Herr Sandrin, vor welchen Herausforderungen steht die Branche der Entwicklungsdienstleister?
Entwicklungsdienstleister müssen sich als technologieorientierte End-to-End-Kooperationspartner für die großen Kunden positionieren. Komplettpaket und Gesamtverantwortung sind wichtige Schlagwörter.
Welche Veränderungen bringt das mit sich?
Bei Akka geht es zwar weiterhin um die Gesamtfahrzeugentwicklung, aber es gibt ein zweites Thema, in dem viel Bewegung ist: die Digitalisierung. Und nicht zu vergessen das autonome Fahren, das an Bedeutung gewinnt und bei dem wir uns führend sehen. Entwicklungsdienstleister haben gute Perspektiven im Zusammenspiel von IT, dem Fahrzeug und später auch den angebotenen Services.
Können Sie uns ein Beispiel für solche Services nennen?
Etwa das Auto durch einen Parkhauspiloten in der Tiefgarage selbst einparken zu lassen. Wir sorgen für die Kommunikation zwischen der App auf dem Smartphone, dem Parkhaus und dem Fahrzeug. Damit wir dem Kunden, etwa einem Fahrzeughersteller, eine Gesamtlösung anbieten können, müssen wir das Gesamtsystem verstehen und auf der Entwicklungsseite abwickeln können. Das beinhaltet auch, dass wir uns um die Schnittstelle zwischen dem Auto und dem Endkunden kümmern. Das ist neu, beziehungsweise strategisch, für uns als Entwicklungsdienstleister.
Welche Auswirkungen haben für Sie die Diesel-Problematik und der Abgasskandal?
Die Branche muss sich mit Angeboten sowohl auf der Entwicklungs- wie auch auf der Testing-Seite positionieren. Das ist eine große Herausforderung. Vor fünf Jahren war der Aufwand, den wir dafür betreiben müssen, noch nicht absehbar. Früher hätte der Fahrzeughersteller bei uns Entwicklungsaufgaben erledigen lassen und die Test- und Prüfaufgaben an spezialisierte Unternehmen vergeben. Jetzt wird da ein größerer Bogen gespannt.
Was stellt Sie vor die größere Herausforderung: eine größere Komplexität bei den Entwicklungsumfängen oder aber eine höhere Entwicklungsgeschwindigkeit?
Beides. Weil die Fahrzeughersteller selbst ihre Entwicklungsgeschwindigkeit erhöht haben, müssen wir uns dem anpassen. Aber das ist für uns kein Problem, da wir schon immer weniger Zeit zum Entwickeln hatten als unsere Kunden. Eine größere Herausforderung ist das Thema Komplexität.
Weshalb?
Engineering-Dienstleister hatten vor fünf oder acht Jahren noch stärker die Rolle eines Anbieters von Entwicklungskapazitäten, um Schwankungen oder Bedarfsspitzen bei Fahrzeugherstellern zu kompensieren. Jetzt sind wir viel stärker als Engineering-Partner gefordert und werden auch als solcher von unseren Kunden wahrgenommen. Das ist eine deutliche Wandlung.
Haben da kleinere Anbieter überhaupt noch eine Chance?
Es gibt sicherlich noch gefragte Nischenanbieter. Aber der Trend geht zu großen Paketen. Die Kunden wollen große Partner haben, die sich dann auch um die Koordination kleinerer Unternehmen kümmern müssen. Das ist jetzt zwar noch nicht zu 100 Prozent der Fall, aber das ist ganz klar die Richtung. Das Stichwort lautet: One face to the customer.
Haben Sie das auch bei AKKA gespürt?
Ja, unsere Gruppe war bislang mit vier Marken unterwegs. Unsere Kunden sind auch der Meinung, dass sie effizienter mit einem einzigen Ansprechpartner zusammen arbeiten.
Müssen Entwicklungsdienstleister wie deren Kunden weltweit präsent sein?
Unser Anspruch ist jedenfalls, unsere Kunden international zu begleiten. Wir bekommen beispielsweise hier in Deutschland nicht die Menge an Ingenieuren, die wir benötigen. Deshalb haben wir in der Schweiz eine Akademie mit einem Recruiting- und Schulungsprogramm, damit wir dort Ingenieure unter anderem für Deutschland trainieren können. Kompetenzzentren unterhalten wir auch in der Tschechischen Republik, in Rumänien und in China.
Erwächst Ihnen auch Wettbewerb in China und Indien?
Ich glaube, dass dieser Wettbewerb nicht ignoriert werden sollte. Aber solange wir uns als AKKA über Technologiethemen positionieren, erwarten wir kaum Wettbewerb von diesen ausländischen Firmen.
Welche Strategie verfolgt AKKA in Deutschland?
Deutschland ist unser Gruppen-Kompetenzzentrum im Bereich Automotive. Wir haben in der Vergangenheit hier stark investiert, weil wir eine lokale Betreuung gewährleisten wollen. Zudem unterhalten wir in Deutschland mit Daimler und Audi zwei Joint Ventures. Wir sind die Einzigen in der Branche die so etwas haben. Frankreich ist wiederum unser Kompetenzcenter im Bereich Luft- und Raumfahrt. Je nach Berechnung sehen wir uns weltweit unter den Top 3 bis Top 5-Anbietern unter den Entwicklungsdienstleistern.
Und Ihr Ziel?
Wir wollen an die erste Position. Bis zum Jahr 2022 wollen wir unsere Unternehmensgröße in etwa verdoppeln.
Soll das Wachstum organisch erreicht werden oder durch Akquisitionen?
Das möchte ich offenlassen.
Wird Ihr Wachstum getrieben durch Verdrängung oder nimmt das Auftragsvolumen in der Branche insgesamt zu?
Beides. Auf jeden Fall gewinnen wir auch Marktanteile. Bei Themen wie Fahrwerkssysteme, autonomes Fahren oder Konnektivität sehen wir uns in einer Führungsposition, da werden wir unsere Stellung weiter ausbauen. Aber wir wollen auch nicht auf allen Gebieten wachsen, sondern unsere Kompetenzen gezielt einsetzen.
Aber sind Sie als Partner für große Auftragspakete der Kunden nicht verpflichtet alle Kompetenzen im Haus zu haben?
Schon, doch wir setzen natürlich Investitionsschwerpunkte. Und diese kommunizieren wir auch gegenüber unseren Kunden. Digitalisierung, Konnektivität, Fahrerassistenzsysteme und Elektromobilität sind ganz klar unsere Treiber. Und wir müssen zunehmend in Software investieren. Sei es im Bereich Embedded Software, bei Software-Applikationen oder in die IT-Infrastruktur.
Welche Rolle spielen bei Ihnen Automobilzulieferer als Kunden?
Wir wollen im Bereich Zulieferer weiter wachsen. Die großen Systemlieferanten sind in einer ähnlichen Lage wie wir. Sie übernehmen von den Fahrzeugherstellern immer größere Pakete und Gesamtverantwortung. Davon werden auch wir profitieren.
Wie viele Mitarbeiter suchen Sie 2018 für Deutschland, um das geplante Wachstum zu stemmen?
2000. Rund 1500 davon sind zusätzliche Stellen, 500 gehen auf das Konto der branchenüblichen Fluktuation. Innerhalb der Gruppe suchen wir insgesamt 6000 neue Mitarbeiter für dieses Jahr.
Welche Art von Spezialisten suchen Sie im Automotivebereich?
Software-Entwickler, Testing-Spezialisten und Experten im Bereich funktionale Sicherheit. Also Leute mit einer Expertise die wir benötigen, um die großen Pakete abwickeln zu können.
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