Herr Cai, Preh gehört seit 19 Jahren zur Ningbo Joyson Gruppe. Für beide Seiten ein Grund zum Feiern?
Ja, es ist ein Grund zum Feiern, denn es ist eine Wachstumsgeschichte, sowohl was die Arbeitsplätze als auch was den Umsatz betrifft. Preh hatte im Jahr vor der Übernahme mit 2420 Mitarbeitern einen Umsatz von 351 Millionen Euro erzielt. Jetzt haben wir demgegenüber zirka 7200 Mitarbeiter und haben als Teil der Joyson Gruppe unseren Umsatz im Jahr 2020 auf rund 1,2 Milliarden Euro erhöht. Preh ist globalisierter, und wir haben unsere Präsenz in China rasch aufgebaut. Vor der Übernahme war Preh sehr gut in Europa und Nordamerika positioniert, während Joyson in China gut positioniert war, aber nicht im Ausland. Preh hat Joyson also Zugang zu den Märkten in der EU und NAFTA eröffnet. In dieser Hinsicht war es eine klassische Win-Win Situation. Die Elektromobilität ist zweifellos der nächste große Wachstumsmarkt. Hier haben wir schon frühzeitig stark investiert. Das zahlt sich bereits heute aus, denn wir haben sehr erfolgreiche Serienprodukte im Markt für E-Mobilität.
Sie gehören schon seit 2011 zur Geschäftsführung von Preh. Stehen Sie nun für Kontinuität oder für einen Wandel?
Für mich ist das kein Gegensatz, insbesondere was das Geschäft betrifft, denn beides interagiert stets miteinander! Wenn wir uns an die hundertjährige Geschichte von Preh erinnern, so war der Wandel stets die Hauptmelodie. Wir haben im Geschäft mit Radiokomponenten begonnen und dann auf TV-Tuner Komponenten expandiert. Wir waren sogar auch einer der größten Spielzeughersteller in Deutschland. Seit den 1980er-Jahren sind wir dann in die Automobilindustrie eingestiegen. Das gleiche geschah mit unserer Eigentümer- und Management-Struktur. Vor 100 Jahren gründete Herr Preh das Unternehmen, und die Leitung durch die Familie blieb recht lange, bevor mit Rheinmetall ein professionelles Management-Team die Führung übernahm. Später war Preh im Besitz von privatem Beteiligungskapital, und jetzt gibt es einen chinesischen Eigentümer. Sie sehen also: Preh hat sich nie dem Wandel verschlossen, wenn er notwendig und gut für das Unternehmen war.
Nach dieser langen Geschichte von Preh ist doch eine sehr wichtige Sache immer noch die gleiche: die Unternehmenskultur. Es ist eine auf die Menschen orientierte Kultur, und man bemerkt auch noch heute etwas von dem familiären Arbeitsumfeld der Vergangenheit. Das genau möchte ich wieder weiterentwickeln. Denn ich glaube, ein Unternehmen zu führen bedeutet vor allem, mit einer großen Gruppe von Menschen zu interagieren. Es geht darum, sie zu motivieren verantwortlich zu sein. Es geht darum, die Menschen dazu zu bewegen, ihr Bestes zu geben. Das ist meine Antwort auf die Frage der Kontinuität.
Was den Wandel betrifft, so stelle ich mir ein Unternehmen vor, mit einer flachen Hierarchie, in dem unsere Mitarbeiter noch stärker involviert sind und die berufliche Entwicklung und das Training erhalten, die sie für den Fortschritt und den Wandel benötigen.
Welchen Umsatz hat Preh im vergangenen Jahr erreicht?
Trotz der außergewöhnlichen Covid-19-Situation haben wir im vergangenen Jahr einen beachtlichen Umsatz von 1,194 Milliarden Euro erzielt, nach 1,281 Milliarden Euro im Jahr 2019.
Hat das Unternehmen im vergangenen Jahr noch Geld verdient?
Wir sind wie viele Unterthemen in unserer Branche im zweiten Quartal 2020 in die roten Zahlen gerutscht. Aber gegen Ende des Jahres haben wir uns stetig verbessert und als Preh Gruppe konnten wir für das Jahr insgesamt ein positives Ergebnis erzielen. Mit einem Ebitda von 127 Millionen Euro und einer Ebitda-Marge von 10,7 Prozent lagen wir natürlich deutlich unter unserem ursprünglichen Plan, aber der insgesamt positive Cashflow und das letztlich positive Ebitda sind sehr befriedigend.
Welche Entwicklungen erwarten Sie für das laufende Geschäftsjahr?
Dieses Jahr begann recht gut, denn die Ergebnisse für das erste Quartal lagen über unserem Plan. Doch im Vergleich zum vergangenen Jahr, das schwer von Covid-19 beeinträchtigt wurde, ist 2021 noch immer ein sehr schwieriges Jahr. Erstens gibt es noch kein Anzeichen für eine Milderung der Covid-19 Pandemie. Auch die außerordentlichen Schwierigkeiten bei der globalen Allokation von Halbleitern haben sehr negative Folgen. Die Kapazitätsprobleme mancher Lieferanten von Halbleitern werden sogar bis zum ersten Quartal 2022 nicht behoben sein. Beträchtliche zusätzliche Kosten entstehen durch die Frachtpreise, erhöhte Preise für Komponenten und das kurzfristige Re-Design von Halbleitern. Außerdem haben wir ein nie dagewesenes hohes Risiko einer Produktionsunterbrechung, wenn Halbleiter nicht rechtzeitig geliefert werden. Wir beobachten das auf täglicher Basis, und täglich entstehen neue Probleme – wie durch den blockierten Suez-Kanal und das jüngste Feuer in einer Chipfabrik von Renesas.
