Daimlers Luxussegment rechnet für das laufende Jahr mit einem Verkaufsrekord. "Die Nachfrage nach AMG ist ungebrochen hoch, daher werden wir 2021 voraussichtlich sogar mehr Autos verkaufen als im Rekordjahr 2019. Das zeigt, dass wir auf Kurs sind. Auch die G-Klasse und Maybach laufen sehr gut", sagte AMG-Chef Philipp Schiemer im Interview mit der Automobilwoche. Im Jahr 2019 hatte AMG 132.136 Einheiten abgesetzt und damit einen Verkaufsrekord erzielt.
Traditionell verzeichnet das Luxussegment von Daimler mit Maybach, AMG und der G-Klasse besonders in den USA eine starke Nachfrage. "Gerade AMG und die G-Klasse genießen hier seit vielen Jahren Kultstatus. Aber durch das SUV GLS sehen wir ein Wachstum beispielsweise auch für Maybach und hoffen, dass dies einen weiteren Schub für die gesamte Marke geben wird. China liegt noch dahinter an zweiter Stelle", sagte Schiemer und verwies zudem auf Russland, "wo Sportwagen einen hohen Stellenwert haben."
Schiemer ist zudem offen für eine verstärkte Kooperation mit dem britischen Kultlabel Aston Martin: "Wenn es Möglichkeiten für Synergien gibt und wir Aston Martin in Zukunft auch mit weiteren Antriebskomponenten beliefern können, sind wir dafür offen." Denkbar sei es, ab 2025 die komplette Elektroplattform AMG.EA zu teilen: Wenn Interesse besteht, haben wir auch hierfür ein offenes Ohr – auch Aston Martin gegenüber."
Herr Schiemer, wozu war die Gründung einer Luxusgruppe bei Mercedes notwendig?
Begonnen hat das Thema mit der neuen Luxus-Strategie, die das Unternehmen im Herbst 2020 vorgestellt hat. Mit Maybach, AMG und G-Klasse haben wir drei Juwelen im Portfolio. Das waren bisher unabhängige Organisationseinheiten. Die wollten wir unter eine Führung bringen. Dabei geht es nicht darum, die Marken zu verschmelzen. Lediglich die Kundengruppen, die sich in ihren Ansprüchen ähneln, sollen einheitlich behandelt werden.
Wie weit sind Sie da?
Wir haben die unterschiedlichen Ausrichtungen vereinheitlicht. Unser besonderes Augenmerk gilt dabei der Marke Maybach, bei der wir noch ein großes Wachstumspotenzial sehen. AMG ist schon sehr gut positioniert, hier wollen wir die Wandlung der Motorenschmiede zur Elektroschmiede begleiten. Das geht nur, wenn wir die Kunden auf diese Reise mitnehmen. Auch bei der G-Klasse ist die Elektrifizierung eine große Herausforderung. Da sind wir nun gemeinsam unterwegs.
Gibt es eine einheitliche Vermarktung?
Nein, vor Kunde bleiben die Marken sehr eigenständig. Die Luxusgruppe ist eine interne Organisationsstruktur. Wir schauen aber, wie wir etwa das Konzept unserer sehr erfolgreichen Performance-Center bei AMG auf Maybach übertragen können. In China bauen wir analog die ersten Markenshops auf, in denen es speziell geschulte Verkäufer gibt. Für die G-Klasse gibt es in Graz ein tolles Erlebniszentrum. Warum sollten wir das nicht auch nach China übertragen? Bei solchen Themen wollen wir angreifen.
2019 haben Sie mit AMG rund 132.000 Einheiten einen Rekord erzielt. Wie läuft es in diesem Jahr?
Es war wegen der Chipkrise kein leichtes Jahr. Vor allem in Europa war Stagnation, da hier die Autos näher an der Produktion sind und die Versorgung zum Teil schwierig war. In anderen Teilen der Welt konnten wir vom Bestand zehren. Die Nachfrage nach AMG ist ungebrochen hoch, daher werden wir 2021 voraussichtlich sogar mehr Autos verkaufen als im Rekordjahr 2019. Das zeigt, dass wir auf Kurs sind. Auch die G-Klasse und Maybach laufen sehr gut.
