Tesla hat einen steinigen Weg hinter sich: vom belächelten Start-up zum Schrecken der Konkurrenz und wertvollsten Autobauer der Welt. Dementsprechend groß ist die Zahl der Firmen, die dem E-Auto-Pionier nacheifern. Die Automobilwoche stellt die wichtigsten vor. In der Auswahl befinden sich sowohl etablierte Autobauer als auch Newcomer.
Wer Tesla vom Thron stürzen will
Die vom Dieselskandal schwer erschütterte Marke will unter Vorstandschef Markus Duesmann ihren Slogan "Vorsprung durch Technik" wieder mit Leben füllen. Doch der große Hoffnungsträger, das Projekt Artemis, hat im Juni einen herben Dämpfer erlitten: Unter Führung des früheren Apple-Managers Alexander Hitzinger war das Projekt erst 2020 mit großen Vorschusslorbeeren gestartet, extra außerhalb der bekannten Audi-Strukturen und als eigenständiges Unternehmen. Das Ziel: Ein Elektroauto, das mindestens auf Augenhöhe mit Teslas Model S unterwegs sein sollte.
Doch im Juni wurde das Projekt wieder Audi unterstellt, Hitzinger zog sich zurück. Das Projekt läuft zwar weiter und mit der Studie Grandpshere hat Audi auf der IAA bereits einen Ausblick gezeigt. Bis zum für 2024 angekündigten Serienstart ist es aber noch ein weiter Weg.
Eigentlich hatte BMW alle Chancen, zum wichtigsten Tesla-Konkurrenten zu werden. Im Jahr 2010, zwei Jahre nach dem Marktstart des Tesla Roadsters, hatte der Autobauer die ganz auf Nachhaltigkeit konzentrierte Submarke BMW i gegründet. Mit enormem finanziellen und technischen Aufwand entstanden der Elektro-Kleinwagen i3 und der Hybrid-Sportwagen i8. Für den Bau der Kohlefaser-Karosserien beteiligte sich BMW am Zulieferer SGL Carbon. Doch die Kunden blieben aus. Der i3 war mit einem Preis von knapp 35.000 Euro zu teuer und der i8 ein Technologieträger für wenige Kunden.
In den Folgejahren verließ BMW deshalb der Mut, die Verbrenner verkauften sich nach wie vor prächtig, die interne Kritik an der Submarke wurde lauter. Die E-Mobilität verlor in München an Bedeutung, wichtige Akteure wie Carsten Breitfeld verließen das Unternehmen. BMW setzte fortan auf Technologieoffenheit – auch noch 2019, als der frühere BMW-Manager Herbert Diess bei VW längst die Zeichen der Zeit erkannt hatte und alles auf E-Mobilität setzte. Das zweite reine E-Modell von BMW, der iX3, kam erst 2020 auf den Markt, lange nach dem Audi E-tron und dem Mercedes EQC. Jetzt will die Marke mit den gerade eingeführten Modellen iX und i4 nachlegen.
Nach dem halbherzigen Mercedes EQC zeigt der EQS, wozu die älteste Autofirma der Welt fähig ist: Eine Batterie von 107,7 kWh, eine Reichweite von 770 Kilometern nach WLTP, ein großer Bildschirm über das ganze Armaturenbrett, ein modernes Infotainmentsystem, das sich mit Hilfe künstlicher Intelligenz an seine Fahrerinnen und Fahrer anpasst – so sieht ein zeitgemäßes Auto aus.
Momentan ist die Technik nur für wenige bezahlbar, aber es war schon immer das Prinzip von Mercedes, teure Innovationen zuerst in den Topmodellen in Serie zu bringen und danach in preisgünstigere Modelle durchzureichen. Fest eingeplant sind der für 2022 angekündigte EQE und zwei SUVs auf der gleichen Plattform. Man kann davon ausgehen, dass sich viele Ausstattungsmerkmale des EQS künftig auch in Mittelklasse-Modellen von Mercedes finden werden. Die Schwaben haben gezeigt, was sie können. Wenn sie in dieser Richtung weitergehen, sind sie für die Zukunft gut aufgestellt.
Kein anderer traditioneller Autobauer hat den Wandel hin zur E-Mobilität ähnlich stark forciert wie Volkswagen unter Herbert Diess. Mit Zwickau hat VW bereits ein Werk komplett auf Elektroautos umgestellt, dort laufen die Modelle ID.3 und ID.4 von den Bändern. Beide basieren auf der MEB-Plattform, die auch als Basis für andere Konzernmodelle dient. Mit der Plattformstrategie hat VW schon in der Verbrenner-Ära gute Erfahrungen gemacht. Als nächstes soll das Werk Emden umgestellt werden, zudem ist ein neues Werk in der Nähe von Wolfsburg für die Produktion des Trinity geplant.
Während die E-Offensive in Europa und den USA zum richtigen Zeitpunkt kommt, ist VW auf dem größten Automarkt der Welt spät dran: In China spielt die E-Mobilität heute schon eine größere Rolle als in anderen Ländern und dort teilt sich Tesla den Markt mit einheimischen Herstellern. Der Marktanteil von VW liegt zwischen drei und vier Prozent. Zum Vergleich: Bei Benzinern beträgt er 15 Prozent. VW will nun aufholen und in den nächsten vier Jahre 15 Milliarden Euro in die E-Mobilität in China investieren. Den ersten Schritt zur Aufholjagd hat VW im April auf der Messe in Schanghai mit der Präsentation des großen SUVs ID.6 gemacht. Doch neben Tesla sind auch die einheimischen Hersteller in China stark und die Regierung wird sich bemühen, diese vor ausländischer Konkurrenz zu schützen. Bei den Verbrennern hatten die ausländischen Hersteller einen jahrzehntelangen Erfahrungsvorsprung. Mit dem Umstieg auf E-Autos werden die Karten neu gemischt – und die Chinesen werden alles tun, um vorn zu bleiben. Marken wie BYD, Nio oder Wuling mögen im Westen unbekannt sein, in China sind sie aber bereits etabliert.
