Herr Griffiths, Sie waren bisher Vertriebschef von Seat und Chef der Marke Cupra. Jetzt sind Sie auch Vorstandschef von Seat. Was sind Ihre Pläne?
Als ich vor vier Jahren als Vertriebsvorstand zu Seat kam, war mein Auftrag, die Marke erfolgreich zu machen. Seat zu einer relevanten und vor allem coolen Marke zu machen, die Begehrlichkeiten gerade bei jungen Kunden weckt. Auf dem Weg haben wir schon viel erreicht. Das Produktportfolio von Seat war noch nie so stark wie jetzt. Das müssen wir nun weiter vorantreiben. Was noch hinzukommt, ist die Transformation zur Elektromobilität. Das wird meine Hauptaufgabe – für beide Marken.
Zuletzt gab es Spekulationen, VW könnte sich von Seat trennen und nur noch auf Cupra setzen.
Wir haben die Marke Cupra nicht gegründet, um Seat abzulösen, sondern um Seat zu ergänzen. Cupra hat eine ganz andere Positionierung und kann Seat gar nicht ersetzen. Seat ist und bleibt ein Unternehmen mit zwei Marken.
Bleiben Sie Chef beider Marken, Seat und Cupra?
Cupra und Seat gehören zusammen. Deshalb werde ich beide Funktionen wahrnehmen. Cupra als neue Marke zu etablieren, war für mich von Anfang an eine spannende Aufgabe, an der viel Herzblut hängt. Wie oft hat man schon die Chance, eine neue Marke zu gründen? Da ist es nur hilfreich, wenn ich auch die Verantwortung für Seat habe und somit Chef beider Marken bin.
Und Ihre dritte Funktion als Vertriebsvorstand von Seat?
In der derzeitigen wichtigen Phase der Markteinführung des Cupra Formentor und der Umstellung des Cupra-Vertriebsnetzes halte ich es für wichtig, dass ich auch die Vertriebsfunktion noch eine Zeit lang weitermache. Aber nicht auf Dauer. Wir werden dann schauen, dass wir die Vertriebsfunktion neu besetzen.
Wo steht die Marke heute?
Seat war noch nie so stark wie jetzt. Vor dem Corona-Ausbruch waren wir die am schnellsten wachsende Marke in Europa, haben den Marktanteil hier innerhalb von vier Jahren um 50 Prozent erhöht, kommen jetzt auf drei Prozent in Europa, in Deutschland sogar auf vier Prozent. Zugleich haben wir unsere Ergebnisse verbessert, haben ab 2015 auch Geld verdient. Und das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange. Ich bin fest überzeugt, dass Seat noch weiter wachsen kann.
Wird es Ihnen auch 2020 gelingen, schwarze Zahlen zu schreiben? Trotz Corona?
Das wird in diesem Jahr schwierig. Die Corona-Krise hat uns wie alle in der Branche hart getroffen – uns sogar noch härter, weil wir in Spanien sind. Aber: Seit September sind wir wieder auf dem Niveau, auf dem wir vor Corona waren. Die Septemberauslieferungen waren sogar die höchsten, die wir je in einem September hatten. Wir sind auch für das letzte Quartal optimistisch. Doch die Verluste, die wir in den Monaten März bis August eingefahren haben, werden wir in diesem Jahr nicht wieder reinholen. Das werden wir nicht schaffen. Ab 2021 hoffen wir doch wieder, in den schwarzen Bereich zurückzukehren.
Wo sehen Sie noch Potenzial für Wachstum?
Zuerst einmal in Europa. In Deutschland geht sicher noch was, in Großbritannien können wir mehr machen, und auch in Südeuropa haben wir noch Luft nach oben. Außer in Spanien, wo wir schon seit zwei Jahren Markführer sind. Aber in Italien und in Frankreich können wir noch wachsen.
Und außerhalb Europas?
In Lateinamerika sehe ich noch viel Potenzial. In Mexiko, wo Seat schon immer stark war, in Kolumbien und in Chile, wo wir gerade angefangen haben. Und dann schauen wir uns derzeit auch andere Regionen an. Die neue Marke Cupra öffnet uns hier jetzt einige Türen, die für Seat allein bisher verschlossen waren.
Welche Rolle soll Seat im VW-Konzern spielen?
Wir sind die Eroberungsmarke für junge Kunden. Diese Rolle ist inzwischen viel deutlicher geworden. Unsere Kunden sind im Schnitt zehn Jahre jünger als bei Volkswagen. Und wir haben eine sehr hohe Eroberungsrate. Viele, die Seat kaufen, würden nicht unbedingt eine andere Marke des Konzerns kaufen. Damit sind wir die Eintrittsmarke für den gesamten Volkswagen-Konzern.
Cupra hatte bisher vor allem abgewandelte Seat-Modelle im Programm. Mit dem Formentor kommt jetzt der erste reine Cupra. Ist das der neue Trend oder gibt es auch künftig gemeinsame Modelle?
