Herr Visser, Lynk&Co will eine Mobilitätsmarke sein. Sie wollen in Europa keine Autos verkaufen, sondern in erster Linie Autos im Abo anbieten. Wie weit sind Sie mit Ihren Plänen gediehen?
Wir launchen in Amsterdam im Frühjahr 2020, dann nächstes Jahr geht das Geschäft los und dann gehen wir nach Berlin, Barcelona und so weiter. Wir werden in den größten Städten in 16 europäischen Ländern sein.
Produziert wird aber in China.
Genau. Wir hatten zunächst überlegt, in Gent zu produzierten, doch das Werk ist dank der erfreulich hohen Nachfrage nach dem XC 40 ausgebucht. Und zwei Produktionsstätten in China und Europa hätten die Sache für den Anfang auch reichlich kompliziert gemacht. Wir beginnen also im zweiten Quartal 2020 mit der Produktion in China.
Wie teuer soll ein Lynk&Co-Abo im Monat sein?
Wir haben in den USA und Europa Studien gemacht und sind zu dem überraschenden Ergebnis gekommen, dass die Kunden rund 500 Dollar im Monat für Mobilität ausgeben. Das ist mehr als wir gedacht haben. Im ersten Schritt müssen wir genau das auch den Kunden bewusst machen– also was sie bereits für Mobilität ausgeben.
Das deutsche Start-up Cluno bietet bereits Autos von zehn verschiedenen Marken zu Preisen zwischen rund 250 und 750 Euro pro Monat im Abo an.
Wir haben noch nicht entschieden, was das Abo pro Monat kosten wird. Aber wenn wir alles zusammenrechnen inklusive Versicherung und so weiter und annehmen, dass der Kunde das Auto nicht weiter mit anderen teilt – was er theoretisch mal können wird –, dann ist 250 Euro definitiv zu wenig.
Ab welcher Abo-Laufdauer rechnet sich das Modell für Sie?
Das ist eine hochspannende Frage. Wir nähern uns dem so an: Die jungen Leute wollen sich nicht binden. Das ist ein rein psychologisches Moment. Wir müssen ihnen also die Möglichkeit geben – wie bei Netflix und Spotify –, ihr Abo von heute auf morgen kündigen zu können. Allein der Gedanke, einen Vertrag nicht schnell wieder auflösen zu können, ist eine unglaubliche Hürde für junge Leute und das antizipieren wir. Ich bin mir sicher, sie werden das Auto länger als einen Monat nutzen, aber wir müssen ihnen die Chance lassen, morgen zu sagen: Ich will es nicht mehr. Nur so bekommen wir die Leute.
Wie viele Fahrzeugvarianten wird es zur Auswahl geben?
Wir werden in Europa maximal acht verschiedene Varianten haben. Wenig Auswahl macht es einfach, darauf möchte ich später nochmal zurückkommen.
Was machen Sie mit Autos, die nicht mehr abonniert werden?
Wir nehmen das Auto zurück und geben es an den nächsten Kunden. Wir werden also gestaffelte Preise je nach Alter des Fahrzeugs anbieten. Wer es günstiger haben möchte, nimmt ein Fahrzeug, das schon sechs Monate, zwölf Monate oder noch älter ist.
Dann müssen Sie Ihre Autos so bauen, dass sie sehr lange sehr haltbar sind.
Das wollte ich vor dem Publikum heute nicht ganz so provokativ formulieren. (Anm. d. Red: Visser sprach auf dem Congress von Automotive News Europe in Göteborg.) Aber ja, natürlich. Das Autogeschäft hatte bisher immer etwas ethisch Anstößiges. Wir leben vom Service und vom Ersatzteilgeschäft und nicht vom Neuwagen. Wir machen Geld mit der Sache, die der Kunde am meisten hasst: Er muss in die Werkstatt. In unserem Modell ist Wartung ein Kostenfaktor. Da verlieren wir also Geld. Jedes Mal, wenn wir Reparaturen haben, verlieren wir Gewinn. Unsere Autos müssen also makellos sein.
Das impliziert, dass die Industrie heute schon bessere Autos bauen könnte, als sie es tut.
Das habe ich so natürlich nicht gesagt.
Wie viele Abos wollen Sie in den ersten zwei Jahren verkauft haben?
Wir haben das für Europa noch gar nicht definiert. Wir machen das, was die Kunden wollen. Aber ich kann Ihnen sagen, dass wir 2021 rund 500.000 Fahrzeuge produzieren werden, von denen ein Großteil in China verkauft werden wird.
Andere Probleme löst das Abo-Modell aber auch nicht. Zum Beispiel die Parkplatzsuche.
Klar, wir können nicht alle Probleme lösen. Aber es gibt sechs Dinge, die Kunden richtig nerven, und die wir deshalb anders machen wollen.
- Die Kunden gehen nicht gerne zum Händler, irgendwo in einem Gewerbegebiet. Wir werden also in der Innenstadt sein.
- Die Auswahl erschlägt sie. Sie wollen einen A4 und stellen fest: Sie haben 500 Millionen Möglichkeiten und ständig das Gefühl, sich falsch zu entscheiden oder eine Option zu verpassen. Wir machen das also ganz simpel und bieten maximal acht Varianten an.
- Dann kommt das Geschachere um den Preis. Und es ist kein fairer Kampf, denn der Händler verhandelt jeden Tag und der Kunde kauft im Schnitt nur alle sechs Jahre ein Auto. Wir machen einen Fixpreis. Fertig.
- Danach warten Sie im Schnitt vier Monate auf Ihr neues Auto. Bei uns ist das Auto sofort da.
- Sie fahren nach Kurzem ein technisch völlig veraltetes Auto. Wir updaten ständig, tauschen aus.
- Werkstattbesuche: Das erledigen wir für Sie. Wir holen das Auto ab und bringen es zurück.
Damit hätten wir sechs der nervigsten Punkte abgearbeitet. Aber natürlich gibt es noch mehr. Parkplatzsuche etwa – wir möchten das mit Hilfe von Apps und Partnern erleichtern. Oder Tanken: Wir möchten mit Partnern arbeiten, die Ihr Auto vor Ort mobil laden. Dazu suchen wir eine Organisation, die das europaweit für uns auf die Beine stellt.
Sie wollen eine Lifestyle-Marke sein und suchen Partner dafür. Welche Marken machen schon mit und wie viele sind es?
Die Namen kann ich nicht nennen. Aber es sind definitiv mehr als fünf und wir haben viele Anfragen, teils von sehr namhaften Unternehmen. Unsere Strategie sieht so aus: Wir wollen große Marken, aber auch lokale Größen (local heros) im Boot haben. Sagen wir zum Beispiel angesagte Designer und DJs. In Amsterdam werden Sie dann vielleicht zum Hiphop-Festival eingeladen. Über so etwas denken wir nach. Wir wollen auf jeden Fall Produkte und Dienstleistungen kombinieren.
Vielen Dank für das Gespräch!
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