Herr Groß, Anfang des Jahres ist das Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz - kurz StaRUG – in Kraft getreten. Sind Sie damit zufrieden?
Ja, ich bin nach wie vor beeindruckt von dem Gesetz. Vom ursprünglichen Regierungsentwurf war ich noch stärker beeindruckt. Aber auch vom Gesetz in der jetzigen Form kann man wirklich nur den Hut ziehen.
Was hätten Sie sich noch gewünscht?
Dass man in der jetzigen Gesetzesform langlaufende Verträge nicht kündigen kann, ist eine politische Entscheidung gewesen. Ich finde das schade, weil es uns noch mehr Möglichkeiten an die Hand gegeben hätte. Aber ich kann mit der jetzt gültigen Form des Gesetzes auch gut leben. Es bleibt dabei, dass es ein gelungenes Gesetz ist, dass uns jetzt vor allem bei der finanzwirtschaftlichen Restrukturierung hilft.
Haben sich mit dem neuen Gesetz die Haftungsrisiken für Manager in krisengeschüttelten Unternehmen verändert?
Ja. Im § 1 des Starug ist geregelt, dass die Geschäftsleiter eines Unternehmens ein Krisenfrüherkennungssystem installieren müssen. Dieses System muss in der Lage sein, bestandsgefährdende Risiken rechtzeitig zu identifizieren und legt gleichzeitig den Geschäftsleitern die Pflicht auf, zu sanieren.
Was wäre ein Beispiel dafür?
Etwa auslaufende Finanzierungsverträge. Wenn beispielsweise ein Konsortialkredit existiert, der in 15 Monaten ausläuft und dann zehn Millionen zur Rückzahlung fällig wären. Wenn die Geschäftsführung keine Anschlussfinanzierung findet, dann liegt ein bestandsgefährdendes Risiko vor. Das muss das Management also erkennen und rechtzeitig damit beginnen, Maßnahmen einzuleiten, insbesondere in Refinanzierungsgespräche einzusteigen.
Haben Sie auch ein Beispiel aus dem operativen Geschäft?
Als Zulieferer muss ich beispielsweise auf der Verkaufsseite einen Meldeprozess haben, der mich warnt, wenn ein großer Kunde wegzubrechen droht. Das darf eben nicht erst gemeldet werden, wenn die letzte Lieferung erfolgt ist, sondern es müssen bereits die ersten Anzeichen einer ausstehenden Vertragsverlängerung gemeldet werden. Dann müssen die Risiken in einem zweiten Schritt bewertet und vom Unternehmer in die Auswirkungen auf die Unternehmensplanung einbezogen werden. Die Hilfsfrage als Unternehmer ist immer, an welchen Stellen gibt es hier Einflussfaktoren auf meinen Geschäftsbetrieb und wie muss ich es beobachten. Ich will es nochmal anders formulieren: Unerwartete Risiken wie beispielsweise die Corona-Pandemie konnte keiner vorhersehen. Und da wird auch niemand einem Geschäftsführer einen Strick drehen, der die Pandemie nicht erkannt hat. Er muss aber geeignete Maßnahmen installiert haben, um das Unternehmen möglichst gut durch diese Krise zu steuern. Immer im Blick zu behalten müssen Manager bestandsgefährdende Risiken für das eigene Geschäftsmodell. Etwa wenn absehbar ist, dass durch den Trend zur Elektromobilität die Abnahmen im Bereich Verbrennungsmotoren zurückgehen. Auf der anderen Seite sollte man aber auch nicht Panik verbreiten. Sie haften nicht per so als Geschäftsführer und sind nicht per se dafür verantwortlich, dass das Unternehmen so bleibt wie es ist. Sie sind nur verpflichtet Vorsorgemaßnahmen zu treffen, dass sie eben erkennen können, dass etwas passiert.
Und wenn der Manager es einfach versäumt, ein solches Risikofrüherkennungssystems einzusetzen?
Dann setzt er sich einem persönlichen Haftungsrisiko aus. So könnte er oder sie für die Verschlechterung der Vermögenslage haftbar gemacht werden. Und zwar deshalb, weil er nicht rechtzeitig erkannt hat, dass eine Gefahr droht.
Was zeichnet ein effizientes Frühwarnsystem aus?
Es gibt nicht das Frühwarnsystem für jedes Unternehmen. Sie brauchen eine integrierte Planung. Sie müssen das laufende und das folgende Geschäftsjahr im Blick haben. Im Übrigen sieht ein Krisenfrüherkennungssystem für einen DAX-Konzern anders aus als für einen kleineren Mittelständler. Und das ist auch richtig so. Der Gesetzgeber hat es bewusst offen und der Praxis überlassen, hier die richtigen Lösungen zu finden.
Hat sich die Autozulieferindustrie darauf eingestellt und haben sie die Vorsorgesysteme installiert?
Ganz unterschiedlich. Wir sehen Zulieferer, die führen ihr Unternehmen immer noch nach Bankkonto. Da kann ich nur sagen, da fehlt es schon an rudimentären Krisenfrüherkennungssystemen. Es gibt aber eine ganze Reihe von Zulieferern im gehobenen Mittelstand, die ganz hervorragend aufgestellt sind. Sie sind meistens bereits schon von ihren Wirtschaftsprüfern darauf hingewiesen worden. Also da gibt es kein einheitliches Bild. Ich kann nur jedem Unternehmen raten, sich darüber Gedanken zu machen.
Aber die Pflicht zur Etablierung eines Krisenfrüherkennungssystems ist doch nicht neu?
Nein, die gab es immer schon. Die stand früher im Aktiengesetz und war vor allem an Aktiengesellschaften adressiert. Allerdings hatte die Rechtsprechung das schon immer ausstrahlen lassen auch auf andere Unternehmen. Jetzt ist die Forderung nach einem Früherkennungssystem aber deutlich Gesetz geworden und es kommt keiner mehr darum herum. Das ist die logische Entwicklung eines Prozesses um die Prävention zu verbessern, sodass hinterher weniger Scherben aufzusammeln sind.
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