Herr Verrier, Elektromobilität, Vernetzung, autonomes Fahren – sind das schwere Zeiten für ein auf den Antriebsstrang fokussiertes Unternehmen wie BorgWarner?
Nein. Egal wie die Zukunft aussieht, ob das Carsharing zulegt, autonomes Fahren an Bedeutung gewinnt oder die Vernetzung zunimmt, wir werden es auch künftig mit Fahrzeugen zu tun haben, die von Punkt A nach Punkt B bewegt werden müssen. Und dafür benötigt man ein Antriebssystem.
Unabhängig davon, ob damit ein Elektroauto, ein Hybridfahrzeug oder ein Auto mit Verbrennungsmotor angetrieben wird. Wir sehen unsere Aufgabe beispielsweise beim autonomen Fahren darin, zu verstehen, welches Antriebssystem das beste für ein solches Fahrzeug ist.
Welche Perspektiven hat Ihr klassisches Turboladergeschäft?
Das ist für uns ein wachsendes Geschäft, insbesondere in den Vereinigten Staaten und in China. Zudem wird die weltweite Marktdurchdringung von Turboladern weiter steigen. Laut dem Marktforschungsinstitut IHS steigt der Prozentsatz der Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor und Turbolader von 42 Prozent im Jahr 2016 auf 62 Prozent im Jahr 2026.
Auch der Anteil an Hybriden, die mit Turboladern ausgerüstet werden, wird nach unseren Einschätzungen steigen – von 18 Prozent im Jahr 2016 auf 56 Prozent im Jahr 2026. Als führendes Unternehmen auf dem Turboladermarkt sehen wir daher nach wie vor großes Wachstumspotenzial für unsere fortschrittlichen Aufladungstechnologien.
Belastet BorgWarner die Diskussion um den Diesel?
Das ist für uns als Lieferant für Turbolader kein großes Problem. Wir sehen zwar seit zwei, drei Jahren den Trend sinkender Diesel-Anteile in Europa. Und wir erwarten, dass sich diese Entwicklung sogar noch verstärkt. Doch das fangen wir durch Zuwächse bei Turboladern für Benziner wieder auf. Derzeit verfügen weltweit 17 Prozent aller Benziner über einen Turbolader. Und dieser Anteil wird weiter zunehmen.
Sie sind bei Pkw und Nutzfahrzeugen aktiv. Reizen Sie auch andere Branchen?
Wir könnten zwar auch einige unserer Produkte in andere Industriebereiche liefern, aber wir sehen genügend Wachstumschancen in unserem traditionellen Geschäft. Wir wollen unser Portfolio nicht zu weit spreizen. Wir bleiben im Automotivebereich auf Antriebssysteme fokussiert, da haben wir die größte Expertise.
Müssen Sie sich im Bereich der Sensorik verstärken?
Nein. Für uns ist im Zusammenhang mit dem autonomen Fahren vor allem interessant, dass immer mehr Daten im Fahrzeug gesammelt werden. Das bedingt Kamerasysteme und anderes mehr, was die Fahrzeuge wegen des höheren Gewichts und des größeren Energiebedarfs auch wieder ineffizienter macht.
Als Antriebsspezialisten bügeln wir das wieder aus, indem wir effizientere Systeme anbieten. Auch wenn die Daten natürlich für bessere Antriebssysteme sorgen können, wollen wir dennoch kein Software-Unternehmen werden. Am Ende haben wir es mit einem Auto zu tun. Das bedeutet Hardware, und es bewegt sich.
Wollen Sie neue Technologien intern entwickeln oder eher zukaufen?
Das kommt darauf an, wie lange es dauert, eine solche Technologie inhouse zu entwickeln. Um unsere führende Position bei Antriebssystemen zu verteidigen, war uns klar, dass wir Kompetenz bei Elektromotoren benötigen. Es hätte aber viele Jahre gedauert, solche E-Motoren selbst zu entwickeln und bis zur Serienreife zu bringen. Deshalb haben wir uns beispielsweise 2015 entschlossen, Remy International zu kaufen.
Bosch Mahle Turbo Systems wird verkauft. Haben Sie Interesse?
Zu Marktgerüchten oder Fragen hinsichtlich Übernahmen und Fusionen geben wir keine Statements ab.
Gibt es Bereiche, von denen Sie sich trennen wollen?
Insgesamt passt unser Portfolio. Die Automobilindustrie ist sehr schnelllebig und befindet sich in einem stetigen Wandel. Daher passen wir unsere Produktpalette kontinuierlich an die Marktanforderungen an, um unseren Kunden stets die besten Lösungen liefern zu können.
Welche Schwerpunkte setzen Sie bei der Internationalisierung?
Wir sind sehr gut ausbalanciert in den großen Regionen Nordamerika, Europa und Asien, speziell China. Aber auch Länder wie Thailand, von wo aus wir unsere japanischen Kunden bedienen, Indien und Südamerika sind interessant.
Vor welchen einschneidenden Herausforderungen sehen Sie die Zulieferindustrie?
Dinge wie Preisdruck und wirtschaftliche Schwankungen wird es immer geben. Entscheidend ist aber, innovative Produkte und Technologien zum richtigen Zeitpunkt zu einem guten Preis anbieten zu können. Das ist die größte Herausforderung für uns alle.