Frau Woltermann, der wiedergewählte ZDK-Präsident Jürgen Karpinski hat einen stärkeren Schulterschluss zwischen den Herstellern und den Fabrikatsverbänden gefordert. Heißt das mehr Kompromisse, weniger Konfrontation?
Das glaube ich nicht. Aber wir brauchen sicher eine engere Zusammenarbeit, zum Beispiel beim Thema Daten: Wenn die Daten dem Kunden gehören und alle wollen damit arbeiten, dann liegt es nahe, dass sich Hersteller und Handel darüber unterhalten und vereinbaren, wie man damit umgeht. Es gibt eine veränderte Rollenverteilung, die Hersteller übernehmen ja auch Aufgaben des Handels. Wenn der Kunde ins Netz geht und dort sein Auto konfiguriert, landet er automatisch beim Hersteller. Man muss manche Themen anders angehen als in der Vergangenheit, auch der Handel muss noch viel tun. Aber das heißt nicht notwendigerweise, dass der Handel mehr Kompromisse eingehen muss.
Digitalisierung und Disruption treiben die Diskussion über die Zukunftsfähigkeit des Autohandels und alternative Geschäftsmodelle. Damit kommen ja unweigerlich auch Veränderungen auf die Verbandsarbeit zu. Der ZDK hat dafür eine neue Arbeitsgruppe gegründet.Entstanden ist diese Gruppe, weil wir beim Thema Digitalisierung nicht immer nur beobachten wollen, was bei den Herstellern passiert, sondern wir wollen selbst aktiv werden und die Veränderungen mitgestalten. Das ist eine Bringschuld des Handels. Deshalb haben wir im März diese Arbeitsgruppe gegründet – zunächst mit den Fabrikatsverbänden der Marken aus dem VW-Konzern, Daimler, BMW, Jaguar Landrover, Opel und Ford.
Mit welchen Themen beschäftigt sich die Gruppe?Es gibt vier Module: Erstens die generelle Positionierung des Handels in der Zukunft, zweitens die Frage, wie die Händlerverträge der Zukunft aussehen müssen, drittens der gesamte Komplex Margensysteme und viertens neue Geschäftsmodelle, wie zum Beispiel datenbasierte Services. Auf der IAA im September sollen erste Ergebnisse vorgestellt werden.Margendisussionen sind ja ein Klassiker für Händlerverbände, aktuell diskutiert werden aktivitätenbasierte Margensysteme, quasi ein Baukasten zur Vergütung. Ist das alte Prinzip, dass nur derjenige Marge bekommt, der das Auto auch verkauft, ein Auslaufmodell?Ja, in der strikten Form könnte das schon zutreffen. Das aktivitätenbasierte Margensystem wird wohl kommen. Allerdings muss man berücksichtigen, dass ein Händler, der jetzt ein neues Autohaus baut – auch, weil es vom Hersteller gewünscht ist – von einer rein aktivitätenbasierten Vergütung gar nicht leben kann. Es muss natürlich auch etwas dafür geben, dass er dieses Autohaus zur Verfügung stellt, vielleicht eine Art Infrastrukturmarge.Sie sind seit zwei Jahren Vizepräsidentin des europäischen Branchenverbandes Cecra. Müssen nationale Händlerverbände künftig stärker die internationale Brille aufsetzen?Ich glaube ja. Ich bin sehr lange im Geschäft und habe Anfang der 1990er Jahre selbst viele europäische Händlerverbände mitgegründet. Ab Mitte der 1990er Jahre verloren diese dann immer mehr an Bedeutung, weil die Hersteller bevorzugt mit den nationalen Verbänden reden wollten. Teilweise wurden die Europaverbände wieder aufgelöst oder verschwanden in der Versenkung. Das ändert sich zur Zeit sehr stark, wie das aktuelle Beispiel VW zeigt. Die Verbände sollten sich deshalb anders aufstellen. Das geht nicht über Nacht, aber es geht, wie man bei Cecra sieht.Inwiefern?Cecra hat kürzlich seine Struktur komplett geändert, weil die alte uns nicht mehr zeitgemäß erschien. Der Vorstand wurde 2016 erneuert und hat unter dem neuen Präsidenten Jean-Charles Herrenschmidt jetzt viele jüngere Mitglieder, die teilweise Erfahrungen aus ganz anderen Branchen, beispielsweise aus dem Banken- oder Lebensmittelsektor, mitbringen. Ich glaube, das Beispiel könnte Schule machen. Wir wollen weniger gruppenorientiert und mehr projektorientiert arbeiten, das ist ungewöhnlich für einen Verband. Knowhow-Träger aus einzelnen Gruppen finden sich temporär und projektbezogen zusammen, so sind wir schlagkräftiger, flexibler und schneller. Das ist eine Abkehr von dem, was in der Verbandsarbeit der Vergangenheit üblich war, aber die Prozesse aus der Vergangenheit passen eben nicht mehr. Wir müssen auch mehr externe Experten mit einbeziehen. Diese Mischung tut uns gut, die Sitzungen laufen anders ab als früher, das ist neu und erfrischend.
In der aktuellen Audi-Debatte hat sich der Händlerverband deutlich stärker in der Öffentlichkeit exponiert als es in der Vergangenheit der Fall war. Hilft mehr Öffentlichkeit bei den Verhandlungen oder ist sie eher kontraproduktiv?Das kann man nicht pauschal sagen. Bei VW war es sicher richtig, weil es drastische Einschnitte gibt. Grundsätzlich hängt das sehr von der Art der Zusammenarbeit ab.
Der neue ZDK-Vizepäsident Thomas Peckruhn hat gesagt, die Diskussion über Händlerverträge sei schlimmer als die tatsächliche Situation. Finden Sie das auch?Sagen wir's mal so: Es gibt durchaus Marken, für die das nicht zutrifft. Wenn ich z. B. an Hyundai denke, dann waren dort die jüngsten Verhandlungen über neue Serviceverträge zwar langwierig, aber konstruktiv.