Wir werden 2021 intern unsere Konzentration auf die Kostenreduzierung und Kostenkontrolle legen. Falls sich die Situation verschlimmert, werden wir die erforderlichen Anpassungen vornehmen müssen, um finanzielle Verluste zu minimieren. Auf der anderen Seite beteiligen wir uns an vielen Ausschreibungen für neue Projekte, um zusätzliches Geschäft zu generieren und weiter zu wachsen. Wir hoffen, dass das Geschäft die Verluste des ersten Halbjahres in den letzten beiden Quartalen wieder aufholt, wie das auch 2020 der Fall war.
Was sind derzeit die größten Baustellen im Unternehmen?
Preh hat ein sehr solides und engagiertes Team im mittleren Management, das das Unternehmen führt. Sie sind das Rückgrat von Preh. Mit ihnen werden wir die verschiedenen Herausforderungen meistern. Wir wuchsen in den vergangenen zehn Jahren sehr rasch von einem Unternehmen mit 300 Millionen Euro zu einem mit 1,3 Milliarden Euro Umsatz und jetzt wollen in den nächsten vier bis fünf Jahren zwei Milliarden Euro erreichen. Das ist also ein historisch kritischer Zeitpunkt für das Unternehmen.
Wir müssen uns in vieler Hinsicht verändern, um uns an diese sich rasch wandelnde Zeit anzupassen, damit wir wettbewerbsfähig bleiben. Wir werden die sogenannte Kultur des vollständigen Mitwirkens Total Involvement Kultur voranbringen. Wir werden noch mehr Ressourcen in die Entwicklung unserer Mitarbeiter mit den neusten Fähigkeiten und Kenntnissen investieren. Außerdem werden wir weiterhin das Denken in Kostenorientierung und Effizienz fördern, um an erster Stelle auf Qualität zu setzen, internationaler zu werden und noch digitalisierter und standardisierter in unseren täglichen internen Prozessen.
Was unternehmen Sie, um die Kostensituation von Preh zu verbessern?
Wir haben ein transparenteres und strengeres System für die Kostenkontrolle und -genehmigung bei Preh eingeführt. Auch eine Reihe von Kostensenkungsprojekten wird in vielen Bereichen kontinuierlich durchgeführt. Das hat uns schon bemerkenswerte Ergebnisse gebracht. Was die CAPEX-Investitionen betrifft, arbeiten unser Production Engineering und das gesamte R&D-Team an neuen Konzepten auf Grundlage der Modularisierung, der Skalierbarkeit, der Einfachheit und der Wiederverwendbarkeit. Das ist wichtig, um die Entwicklung zu beschleunigen und die Kosten deutlich zu reduzieren, darunter auch die für Betrieb und Wartung. Entsprechend unserem raschen Wachstum werden wir in den kosteneffizienten Ländern das Verhältnis von R&D an Auslandsstandorten und der funktionalen Mitarbeiter am Stammsitz erhöhen. Das wird auch zu einem besseren Kostenniveau beitragen.
Ein weiterer wichtiger Punkt was die Kostenreduzierung betrifft, ist die stetige Verbesserung der operativen Leistung und die Eliminierung von Verschwendung in allen Bereichen.
Worauf wollen Sie Ihre Schwerpunkte bei den Investitionen legen?
Wir konzentrieren unsere Investitionen auf das wachsende E-Mobilitätsgeschäft, grundsätzlich auf Innovation, denn das ist unsere USP und intern auf die Digitalisierung der Prozesse, für mehr Effizienz.
Planen Sie Verlagerungen oder müssen Sie Standorte schließen?
Nein, da gibt es keine spezifischen Pläne. Wir werden alle Standorte beibehalten. Unsere Betriebe in Deutschland, Portugal, Rumänien, Schweden, Mexico, den USA und China geben uns eine sehr gute Mischung, um unseren OEM-Kunden nahe zu sein und gleichzeitig die Anforderungen globaler Plattformen zu erfüllen.
Preh hat in Bad Neustadt eine Betriebsvereinbarung gekündigt. Wie geht es dort weiter?
Die in der bisherigen Standortsicherungsvereinbarung verankerten Themen waren nicht mehr alle aktuell. Über die Themen, die aktuell sind, sind wir weiterhin in offenen Gesprächen mit dem Betriebsrat. Ergebnisse bleiben abzuwarten.
Ist jetzt die Zeit für Zukäufe? Und, wenn ja, in welchen Bereichen?
Hier ist derzeit nichts geplant, denn wir wollen uns aktuell auf unsere internen Veränderungen konzentrieren.
Denken Sie über eine Bereinigung Ihres Portfolios nach?
Nein, denn ich denke unser Produktportfolio ist gut aufgestellt: Car HMI, Commercial Vehicle HMI und E-Mobilität. Das sind alles sehr interessante Geschäftsfelder, in denen wir viele Jahre Erfahrung und eine hohe Erfolgsbilanz bei der Innovation haben.
Wie stark sind Sie von Chipmangel betroffen?
Um die Worte eines meiner Kollegen im Management-Team zu verwenden: Es ist die größte Katastrophe der letzten 30 Jahre im Supply-Chain-Management der Automobilindustrie! Die Auswirkungen sind gigantisch, fast alle Halbleiterlieferanten sind betroffen, und alle OEM-Hersteller kämpfen schon seit Wochen und Monaten mit dem Mangel an Chips. Global gesehen sprechen wir von einer Fahrzeuganzahl in Millionenhöhe, die höchstwahrscheinlich dieses Jahr nicht produziert werden kann.
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