Im Streit um die neuen Händlerverträge hat der Volkswagen und Audi Partnerverband (VAPV) ein internes Positionspapier erstellt, in dem er seine wichtigsten Forderungen aufzählt. Vom deutschen Audi-Vertriebschef Martin Sander existiert ein Schreiben an den Handel sowie das heute veröffentlichte Interview mit der Automobilwoche, in denen er seine Positionen erläutert. Ein Vergleich, wie weit die beiden Seiten in wichtigen Punkten voneinander entfernt sind:
Sind neue Verträge überhaupt notwendig?
Der VAPV sieht die Notwendigkeit nicht belegt.
Sander sagt im Automobilwoche-Interview: "Wir sind der Ansicht, dass die Veränderungen, die wir umsetzen wollen, neue Verträge erfordern. Aber natürlich schauen wir uns auch dazu die Argumente des Verbandes an. Denn zuallererst geht es uns um die Inhalte, wie wir künftig zusammen arbeiten, wie wir die Profitabilität sicherstellen. In welcher Form wir das dann formaljuristisch umsetzen, ist für mich zweitrangig."
Fazit: Die Positionen unterscheiden sich hier deutlich, auch wenn Sander eine gewisse Flexibilität in der Form in Aussicht stellt.
Großkunden-Agenturgeschäft
Der vielleicht wichtigste Punkt: Der VAPV will hier keine Änderungen am "Erfolgsmodell", befürchtet aber, dass der Hersteller mehr Direktgeschäft betreiben könnte.
Sander schreibt dazu, man wolle das Großkundengeschäft im Agenturmodell beibehalten. Zudem beteuert er im Interview: "Ich kann ihnen versichern, dass diese Zielgruppe Teil ihres Geschäfts bleibt." Der Handel werde auch in einigen Jahren, das Großkundengeschäft betreuen und daran Geld verdienen, "idealerweise sogar mehr" als heute. Anpassungen seien aber nötig.
Fazit: Hier ist Raum für Interpretation. Je nachdem, wie die Anpassungen ausfallen, könnte die Diskrepanz massiv, aber auch nur gering sein.
Neuwagen und Onlinevertrieb
Der VAPV fordert hier zum einen, dass "die seit langem verlangten" Prozesse und technischen Voraussetzungen zum Online-Vertrieb geschaffen werden müssen, zum anderen, dass der Neuwagenvertrieb "ausschließlich" über die Handelsorganisation erfolgen darf.
Sander schreibt dazu: "Digitale Vertriebskanäle werden unter Einbindung des Handels gestaltet." Im Interview sagt er zudem, die Händler würden beim Onlinevertrieb sehen, "dass sie dabei sind und daran Geld verdienen."
Zudem soll im Herbst die neue digitale e-commerce-Plattform von Audi starten. Zunächst im Gebrauchtwagenbereich, aber mit der Möglichkeit zur kompletten Onlineabwicklung des Verkaufs. Die Kontrolle über das Geschäft behält dabei der Handel.
Fazit: Sanders Aussagen kommen den Forderungen des Händlerverbands ein Stück weit entgegen. Ein Ausschließlichkeitsbekenntnis zum Neuwagenvertrieb über den Handel fehlt allerdings. Zudem wird es auf die konkrete Ausgestaltung ankommen.
Functions on Demand und Kundendaten
Der Verband befürchtet, dass der Hersteller hier mit Hilfe der Daten des Handels Geschäft am Handel vorbei machen könnte und verlangt eine angemessene Vergütung.
Sander will eine "aktivitätenbasierte Vergütung" und sagt im Interview, man wolle einen Modus definieren, in dem sich Handel und Hersteller synchronisierten und die Daten gemeinsam genutzt werden könnten.
Fazit: Auf den ersten Blick ist man hier nicht weit voneinander entfernt – sofern man sich darauf einigt, wann eine Vergütung angemessen und wann eine gemeinsame Nutzung fair ist.
Produktpalette
Der Händlerverband befürchtet, dass künftig nicht mehr alle Händler alle Produkte anbieten können. Dies lehnt er ab und betont die Einstufigkeit des Netzes.
Sander betont im Interview: "Ich kann mir keine Welt vorstellen, wo der Kunde erst rätseln muss, welchen Audi er in welchem Betrieb bekommt" und verspricht: "Im Verkauf wird es über Nischenmodelle hinaus kein beschränktes Portfolio geben." Andererseits sagt er aber auch: "Natürlich müssen wir uns mit unserer immer größeren Produktpalette Gedanken machen, ob es sich noch rechnet, an jedem Standort mit den jeweiligen Standards das komplette Portfolio vorzuhalten. Da müssen wir ins Detail einsteigen."
Fazit: Hier liegt das Konfliktpotenzial im von Sander genannten Detail – aber auch grundsätzlich in der Frage nach der Einstufigkeit.
CI, Prozesse und Bestandsschutz für getätigte Investitionen
"Investitionen in Immobilien, Ausstattung, IT, Mitarbeiter und Knowhow müssen amortisiert werden können", fordert der VAPV. Zudem fordert er "mehr Augenmaß bei der Formulierung von Standards, Prozessen und Verwaltungsaufwänden".
Sander schreibt dazu: "Die Investitionen unserer Handelspartner müssen sich selbstverständlich auch in der Zukunft durch ein attraktives Geschäftsmodell amortisieren." Im Interview lehnt er Investitionsgarantien ab, bekennt sich aber zum strategischen Renditeziel von drei Prozent. Zudem sagt er, man werde nach den Investitionen des Handels "nicht noch einen drauflegen und die Standards erhöhen".
Fazit: Den Worten nach ist man hier nah beisammen, der Teufel könnte aber im Detail liegen.
Gesamtfazit
In einigen Punkten sind die Äußerungen von Audi nicht so weit von den Forderungen des Verbands entfernt. Doch an vielen Details dürften sich die Geister scheiden. Die Verhandlungen werden – gerade nach der Eskalation der vergangenen Wochen – sicher nicht einfach werden.
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