Bentley wird 2030 zur Elektromarke. Der Zwölfzylindermotor W12 könnte sogar schon vorher verschwinden. Das sagt Vorstandschef Adrian Hallmark im Automobilwoche-Interview. Eine engere Anbindung an Audi, die nach Informationen der Automobilwoche 2021 geplant ist, sieht er gelassen. "Wir sehen das sehr positiv, in welche Richtung auch immer es gehen wird."
Herr Hallmark, 2019 war ein richtig gutes Jahr für Bentley und Sie waren mehr als zuversichtlich für 2020. Wie lief es in diesem Jahr bisher?
Das war bei uns wie bei allen die reinste Achterbahnfahrt. Das erste Quartal war das beste in der einhundertjährigen Geschichte des Unternehmens, trotz der ersten Auswirkungen von Covid-19 ab Mitte März. Das zweite Quartal war dann auch ein Rekord, aber ein Rekordverlust. Im dritten Quartal erholte es sich dann deutlich. Und wenn wir uns den Rest des Jahres anschauen, sind wir in recht guter Verfassung.
Werden Sie 2020 erneut schwarze Zahlen schaffen?
Ende Oktober sah es richtig gut aus. Und wir können es immer noch schaffen. Sicher ist das aber nicht. Alles hängt jetzt davon ab, wie es mit dem zweiten Lockdown ab November weitergeht und wie wir es schaffen, die Autos, die wir auf Lager haben, auch auszuliefern. Aber ich bin mir sicher: Wir sind weiterhin auf einem guten Weg, um im Gesamtjahr in die Gewinnzone zu kommen, trotz des hohen Verlusts im ersten Halbjahr und eines katastrophalen zweiten Quartals. Wenn alles nach Plan läuft, sollten wir den Verlust aus dem ersten Halbjahr aufholen, allerdings hängt das entscheidend von einer störungsfreien Produktion und Logistik bis Ende des Jahres ab.
Und 2021? Es zeichnet sich ja immer deutlicher ab, dass es Ende 2020 wohl doch zu einem harten Brexit kommen wird.
Es ist klar, dass ein harter Brexit uns treffen würde. Viele Komponenten, die wir in unserem Werk in Crewe verwenden, die Hälfte unserer Autos, kaufen wir in der EU ein. Und Europa ist für uns auch ein wichtiger Absatzmarkt. Wenn es hier zu Verzögerungen an der Grenze kommt oder zu Zöllen, dann werden wir das deutlich zu spüren bekommen.
Wie bereiten Sie sich darauf vor?
Wir haben schon frühzeitig begonnen, unsere Lagerbestände zu erweitern. Wir horten wie ein Eichhörnchen vorm Winter. Früher hatten wir gerade einmal Teile für zwei Tage am Lager, jetzt haben wir das auf fünf bis zehn Tage ausgeweitet. Das bindet eine Menge Liquidität, weil wir mehr Teile am Lager vorhalten, und kostet uns viel Geld. Aber es ist allemal günstiger, als wenn wir die Produktion stoppen. Das wichtigste ist, dass wir die Produktion am Laufen halten. Wir haben die Lager aufgefüllt, damit wir auch, wenn wir wegen des Brexits Probleme mit dem Nachschub bekommen, zwei Wochen weiter produzieren können, ohne die Fabrik zu stoppen.
Wäre es da nicht eine Option, die Produktion in die EU zu verlagern, etwa nach Deutschland?
Nein. Dazu sind unsere Modelle viel zu unterschiedlich von denen der anderen Konzernmarken. Unser Taktzyklus hier in Crewe ist dreimal so lang wie etwa beim Porsche Panamera in Leipzig. Nicht, weil wir faul oder langsam wären, sondern weil der gesamte Produktionsprozess bei uns anders aufgestellt ist. Bentley Motors fährt eine auf niedrige Volumen ausgelegte Produktion mit viel Handarbeit. Wenn wir dieselben Fahrzeuge jetzt bei Porsche in Leipzig bauen lassen wollten, dann würde die Kapazität dort sofort um zwei Drittel sinken. Und eine neue Fabrik nur für uns zu bauen, würde sich nicht auszahlen. Das ist keine Option.
Sie haben gerade angekündigt, ab 2030 nur noch reine Elektroautos zu bauen. Sie wären dann die erste Marke im VW-Konzern, die komplett aus dem Verbrenner aussteigt. Wollten Sie unbedingt Erster sein?
