Herr Arleth, welchen Einfluss hat die E-Mobilität auf Ihr Dachgeschäft?
Zunächst einmal sind wir sehr froh, dass wir seit einigen Jahren die wachsende Nachfrage nach Lösungen für die Elektromobilität bedienen können und nach wie vor Marktführer bei den Dachsystemen sind. Insofern sehen wir, dass beide Geschäftsfelder gut nebeneinander bestehen können. Tatsächlich beobachten wir aber auch, dass Käufer von Elektrofahrzeugen häufig weniger Geld für Extras bei der Ausstattung ausgeben, etwa für öffenbare Dachsysteme. Da ist schon ein gewisser Druck zu spüren. Nichtsdestotrotz sehen wir, dass auch der Dachmarkt weiterwächst und wir dort noch Potenzial haben. Aktuell erleben wir bei einigen Fahrzeugherstellern einen Trend zu geschlossenen, transparenten Dachsystemen. In der Designsprache zukünftiger Fahrzeugmodelle gewinnt das Thema „Licht“ zunehmend an Bedeutung. Gleichzeitig zeigen aber auch viele Kundenstudien, dass Menschen, die ein Dachsystem extra in ihrem Fahrzeug ordern auch den Wunsch haben, dass es sich öffnen lässt.
Sie arbeiten seit einigen Jahren an Fahrzeugscheiben aus Polycarbonat. Es ist bei Webasto ruhig um das Thema geworden…
Hier hatten wir uns mehr erwartet. Bisher ist Gewichtseinsparung noch kein Faktor, für den ein OEM bereit ist, mehr zu bezahlen. Und Glas ist im Vergleich zu einer Lösung aus Polycarbonat nun mal sehr günstig und die Kosten werden sich auch nie ganz angleichen. Die optische Qualitätsanmutung einer Kunststoffscheibe ist die Gleiche wie die einer Glasscheibe. Aber bei einem Klopftest klingt eine Kunststoffscheibe halt anders. In Sachen Integration von Sensorik, zum Beispiel beim Autonomen Fahren, wird Polycarbonat wieder interessant.
Wie entwickelt sich das Geschäft mit Batteriesystemen?
Mit unseren individualisierten Batterien, die auf die jeweiligen Fahrzeughersteller zugeschnitten sind, haben wir in letzter Zeit einige schöne Aufträge gewinnen können. Im nächsten Jahr haben wir einen großen Serienstart mit dem südkoreanischen Hersteller Hyundai-Kia für batterieelektrische Fahrzeuge. Vor Ort in Korea entsteht aktuell das erste große Batteriewerk der Region nach dem Vorbild des Webasto Technologiewerks im bayerischen Schierling, um für den Kunden Batterien in sehr großer Stückzahl bauen zu können. Und wir beginnen damit, in China Antriebsbatterien für Hybridfahrzeuge speziell für den chinesischen Markt zu bauen.
Wer ist der Kunde?
Great Wall. Es macht uns stolz, dass wir einen Auftrag über eine Hybridbatterie auf dem chinesischen Markt bei einem dort in China ansässigen Fahrzeughersteller erringen konnten. Die Autos werden dort 2022 ausgeliefert. Solche Aufträge in sehr kostensensitiven Märkten wie China und Südkorea zu gewinnen und diese dort auch zu lokalisieren, macht uns sehr stolz. Ganz allgemein lässt sich festhalten, dass das Batteriegeschäft für Webasto sehr gut angelaufen ist und wir unseren globalen Footprint für das Batteriegeschäft immer weiter ausbauen. Wir produzieren seit 2019 Batterien für einen europäischen Bushersteller und beteiligen uns derzeit an Kundenausschreibungen auf der ganzen Welt.
Und wie sieht es mit den Standardbatterien aus?