Ist das nur China geschuldet?
China ist natürlich für Maybach ein sehr wichtiger Markt. Aber für die Sportwagen von AMG gilt das noch nicht in gleichem Maß. Deshalb haben wir versucht, das Markenerlebnis zu verbessern etwa mit den Performance-Centern oder dem Erlebniszentrum in Schanghai, wo auch eine Rennstrecke für die Kunden zur Verfügung steht. Das fängt jetzt an zu tragen. Vor allem die sportliche Auslegung, das Besondere, ist den chinesischen Kunden wichtig. Dagegen muss es nicht unbedingt ein Achtzylinder sein.
Welches sind die wichtigsten Märkte für die Luxusstrategie?
Wenn man alle drei Marken zusammennimmt, sind das immer noch die USA. Gerade AMG und die G-Klasse genießen hier seit vielen Jahren Kultstatus. Aber durch das SUV GLS sehen wir ein Wachstum beispielsweise auch für Maybach und hoffen, dass dies einen weiteren Schub für die gesamte Marke gibt. China liegt noch dahinter an zweiter Stelle.
Und dann?
Auch Deutschland ist nach wie vor ein starker Markt für AMG, aber mit gewissem Abstand zu USA und China. Dann haben wir noch Russland, wo Sportwagen einen hohen Stellenwert haben. Das gilt nach wie vor für das motorsportbegeisterte Großbritannien, auch wenn der Brexit hier eine gewisse Delle hinterlassen hat.
Wird es nächstes Jahr wieder eine Bestmarke?
Wir wollen beim Thema Luxus bewusst keine Verkaufsziele mehr setzen. Wir wollen die Fahrzeuge individualisieren und die Kunden dazu animieren, noch ein wenig mehr Geld auszugeben, weil wir ihnen was Besonderes anbieten. Das zählt mehr als Stückzahlen. Wir wollen auch eine Wertstabilität erreichen. Die schafft man nicht über Volumen, sondern über ein exklusives Profil im Markt.
Erstmals hat AMG für den Mercedes SL die Verantwortung übernommen. Braucht es so ein Auto noch?
Der SL ist eine Ikone in der Geschichte der Marke. Jeder kennt dieses Auto und verbindet etwas mit ihm. Wir sind uns sicher, dass der SL ein großes Potenzial hat, wenn wir wie jetzt bei Design und Fahrausprägung zurück an die sportlichen Ursprünge gehen. Die ersten Reaktionen sind sehr positiv. Das wird auch AMG nochmals ein Stück voranbringen, weil der SL ideal zu unserer Idee des progressiven Luxus passt.
Wie schwierig war die Entwicklung?
AMG hat sich in der Vergangenheit vom Veredler zu einer eigenständigen Sportwagenmarke entwickelt. Der SL ist daher ein absoluter Meilenstein, weil er beweist, dass AMG Fahrzeuge auch für ein breiteres Publikum entwickeln kann. Trotzdem war es eine große Herausforderung, denn wir mussten ihn nicht nur sportlich auslegen, sondern eben auch komfortabel. Das ist uns gelungen.
Sie haben eine langjährige Partnerschaft mit Aston Martin. Wie weit soll die in Zukunft gehen?
Aston Martin nutzt seit Jahren unsere Motoren. Natürlich sind wir darüber hinaus in Gesprächen. Klar ist, dass AMG an erster Stelle steht. Aber wenn es Möglichkeiten für Synergien gibt und wir Aston Martin in Zukunft auch mit weiteren Antriebskomponenten beliefern können, sind wir dafür offen.
Würden Sie auch die komplette AMG-Elektroplattform teilen?
So weit sind wir heute noch nicht. Bei unserer eigenen AMG.EA Plattform sprechen wir von 2025. Aber wenn Interesse besteht, haben wir auch hierfür ein offenes Ohr – auch Aston Martin gegenüber.