Das haben wir nie so gesehen. Wir wollen zwar nie bei irgendetwas Letzter sein, aber wir hatten auch nicht den Plan, jetzt der erste zu sein. Wir haben uns einfach die Produktlebenszyklen unserer Modelle angesehen und wann der richtige Zeitpunkt ist, auf elektrische Antriebe umzustellen. Und dabei hat sich dann gezeigt, dass das bei uns zum Ende der Dekade perfekt funktioniert. Hinzu kam der klare Wunsch unserer Kunden nach elektrischen Fahrzeugen von Bentley.
Ist das nicht eine große Umstellung, nachdem Sie bisher noch gar keine Elektro-Modelle im Programm haben?
Es ist ein großer Schritt für uns, 2030 voll auf Elektro zu gehen. Ein 100 Jahre altes Unternehmen, das bekannt war für die besten Zwölfzylinder, die erfolgreichsten Zwölfzylinder der Welt, wird keine Motoren mehr bauen in weniger als einem Jahrzehnt. Und bereits ab 2026 wird alles, was wir anbieten, elektrifiziert sein. Entweder Plug-in-Hybride mit ordentlicher Reichweite oder batterieelektrisch. Das ist schon ein klares Signal, dass wir die Klimaziele ernst nehmen und hier unseren Beitrag leisten wollen.
Bis 2030 läuft der W12-Motor aber noch weiter?
Das kann ich noch nicht sagen. Ab 2026 bauen wir ja nur noch batterieelektrische Fahrzeuge und Plug-in-Hybride. Das ist dann der Zeitpunkt, an dem wir den W12 hybridisieren oder nicht. Ob wir das beim W12 dann umsetzen können, ist die große Frage. Das ist beim W12 kritisch. Der W12 ist der effizienteste Zwölfzylindermotor, der jemals produziert wurde, ein wahres Kunstwerk. Doch die Abgasnorm EU-7 wird sehr schwierig für den Zwölfzylinder. Das ist eine echte Herausforderung. Und EU-7 gilt ab 2025/26, und das ist genau der Zeitpunkt, wenn wir auf Hybrid umstellen. Das ist ein kritisches Timing für den Zwölfzylinder.
Ihr erstes Elektromodell soll 2025 kommen. Können Sie schon etwas Näheres verraten?
Es ist noch zu früh, um hier ins Detail zu gehen. Doch welches Modell auch immer es sein wird, sei es der Bentayga oder ein anderes Modell: Es wird ein echter Bentley, mit dem Status, der Größe und der Technik, die man von einem modernen Bentley erwartet. Und in einem angemessenen Preissegment.
Welche Plattform werden Sie nutzen? MEB, PPE, oder sogar Artemis?
Sicher nicht den MEB. Mehr können wir noch nicht sagen. Was uns aber wichtig ist: Die Plattform für unser erstes Elektrofahrzeug muss zukunftssicher sein bei autonomem Fahren, bei der Connectivity und bei den elektrischen Fähigkeiten. Wir müssen in der Lage sein, auch rein elektrisch absolute Spitzenprodukte zu liefern im Luxussegment. Für uns ist es daher ideal, dass wir beim Entwicklungsprozess jetzt von Beginn an dabei sind und die neue Architektur mit definieren können, und nicht nur Nutzer werden von etwas, das teilweise schon entwickelt wurde. Das ist ein großer Schritt für uns, um die Synergien im Konzern zu verstärken.
Haben Sie eigentlich schon mit Audi-Chef Markus Duesmann über ihre künftige Rolle in der Audi-Familie gesprochen?
Überhaupt nicht! (lacht)
Sie reden nicht mit Herrn Duesmann? Oder nur nicht über dieses Thema?
Ich spreche oft mit Herrn Duesmann, und auch mit Herrn Dr. Diess. Aber ich werde jetzt nichts zum Inhalt sagen. Das ist eine interne Angelegenheit. Und das ist auch gar kein Problem für Bentley. Das ist für uns eine Chance. Bisher haben wir ja zwei Partner: Porsche und Audi. Und je nachdem, wie sich nun die neue PPE-Architektur von Porsche und Audi entwickelt und wer hier die Führung übernehmen wird, könnte es sinnvoll sein, sich dem einen oder dem anderen Partner stärker anzunähern. Das ist für uns keine strategische Entscheidung, das ist eine pragmatische Lösung, um innerhalb der Gruppe Synergien zu finden. Das ist eine sehr offene Diskussion. Und wir sehen das sehr positiv, in welche Richtung auch immer es gehen wird.
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