Unser Standardbatterie-System ist vor allem für Hersteller von Nutzfahrzeugen attraktiv, die nicht so große Stückzahlen brauchen. Wir haben in den letzten Jahren beispielsweise Bagger, Offroad- und Agrar- aber auch Flughafenfahrzeuge elektrifiziert. Für Hersteller solcher Fahrzeuge ist die Entwicklung einer eigenen Batterie für einen hohen zwei- oder dreistelligen Millionenbetrag zu teuer. Mittlerweile zählen wir rund 25 internationale Kunden, die unsere Standardbatterie verbauen. Die Stückzahlen liegen jeweils im Bereich von einigen hundert oder tausend. Unser Angebot kommt am Markt gut an und wir haben deshalb bereits entschieden, eine nächste Generation zu entwickeln.
Sie hatten in der Vergangenheit kommuniziert, mit Batteriesystemen, Ladelösungen und elektrischen Heizern im Jahr 2025 rund eine Milliarde Euro Umsatz zu erzielen. Werden Sie ihr Ziel erreichen?
Davon gehe ich aus, das ist unser erklärtes Ziel. Wir haben im Bereich E-Mobilität bereits einen Auftragsbestand von knapp zwei Milliarden Euro. Jetzt zahlt sich aus, dass wir frühzeitig die Weichen in Richtung elektrischer Zukunft gestellt haben und unsere Teams aufgebaut haben, die nun sowohl bei Batterien wie auch bei unseren Chargingprodukten über Serienerfahrung verfügen.
Welche Rolle nehmen Sie beim autonomen Fahren ein?
Wir sehen uns in der Rolle des Systemintegrators, der die Komponenten für das autonome Fahren hauptsächlich in Form von Sensorik ins Dach integriert und der sich beispielsweise darum kümmert, dass die Komponenten mechanisch richtig angebunden sind und auf Wunsch vor dem Einbau kalibriert wurden. Webasto ist nicht auf der Software- oder Sensorseite aktiv. Dieses Feld überlassen wir den Fahrzeugherstellern und den First Tier.
Wie entwickelt sich das Geschäft mit klassischen Cabrio-Verdecksystemen?
Das Geschäft ist in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen und auch viele Hersteller verfolgen das Segment nicht mehr so stark. Ich glaube aber, dass es nach dem Umbruch in Richtung E-Mobilität und autonomes Fahren wieder zu einem Boom bei Cabrios kommen wird.
Was stimmt Sie optimistisch?
Es ist leichter, aus einem batterieelektrischen Fahrzeug ein Cabrio zu machen als aus einem Verbrenner, weil das E-Auto durch die Aufnahme der Batterien von vornherein eine steifere Bodengruppe hat. Das Dach lässt sich also einfacher herausnehmen. Cabrio-Varianten von E-Autos sind durchaus Thema in unseren Kundengesprächen. Bislang hat sich noch keiner der OEMs dazu entschlossen, eines zu beauftragen, aber ich bin zuversichtlich, dass es dazu kommt. Insbesondere die chinesischen Hersteller denken über Cabrio-Varianten ihrer E-Autos nach. Wenn erst einmal einer damit anfängt, werden die anderen sicherlich nachziehen.
Welchen Umsatz erwarten Sie für 2021?
Das lässt sich schwer prognostizieren. Wir hatten ein tolles erstes Quartal und die Hoffnung, dass wir die Coronakrise hinter uns lassen und auf ein stabiles Gesamtjahr zusteuern. Dann kam die Halbleiterkrise. Derzeit erleben wir starke Rückgänge bei den Abrufen, weil die Automobilhersteller ihre Produktion zurückfahren. Die Planung erfolgt sehr kurzfristig.
Also keine guten Aussichten?
Wir bereiten uns auf weitere schwierige Monate vor. Wir verlieren große Volumen, die der Markt liebend gerne aufnehmen würde. Die Vertriebsmannschaften der Fahrzeughersteller und die Logistiker machen einen tollen Job, um irgendwie noch Autos zu bauen und zu verkaufen. Aus meiner Sicht wird sich die Chipproblematik noch bis ins nächste Jahr ziehen.
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