Sowohl als auch. Es gibt schon einige Modelle, die sich für beide Marken eignen. Das haben wir beim Ateca bewiesen, und in der Vergangenheit beim Leon. Aber es gibt auch Modelle, bei denen das nicht funktioniert. Wir würden nie eine Cupra Alhambra machen. Und Cupra Ibiza oder Cupra Arona geht technisch nicht. Das haben wir uns angeschaut, ließ sich aber nicht umsetzen.
Ihr Elektroauto el-Born sollte ursprünglich als Seat auf den Markt kommen, jetzt wird es ein Cupra. Warum?
Wir haben uns das schon gut überlegt und kamen zu der Überzeugung, dass das Fahrzeug eigentlich sehr gut zu Cupra passt. Wir haben das Fahrzeug dann noch einmal deutlich überarbeitet und weiterentwickelt, auch das Fahrwerk. Von der Performance her ist das ein echter Cupra. Und wir wollen zeigen, dass Elektrifizierung und Sportlichkeit gut zusammenpassen.
Was kommt als nächstes?
Woran wir weiter arbeiten ist unser Traumauto, der vollelektrische Cupra Tavascan. Wir arbeiten daran, dass dieser Traum Wirklichkeit wird. Ich glaube einfach, dass dieses Auto sehr wichtig ist für Cupra und damit auch für Seat. Was gut für Cupra ist, ist auch gut für Seat. Zusätzlich könnte ich mir noch ein kleines Elektroauto auf MEB-Basis unterhalb des el-Born vorstellen.
Den el-Born lassen Sie bei VW in Zwickau bauen. Planen Sie künftig auch eine eigene e-Auto-Produktion?
Wenn wir Richtung 2030 gucken, wie sich die Anteile der Elektrofahrzeuge entwickeln werden, wird das sicher notwendig werden. Wenn dann ein Drittel der Fahrzeuge elektrisch sein wird, müssen wir die auch selbst bauen. Um eine nachhaltige Zukunft zu haben, muss dann auch unser Werk in Martorell die Fähigkeit haben, Elektroautos zu bauen. Dieses Ziel wollen wir ab 2025 erreichen, sobald der Markt für Elektroautos gewachsen ist.
Und bis dahin?
Für die nächsten drei, vier Jahre haben wir genug zu tun mit dem Leon, dem Formentor und den Plug-in-Hybriden. Und gerade bei den Plug-in-Hybriden rechne ich damit, dass es nächstes Jahr einen regelrechten Boom geben wird. Mit unseren Plug-in-Hybriden von Leon und Tarraco sind wir da gut aufgestellt.
Cupra will beim Vertrieb auf ein Agenturmodell umstellen. Was ist der Grund?
Wir haben hier die Chance, mit der Marke Cupra neue Wege zu gehen. Und einer der neuen Wege soll im Vertriebsnetz sein: Wie vertreiben wir die Autos, über welche Händler, online, digital. Dafür ist das Agenturmodell sehr hilfreich. Ich halte das für sehr sinnvoll. Wir glauben, das ist in unserem Sinne als Hersteller, aber auch im Sinne des Handels.
Wann geht es los?
Wir wollen mit der Einführung des Cupra el-Born auf das neue Agenturmodell umstellen. Dann aber für die gesamte Marke, nicht nur für den el-Born. Und nicht nur in Deutschland. Das ist die Strategie für ganz Europa.
Wieso gerade jetzt?
So eine Umstellung kann nur mit einem Neubeginn gelingen. Und ein solcher Neubeginn ist für uns jetzt gegeben, weil Cupra noch neu ist. Die Marke gibt es erst seit zwei Jahren, das Volumen ist noch nicht explodiert, jetzt kommen wir mit dem Formentor und dem el-Born. Das ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt. Wenn wir das jetzt nicht machen, wann dann?
Und bis dahin?
Die Händler wissen schon Bescheid und können sich drauf einstellen. Mit der Einführung des Formentor haben wir bereits die Verträge mit den Händlern getrennt. Die haben jetzt zwei Verträge, einen für Seat und einen für Cupra. Im Cupra-Vertrag ist bereits verankert, dass wir dann auf ein Agenturmodell umstellen wollen. Da wird es dann keine Überraschungen geben. Wir haben von Anfang an gesagt, das sind zwei Marken auch mit verschiedenen Vertriebswegen, die zur jeweiligen Marke passen. Das setzen wir jetzt um.
Werden Sie das auch bei Seat einführen?
Bei einer bestehenden Marke umzustellen, halte ich für schwierig. Das ist ja eine Riesenveränderung und man muss sich das gut überlegen, auch wegen der Liquidität und der Lagerkapazitäten für die Neuwagen. Bei der neuen MarkeCupra ist das einfacher, weil das noch ein überschaubares Volumen ist. Das ist der Vorteil – und es ist auch die Rolle vonCupra im Konzern, gezielt neue Wege zu gehen. Wir sind noch klein genug, um neue Dinge auszuprobieren. Dazu sind wir vom Konzern auch ausdrücklich ermuntert worden. Deshalb wollen wir das bei Cupra ausprobieren.
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