Wo Autofahrer besonders viel Geduld brauchen

Der Spezialist von Big-Data-Lösungen für das vernetzte Auto Inrix hat mit seiner 2018 Global Traffic Scorecard eine Analyse der Stau- und Mobilitätstrends in mehr als 200 Städten in 38 Ländern vorgestellt. Die Kosten die Staus weltweit verursachen sind erheblich.

Inrix verweist in diesem Zusammenhang auf das American Transportation Research Institute. Dieses schätzt die Gesamtkosten von Staus für die Speditionsbranche auf 74,5 Milliarden Dollar jährlich, davon entfallen 66,1 Milliarden Dollar auf Stadtgebiete. Den größten Unterschied zwischen den einzelnen Städten mache dabei jedoch das Fahrererlebnis und nicht die Fahrtdauer aus, so die Inrix-Analyse.

In dichten Städten sind die Geschwindigkeiten in der Regel niedriger und die Pendelstrecken kürzer. Im Gegensatz dazu stehen die Städte mit geringer Dichte, in denen die Geschwindigkeiten höher, die Fahrstrecken aber weiter sind. In beiden Fällen brauchen die Pendler zirka eine halbe Stunde für den Weg zum beziehungsweise vom Arbeitsplatz.

In früheren Scorecards von Inrix wurde die Zeit pro Person erfasst, die diese im Stau verbracht hat. Die aktuelle Untersuchung dagegen analysiert den Zeitverlust pro Person aufgrund von Verkehrsbehinderungen und deren Schweregrad. Moskau, Istanbul, Bogotá, Mexiko-Stadt und Săo Paulo zählen dabei zu den Top 5 im internationalen Ranking der Staufolgen.

Die Dominanz lateinamerikanischer Städte ist für die Analysten dabei keine Überraschung. Die rasend schnelle Urbanisierung, der hohe Umfang informeller Besiedlung, schwierige topografische Gegebenheiten und finanzielle Instabilität erschweren in diesen Städten Maßnahmen zur Verbesserung der Mobilität.

Im Ranking nach Zeitverlust durch Stau kommen acht der Top-10-Städte weltweit aus Europa. Spitzenreiter ist die kolumbianische Stadt Bogotá (272 Stunden). Ein Hauptgrund dafür ist das Alter der europäischen Städte.

In Rom (Platz 2/254), Paris (5/237), London (6/227) und Mailand (7) lassen sich die ältesten Straßen bis in die Römerzeit zurückverfolgen. Diese Städte verfügen über eine Ringstraße, die eine physische Grenze zwischen dem Bau in der Zeit vor und nach der Automobilära bildet.

Die Folge ist eine autozentrische Infrastruktur, die direkt in ein dichtes öffentliches Nahverkehrsnetz oder in Fußgängerbereiche führt. Die Autos fahren im Grunde in Viertel, die ursprünglich für Pferde und Fußgänger ausgelegt waren.

Die europäischen Städte haben weltweit die langsamsten Verkehrsflüsse, da sie zum größten Teil schon vor der Verbreitung von Autos entstanden sind. Mit ihren dichten Stadtkernen, engen Straßen und komplexen Straßennetzen sind diese Städte alles andere als autogerecht.

Allerdings steht den Bewohnern der meisten europäischen Städte ein gut funktionierendes öffentliches Nahverkehrsnetz zur Verfügung. Zudem sind Fahrradfahren oder Zufußgehen aufgrund der Dichte der Stadt attraktive Alternativen. Beispielsweise liegen die Stationen der Pariser Metro in der Innenstadt im Schnitt nur 548 Meter auseinander.

Berlin (154 Stunden), München (140 Stunden) und Hamburg (139 Stunden) führen die Liste der deutschen Städte mit den größten Zeitverlusten aufgrund von Staus an. In neun der staureichten zehn Städte Deutschlands verloren die Autofahrer mehr als 100 Stunden pro Jahr. In allen deutschen Städten, die in der Studie erfasst wurden, waren die Geschwindigkeiten für die letzte Meile mit 15 km/h bis 25 km/h typisch für dichte Stadtstrukturen.

Die höchsten staubedingten Kosten tragen die Berliner mit jährlich 1340 Euro pro Fahrer. Landesweit verloren die Deutschen im Jahr 2018 durchschnittlich 120 Stunden im Stau, was dem Land 5,1 Milliarden Euro beziehungsweise 1052 Euro pro Fahrer kostete.

Deutsche Städte schneiden bei staubedingten Zeitverlusten im Vergleich zu anderen Städten auf der Welt aus drei Gründen besser ab. Erstens hat Deutschland laufend in Schienen- und Straßennetze investiert und so die Mobilität und Kapazitäten erhöht. Zweitens hat das Land auch in die Infrastruktur für den Fahrrad- und Fußgängerverkehr mehr und länger investiert als die USA oder Großbritannien und so die Pkw-Nutzung verringert.

Schließlich ist Deutschland bei der Flächennutzungs- und Verkehrsplanung weltweit führend, was die Verkehrsberuhigungsprojekte mittelgroßer Städte wie Freiburg und Tübingen und die Einführung innovativer Beförderungskonzepte wie Tram-Train (Verknüpfung zwischen Straßen- und Eisenbahn) belegen.

Ganzheitliche Planung verringert die Belastung des Straßennetzes durch Vermeidung von Fahrten und Alternativen zum Auto. Die Geschwindigkeiten auf der letzten Meile (im Vergleich zu anderen europäischen Städten) und die zuverlässige Infrastruktur in Deutschland verdeutlichen die Positiveffekte einer langfristigen Gesamtplanung auf die Mobilität innerhalb einer Stadt, so die Autoren.

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