Herr Müller, fühlen Sie sich nach dem Ausstieg der Hastors bei Grammer als Sieger?
Das war nie die Zielsetzung. Wir hatten zusammen mit dem Aufsichtsrat im Jahr 2016 einen strategischen Plan verabschiedet, wie der Grammer-Konzern mit dem Automotive-Segment in den Regionen schneller wachsen kann. Zum einen wollten wir uns in den USA durch eine Akquisition verstärken. Zum anderen haben wir für China einen strategischen Partner gesucht. Diese Ziele haben wir in unseren Strategieunterlagen schon vor dem Einstieg der Hastors verabschiedet. In beiden Fällen waren wir erfolgreich. In den USA haben wir den Kunststoff-Spezialisten TMD gekauft. In China ist die Familie Wang mit ihrem Unternehmen Jifeng unser strategischer Partner geworden.
Ist es Ihnen gelungen durch Jifeng schon neue Kunden in China zu gewinnen?
Zunächst einmal mussten wir die kartellrechtlichen und juristischen Schritte abarbeiten. Das hat länger gedauert als wir zunächst angenommen hatten. Jetzt können wir das Thema Kundengewinnung verstärkt angehen.
Jifeng hält nach Ablauf der verlängerten Annahmefrist nun 84,23 Prozent der Anteile an Grammer. Wie werten Sie das?
Die sehr hohe Akzeptanz unserer Aktionäre freut uns, weil sie damit der Empfehlung von Vorstand und Aufsichtsrat gefolgt sind. Zuvor hatten Jifeng und Grammer eine Investorenvereinbarung für den Fall des erfolgreichen Übernahmeangebots geschlossen, die weitreichende Garantien für Arbeitsplätze und Standorte gibt und die weitere Unabhängigkeit des Unternehmens sichert. Die Zusammenarbeit muss sich jetzt natürlich noch einspielen.
Waren Sie vom Ausstieg der Hastor-Investmentgruppe Cascade überrascht?
Nicht unbedingt. Anscheinend ist man auch dort zum Ergebnis gekommen, dass der Kurs, den die Analysten taxiert haben, der Wert ist, den die Grammer-Aktie jetzt widerspiegelt.
Gab es auch Stimmen von Kundenseite?
Ich glaube, für unsere Industriepartner hatte sich diese positive Entwicklung schon abgezeichnet. Es gab zudem Reaktionen, dass man sich über die weitere Zusammenarbeit mit Grammer freue. Also ganz klar der Blick nach vorne. Das fand ich eine konstruktive Reaktion. Wir hatten auf den letzten Hauptversammlungen klargestellt, dass es Gespräche mit den Risikomanagement-Abteilungen unserer Kunden gab. Sollten auf Kundenseite Bedenken bestanden haben, dann sollten diese mit der nun erreichten Klarheit in der Aktionärsstruktur ausgeräumt sein.
Spüren Sie schon positive Auswirkungen aufs Geschäft?
In diesem Jahr wird noch kein Effekt spürbar sein. Wir wollen gemeinsam mit Jifeng neue Kunden in China angehen. Dazu gehört auch, neue Teile vorzustellen, Teile bemustern zu lassen, die Wettbewerbslandschaft zu eruieren und Dinge besser zu machen als der Wettbewerb. Das ist langfristig zu sehen.
Hat die angestrebte Machtübernahme Hastors Vorstand und Aufsichtsrat in den vergangenen Monaten enger zusammengeschweißt?
Über die im Aufsichtsrat beschlossenen Themen gab es immer Einstimmigkeit. Es gab auch viele Gespräche über Sachgebiete, die im alltäglichen Geschäftsleben so nicht vorkommen. Insgesamt haben alle Stakeholder eng zusammengearbeitet. Auch zwischen der Geschäftsführung und dem Betriebsrat und den Gewerkschaften gab es ein Zusammenrücken, das im alltäglichen Geschäftsleben so nicht vorkommt.
Haben Sie nach der TMD-Übernahme Interesse an weiteren Zukäufen?
TMD ist die größte Akquisition der Grammer-Geschichte. Die Übernahme ist komplett fremdfinanziert. Das müssen wir erst einmal in der Organisation umsetzen. Für die Integration von TMD mit fast 2000 Mitarbeitern und elf Standorten wollen wir uns die notwendige Zeit nehmen, um Risiken zu vermeiden. Weitere Zukäufe sehe ich nur bei kleineren, technologisch interessanten Firmen.
Was sind jetzt die nächsten Schritte bei Grammer?
Für uns ist es wichtig, dass wir jetzt ganz schnell nach vorne schauen. Große Bedeutung hat für uns auch die Integration von TMD. Was Ningbo Jifeng für uns in China leistet, das erwarten wir uns auch vom TMD-Management für Nordamerika. Zudem wollen wir uns deutlich stärker mit dem Thema Interieur befassen. Wir freuen uns im Management alle darüber, dass wir dafür mehr Ressourcen einsetzen können.
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