Dass auch bei den Nutzfahrzeugen alles auf den Elektroantrieb hinausläuft, daran gibt es unter den großen Playern kaum einen Zweifel. Doch wie die Übergangsphase aussieht, da gehen die Vorstellungen weit auseinander. Eine klimafreundliche Möglichkeit ist der Gasantrieb (LNG). Doch Martin Daum, Chef von Daimlers Truckgeschäft, hält davon wenig. Auf der CES in Las Vegas erkläre er, man könne einen fossilen Brennstoff nicht einfach durch einen anderen ersetzen. Bei der VW-Marke Scania, die mittlerweile unter dem Dach der jungen VW-Tochter Traton firmiert, schätzt man die Lage anders ein, wie Scania-Chef Henrik Henriksson im Automobilwoche-Interview erklärt.
Herr Henriksson, Traton investiert mit Scania stark in den Gasantrieb, Daimler setzt stattdessen vor allem auf Elektro-Lkw. Wird Scania auch in den kommenden Jahren in die Weiterentwicklung des Gasantriebs investieren, obwohl das Tankstellennetz für die Stromer immer besser wird?
Die Antwort ist: ja. Die Zukunft wird zwar elektrisch sein, aber es wird noch eine ganze Weile dauern, bis die Unternehmen in großem Stil diese Fahrzeuge kaufen. Es muss sich für sie finanziell lohnen. Und wir brauchen die entsprechende Infrastruktur und sauberen Strom dazu. Auch sind heutige Batterien noch nicht sehr nachhaltig - weder die Produktion, das Laden, noch die Entsorgung. Statt aber kurz- und mittelfristig weiterhin rein fossile Brennstoffe einzusetzen, setzen wir in den nächsten Jahren stark auf Gas und Biokraftstoffe. Ich bin sicher: bis E-Antriebe komplett nachhaltig sind, werden Gas, Biokraftstoffe oder hocheffiziente Diesel- und Hybridantriebe die wichtigste Rolle spielen.
Also sind Gas und Biokraftstoffe eher Übergangstechnologien?
Sie sind eminent wichtig, wenn wir die Pariser Klimaschutzziele erreichen und den CO2-Ausstoß deutlich senken wollen. Denn sie wirken sofort! Wir können nicht warten, bis in vielleicht zehn Jahren sich der E-Antrieb etwa auf der Langstrecke durchsetzt.
Rechnen Sie in Deutschland mit einem deutlichen Nachfragerückgang bei Nutzfahrzeugen mit Gasantrieb, also CNG und LNG, wenn Ende 2020 deren Mautbefreiung ausläuft?
Zunächst einmal begrüße ich die Mautbefreiung für CNG- und LNG-Fahrzeuge. Für Spediteure wird diese nachhaltige Option so noch attraktiver. Nachhaltig darum, weil die Fahrzeuge gegenüber einem vergleichbaren Diesel-Lkw bis zu 15 Prozent weniger CO2 ausstoßen. Auch über eine Maut-Befreiung hinaus sehen wir großes Potential für Gas, vor allem im Fernverkehr. Darum sind wir bei Scania zum Beispiel auch Teil eines Konsortiums, das die groß angelegte Markteinführung von gasbetriebenen Lkw in Europa vorantreibt und die Bereitstellung der entsprechenden Infrastruktur unterstützt.
Welche Verteilung bei den Nutzfahrzeugen der Traton-Marken mit alternativen Antrieben erwarten Sie für das Jahr 2020 mit Blick auf den Gasantrieb, Hybrid-Lkw und rein batteriebetriebene Fahrzeuge?
Insgesamt wurden bei den Traton-Marken allein in 2017 in Summe bereits mehr als 6000 Fahrzeuge mit alternativen Antrieben verkauft – das wird natürlich weiter zunehmen: Scania hat letztes Jahr auf der IAA seinen neuen Plug-in Hybrid vorgestellt. In Österreich prüfen gerade Kunden wie Rewe oder Metro E-Trucks von MAN auf Herz und Nieren. Und Volkswagen Caminhőes e Ônibus in Brasilien hat sich den weltgrößten Auftrag für E-Lkw überhaupt gesichert – 1600 Stück sollen in einigen Jahren insgesamt für den brasilianischen Braugiganten Ambev rollen. Hier ist im wahrsten Sinne sehr viel Bewegung drin.
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