Herr Hoheisel, für die Shuttle-Mobilität will Bosch Hardware, Software und Mobilitätsdienste bieten. Womit lässt sich das meiste Geld verdienen?
Das Rückgrat unseres Geschäfts sind auch für die Shuttle-Mobilität Komponenten und Systeme wie beispielsweise elektrische Achsen, redundante Lenkungen, Bremssysteme oder Anzeigeninstrumente. Es ist aber klar, dass wir nicht dabei stehen bleiben werden, nur Komponenten zu liefern. Dienstleistungen rund um die Mobilität sind auch ein spannendes Thema. Da tasten wir uns vor. Ob wir am Ende Betreiber von Shuttle-Flotten sind oder ob wir nur die Technik für die Fahrzeuge liefern, wird sich zeigen. Mit unserem in Berlin, Paris und Madrid eingeführten eScooter-Sharing-Dienst COUP haben wir erste Gehversuche bei anderen Mobilitätsformen unternommen.
Wollen Sie Produzent solcher Shuttles werden?
Nein. Wir werden niemals Fahrzeuge bauen. Das ist nicht unsere Absicht. Wir liefern ganze Sub-Systeme und könnten uns beispielsweise auch mit Partnern zusammenschließen, die Chassis für solche Shuttle-Fahrzeuge bauen.
Wollen Sie die Umfänge, die Sie für den Fahrzeuginnenraum liefern, erweitern?
Wir sind heute schon einer der großen Hersteller für Elektronik im Interieur und liefern zum Beispiel Instrumenten-Cluster und Head Units. Unsere Forschungsbereiche arbeiten auch daran, neue Innenraumkonzepte zu entwerfen. Ein wichtiges Thema ist dabei, den Zustand des Fahrzeuginnenraums zu überwachen. Sind die Insassen sicher oder wurden Gegenstände im Fahrzeug liegengelassen? Denn etwa bei einem autonom fahrenden Shuttle-Fahrzeug gibt es ja keinen Fahrer mehr, der das kontrollieren könnte.
Welche Umsatzgröße streben Sie mittelfristig mit Services an?
Anfang 2018 haben wir mit Connected Mobility Solutions einen neuen Geschäftsbereich gegründet, der sich um die Entwicklung und den Vertrieb digitaler Mobilitätsdienstleistungen kümmert. Dazu gehören Sharing-Angebote, Mitfahrservices und auf Vernetzung basierende Service-Angebote für Autofahrer. Das vernetzte Fahren ist für Bosch ein Wachstumsfeld. Wir streben mit unseren Lösungen ein deutlich zweistelliges Wachstum an.
Ihre klassischen Automobilkunden wollen ebenfalls mit Mobilität Geld verdienen. Führt das zu Spannungen mit Bosch?
Da ist mir nichts bekannt. Wir sind ja auch gar nicht unbedingt so sehr daran interessiert endkundenrelevante Dienste anzubieten, sondern wir werden auch Technik im Portfolio haben. Beispielsweise unsere Falschfahrerwarnung. Das ist ein Service, den wir heute schon erfolgreich anbieten. Damit stehen wir nicht im Widerspruch zu unseren klassischen Kunden, sondern sie können diesen Dienst von uns kaufen, genauso wie beispielsweise eine Lambda-Sonde. Das ist im Wesentlichen also ein Business-to-Business-Geschäft.
Aber das Scooter-Sharing richtet sich an den Endkunden....
Richtig. Damit wollen wir neue Mobilitätsformen ausprobieren. Denn gerade im urbanen Bereich wird die Mobilität zunehmend multimodal sein. Primär wollen wir darüber lernen, was Endverbraucher von Mobilitätsservices erwarten und wie sie diese nutzen. Dann können wir wiederum unseren Kunden bessere Lösungen anbieten.
Viele Zulieferer und Fahrzeughersteller arbeiten eng mit dem Halbleiteranbieter Nvidia beim autonomen Fahren zusammen. Wie setzen Sie die Technologie des Unternehmens ein?