Wie schwierig ist es, bei einem rein elektrischen Fahrzeug wie dem EQS die AMG-Gene herauszuarbeiten?
Wir können natürlich an der Leistung und an der Beschleunigung etwas machen. Beim EQS 53 gilt das etwa für die wiederholte Abrufbarkeit dieser Leistung. Aber noch wichtiger sind das Handling und die Abstimmung des Fahrwerks. Da verfügen wir über eine große Erfahrung. Elektrofahrzeuge sind wegen der Batterien schwerer, da ist die Dynamik noch wichtiger. Auch bei der Aerodynamik können wir bei hohen Geschwindigkeiten noch mehr rausholen – in Sachen cW-Verbesserung und natürlich auch Abtriebsreduzierung.
Aber wollen AMG-Kunden nicht auch den Motor röhren lassen?
Der Sound ist in der Tat eine große Herausforderung. Aber es gelingt uns schon im EQS, über eine digitale Inszenierung Emotionen zu schaffen. Da lassen sich verschiedene Sound-Varianten zuschalten bis hin zur weiteren Inszenierung des Race-Starts. Der Hyperscreen bietet außerdem die Möglichkeit der speziellen Visualisierung. Wir sind zuversichtlich, dass die Kunden auf diese Weise den Weg der Transformation mit uns gehen. Die ersten Rückmeldungen zum EQS sind jedenfalls sehr positiv.
Ab 2025 wird es dann rein elektrisch. Wie viele Modelle sollen auf der neuen Plattform kommen?
Da muss ich noch um etwas Geduld bitten. Aber klar ist, dass verschiedene Aufbauformen denkbar sind, etwa vom SUV bis zur Sport-Limousine. Für diese Architektur mit 800-Volt-Bordnetz haben wir uns außerdem etwas Besonderes einfallen lassen, indem wir dafür Hochleistungsmotoren von Yasa integrieren.
Sind die Hybride, auf die Sie bisher setzen, dann ein Auslaufmodell?
Wir starten mit der E-Performance-Technologie aktuell beim AMG GT Viertürer. Da geht es weniger um die rein elektrische Reichweite als um die Leistung, die nochmals verbessert wird. Das wird die absolute Speerspitze. Ich bin mir sicher, dass dieser Antrieb ein Erfolg wird, und auch in anderen Modellen noch einige Jahre parallel zu BEV laufen kann.
Eine Herausforderung wird auch die G-Klasse. Wie weit sind Sie da?
Das Showcar auf der IAA in München war schon sehr realistisch. 2024 wollen wir damit auf den Markt kommen. Sie werden von der Geländegängigkeit überrascht sein, denn elektrisch lässt sich die Antriebskraft auf jedes Rad einzeln übertragen. Das gibt eine fantastische Performance.
Haben Sie inzwischen die ersten Exemplare des Project One ausgeliefert?
Nein, hier müssen wir die Kunden bis Mitte des nächsten Jahres um Geduld bitten. Das ist ein sehr, sehr komplexes Projekt, gerade im Zusammenspiel mit der Hybridtechnologie. Wir müssen das Fahrzeug so hinbekommen, dass es auf simplen Knopfdruck unter allen Bedingungen funktioniert und nicht, wie in der Formel 1, mehrere Ingenieure nötig sind, um es zu starten.Deshalb wollen wir lieber den Reifegrad noch weiter erhöhen und haben uns mehr Zeit gegeben. Corona hat natürlich auch nicht geholfen, weil wir lange Zeit nicht nach England zu den Formel-1-Kollegen reisen konnten.
Machen die Kunden das mit? Das Auto kostet ja viel Geld.
Wir haben sehr engen Kontakt mit den Kunden und kommunizieren hier sehr offen. Natürlich steht ihnen ein Rücktritt offen, aber bisher ist das noch nicht passiert. Wir werden eher angefeuert, das Thema nun schnell zu Ende zu bringen.
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