Wer bisher noch geglaubt hatte, die deutsche Autobranche würde mit Kurzarbeit davonkommen und wie nach der Finanzkrise schnell zurückkommen, der wird spätestens seit den Ankündigungen von ZF eines Besseren belehrt. "Aus heutiger Sicht müssen wir bis 2025 weltweit unsere Kapazitäten anpassen und 12.000 bis 15.000 Arbeitsplätze abbauen, davon etwa die Hälfte in Deutschland", heißt es in dem Brief des ZF-Vorstands Wolf-Henning Scheider an die Mitarbeiter, der an die Öffentlichkeit gelangt ist. Das sind rund zehn Prozent der knapp 150.000 Mitarbeiter weltweit.
Die Einschnitte bei ZF markieren einen Wendepunkt. Waren es bisher nur vereinzelte Standorte und Werke von Herstellern oder Zulieferern, die wegen des Strukturwandels und gedämpfter Konjunktur Federn lassen mussten, so kommt nun die ganz große Keule. Die Corona-Krise zwingt die gesamte Autobranche zur radikalen Korrektur ihres bisherigen Wachstumskurses. Von einer "neuen wirtschaftlichen Realität" ist in dem Brief des Vorstands die Rede.
Wie die Wirklichkeit aussehen wird, deutete sich bereits vor der Corona-Krise an. Im Interview mit der Automobilwoche erklärte Bosch-Chef Volkmar Denner bereits bei der IAA im September vergangenen Jahres, dass er bis 2025 nicht mehr mit einem Wachstum der Autoindustrie rechne. Damals nannte Denner Handelsstreitigkeiten, den Vormarsch von Sharing-Modellen und Unsicherheiten angesichts neuer Antriebe als Gründe. Nun kommt die Pandemie hinzu, die alle Wachstumsfantasien endgültig zerstört.
Statt stetig neuer Rekordwerte wie in den vergangenen zehn Jahren geht es steil bergab. Noch 2017 wurden weltweit 95 Millionen Fahrzeuge verkauft. Zu dieser Zeit prognostizierten Experten für das Jahr 2024 bis zu 115 Millionen Einheiten pro Jahr. Doch nun kommt alles anders. Allein in diesem Jahr könnte der globale Absatz laut der Beratungsfirma Bain um knapp 30 Prozent von 90 Millionen auf 64 Millionen Pkw einbrechen. Die anschließende Erholung auf wenigstens 80 Millionen Einheiten könnte sich Jahre hinziehen.
Zwar hat Bosch bereits im vergangenen Jahr weltweit rund 10.000 Stellen abgebaut, aber das wird nicht reichen. "Gerade im Geschäftsbereich Powertrain Solutions müssen wir daher unsere Strukturen anpassen", heißt es im aktuellen Geschäftsbericht. Der Betriebsrat rechnet daher fest mit einer neuen Sparrunde. "Bosch hat seine Personalplanung auf einen deutlich wachsenden Automobilmarkt ausgelegt. Bedingt auch durch die Corona-Krise ist stattdessen mit einem starken Rückgang in den nächsten Jahren zu rechnen", sagte Mario Gutmann, der die Arbeitnehmer am Standort Bamberg vertritt, im Gespräch mit der Automobilwoche.