Wir nutzen teilweise ebenfalls die Chip-Technologie von Nvidia. Wir arbeiten mit dem Unternehmen auch bereits seit vielen Jahren bei Cockpit-Systemen zusammen, setzen aber genauso auch Chips anderer Halbleiterhersteller ein. Nvidia ist in der Vergangenheit auch deshalb so attraktiv geworden für die Autobranche, weil ihre Grafikprozessoren derzeit die leistungsfähigsten parallelrechnenden Maschinen sind. Auf Dauer ist diese Technik aber nicht die einzig Zielführende.
Und was ist zielführend?
Wir werden künftig wahrscheinlich Maschinen erhalten, die spezifische Hardware-Beschleunigungen in Silizium abbilden können. Denn die Grafikprozessoren sind zwar sehr leistungsstark, aber sie verbrauchen auch sehr viel Energie.
Was meinen Sie mit Hardwarebeschleunigungen?
Für die hochauflösende Bilderkennung beispielsweise müssen bestimmte Software-Algorithmen auf sehr leistungsfähigen Maschinen gerechnet werden. Man kann aber auch einen anderen Weg gehen. Teile dieser Algorithmen werden dann in spezifischen Silizium-Schaltkreisen abgebildet. Damit lässt sich die Software-Komplexität weiter reduzieren. Aus unserer Sicht sieht so die Zukunft aus. Aber heute sind die Hersteller von Grafikprozessoren sehr gefragt. Ob das in fünf oder zehn Jahren auch noch so sein wird, weiß ich nicht.
Wie viele Mitarbeiter beschäftigen Sie im Bereich Künstliche Intelligenz?
In unserem Center for Artificial Intelligence haben wir derzeit 170 Experten an vier Standorten. Das sind Renningen, Bangalore in Indien, Pittsburgh in Pennsylvania und Sunnyvale im Silicon Valley. Wir wollen die Anzahl der Spezialisten auf mindestens 400 erhöhen.
Wie wichtig ist Künstliche Intelligenz fürs autonome Fahren?
Zunächst einmal sind unsere Steuergeräte im Fahrzeug heute so leistungsfähig, dass man KI nicht nur auf Großrechnern rechnen muss, sondern lokal rechnen kann. Beim automatisierten Fahren setzen wir Künstliche Intelligenz schon heute ein, um beispielsweise die Spurerkennung zu verbessern. Ein Problem beim Einsatz von KI bleibt jedoch die Validierung, weil sie immer nachvollziehen können müssen, mit welchem Algorithmus gearbeitet wird. Das heißt, KI ist wichtig, aber es darf nicht der einzige Zweig sein, auf dem das automatisierte Fahren aufbaut.
Und wo sehen Sie die Grenzen der KI?
Ich glaube, dass man KI breit einsetzen kann, aber es darf nicht die alleinige Technik sein. Wir müssen in unseren Systemen immer vorhersehbar bleiben. Schwierig wird es beim Machine Learning dann, wenn es der einzige Pfad ist, auf dem man unterwegs ist.
Bevorzugen Sie bei V2X Mobilfunk oder WLAN?
Was besser ist, kann man nicht generell sagen. Wir bei Bosch halten Mobilfunk eigentlich für die bessere Lösung. Aber wenn der Gesetzgeber DSRC (Dedicated Short Range Communication) oder WLAN vorschreibt, dann können wir das liefern. WLAN und 5G sind von der Technik her gar nicht mehr so weit voneinander entfernt. Eines ist jedoch klar: Wenn man nach Level 4 oder 5 automatisiert fahren will, dann bedarf es einer Infrastruktur mit einer entsprechenden Kommunikationstechnik. Welche Technik letztlich eingebaut wird, ist ziemlich egal.
Ist 5G relevanter für das autonome Fahren oder für die Fabrik 4.0?
Wir hätten 5G gerne überall. 5G ermöglicht quasi ohne Latenzen schnelles Internet. Die Fabrikvernetzung ist greifbarer als tatsächlich Level-4-Autos überall auf der Welt zu haben.
Wollen Sie Hardwareausrüster für 5G werden?
Wir sind kein Telekommunikationsunternehmen. Wir nutzen 5G-Chipsätze, stellen sie aber nicht her. Das ist auch nicht nötig.
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