellung bis 2025. Darüber hinaus wollen wir die Grundlast unserer Werke durch eigene, regionale Fotovoltaikprojekte abdecken", erläutert Landgrebe.

Seit 2018 plant das Unternehmen zudem einen Solarpark in Denklingen. Kommt das Genehmigungsverfahren in den nächsten Wochen zum Abschluss, könnte die Inbetriebnahme Anfang 2023 erfolgen. In Schongau plant Hirschvogel in Zusammenarbeit mit einem Biohof und dem Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Kempten ein Agri-Fotovoltaikprojekt. Es könnte ein Pilotprojekt für Bayern werden.

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