Seinen 64. Geburtstag wird Martin Winterkorn noch im Ohr haben. Zu laut, zu dissonant erschallte das Ständchen, das ihm eine gelöster Stimmung spontan antretende Meute von Medienmenschen am 24. Mai 2011 darbrachte. Beim formlosen "... happy birthday, lieber Martin ..." zuckte die Wahl-Wolfsburger Respektsperson gar zusammen. Doch bei einem distinguiert-langatmigen "... happy birthday, lieber Herr Professor Doktor Winterkorn ..." wäre der Chronisten-Chor wohl vollends aus dem Takt geraten.
Den offiziellen Teil der Werksöffnung am neuen US-Standort in Chattanooga/ Tennessee hatte "Wiko" mitsamt vielköpfiger Entourage an diesem Tag gewohnt professionell gemeistert. Nun aber wich das "Programm" plötzlich vom Protokoll ab – und Winterkorn war sichtlich gerührt. Der Machtmensch, der er zweifellos war, wohl auch noch ist und immer bleiben wird, zeigte Gefühle. Nach einem urschwäbisch konzisen "Dankeschön, ganz feine Geste" aber hatte sich der VW-Konzernchef schnell wieder im Griff.
Mehr als das: Nur Minuten später, beim anschließenden Fabrikrundgang, hielt der Topmanager auf die Frage des Automobilwoche-Reporters nach dem bestgeeigneten Energieträger für künftige Kraftfahrzeuge aus dem Stegreif einen organchemietechnologischen Kurzvortrag. Wie gut, dass den Testautos der VW-Sportwagenmarke Porsche schon damals kleine Notizblöcke beilagen, die in jede Oberhemdtasche und vortrefflich zu überseeischen Dienstreisen passen. Denn als dieser Schreiberling mal wieder nicht auf Anhieb verstand, griff "Wiko" kurzerhand zu seinem schwergewichtigen Führungskraft-Füllfederhalter und malte Molekülmuster aufs Papier. Ein schalldruckstarkes "Mensch, Krogh, das musst doch auch Du mal kapieren können", hat der Belehrte seinerseits noch tinnitusartig im Gehörgang.