Schon 2007 gründete der frühere Tesla-Vorstand Bernhard Tse gemeinsam mit Sam Weng das Unternehmen Atieva, das Batterien und Antriebsstränge für Elektroautos entwickeln sollte. Sieben Jahre später entschied sich das Unternehmen, selbst Autos zu bauen. Die erste Studie erschien 2016, kurz darauf erfolgte die Umbenennung in Lucid Motors. In den Jahren darauf kämpfte das Unternehmen jedoch wie viele Start-ups mit Geldproblemen.
Seit 2019 steht mit Peter Rawlinson der frühere Chefingenieur des Tesla Model S an der Spitze, der zuvor bereits sechs Jahre als Technikchef fungiert hatte. Eine weitere Stütze ist Peter Hochholdinger, der 2019 als Produktionschef zu Lucid kam. Zuvor hatte der frühere Audi-Manager in gleicher Funktion drei Jahre für Tesla gearbeitet. Mit dem Geld des Staatsfonds von Saudi-Arabien baute Hochholdinger "in Rekordzeit und mitten in einer Pandemie", wie er selbst sagte, die Fabrik in Arizona auf.
Anfang November startete nach Verzögerungen endlich die Auslieferung des ersten Modells Lucid Air. Das Fahrzeug ist ein direkter Konkurrent des Tesla Model S. Besonders stolz sind die Amerikaner auf die Reichweite, die bei mehr als 800 Kilometern liegen soll. Auf der gleichen Basis ist später ein SUV geplant.
Die schon 2009 gegründete US-Firma Rivian wird unter anderem von Amazon-Gründer Jeff Bezos finanziert. Sie entwickelt einen Elektro-Lieferwagen, von dem Amazon 100.000 Stück bestellt hat. Die ersten Fahrzeuge sind bereits in mehreren amerikanischen Städten unterwegs.
Die Produktion des Pick-ups R1T hat im Herbst begonnen, während der Tesla Cybertruck weiter auf sich warten lässt. Der R1T verfügt über vier E-Motoren, je einen pro Rad, die Gesamtleistung liegt bei 800 PS. Neben fünf Passagieren bietet der Pick-up reichlich Platz für Gepäck – die Ladefläche ist 1,37 mal 1,30 Meter groß. Der Basispreis der ersten Modelle soll bei 75.000 Dollar liegen. Produzieren will Rivian seine Autos in einem früheren Mitsubishi-Werk in Illinois. Der Hersteller rechnet mit zunächst 20.000 und später 50.000 Autos pro Jahr. Das ist sportlich, aber Pick-ups sind in den USA die beliebteste Fahrzeuggattung und bisher gibt es unter den Elektroautos wenig Konkurrenz. Ford kann sich vor Bestellungen für seinen elektrisch angetriebenen F-150 Lightning, der 2022 auf den Markt kommen soll, jedenfalls kaum retten.
Das ebenfalls von Rivian angekündigte SUV R1S verspätet sich jedoch. Der Beginn der Serienproduktion ist auf Sommer 2022 verschoben worden.
Im Jahr 2014 gründete der chinesische Internet-Milliardär William Li die Firma Nio. Zunächst engagierte sich die Firma im Motorsport, stieg mit dem Team Next EV in die Formel E ein und erregte Aufsehen, als sie 2017 mit dem 1000 kW starken Supersportwagen EP9 den Rundenrekord für Elektroautos auf dem Nürburgring brach. Im Jahr darauf kam mit dem großen SUV ES8 das erste Serienmodell auf den Markt, später folgten das Kompakt-SUV ES6 und das darauf basierende Crossover-Modell SC6. Das Unternehmen geriet 2019 in finanzielle Schwierigkeiten, Anfang 2020 drohte nach schlechten Quartalszahlen sogar die Insolvenz.
Eine Finanzspritze chinesischer Banken aus der Provinz Anhui in Höhe von umgerechnet 1,3 Milliarden Euro rettete das Unternehmen. Im Gegenzug versprach Nio, in der Provinzhauptstadt Hefei Fabriken und Forschungseinrichtungen anzusiedeln. Seitdem geht es für das Unternehmen steil bergauf, im April 2021 lief das 100.000. Fahrzeug vom Band. Als nächstes plant Nio eine Oberklasse-Limousine namens ET7, die mit Feststoff-Akkus und einer Reichweite von 1000 Kilometern gegen Tesla Model S, Porsche Taycan und Mercedes EQS antreten soll. Der Marktstart ist für Anfang 2022 vorgesehen. In Norwegen ist die Marke bereits vertreten, im kommenden Jahr will sie nach Deutschland expandieren.
Als Tochterunternehmen von Volvo und Geely hat Polestar unter Leitung von Thomas Ingenlath gleich mehrere Vorteile gegenüber anderen neu gegründeten Marken: Produktions-Know-How und -kapazitäten sind ebenso vorhanden wie finanzielle Mittel. Der erste Aufschlag war der Polestar 1, ein Plug-in-Hybrid-Sportwagen mit mehr als 600 PS. Seit 2020 ist der Polestar 2 auf dem Markt, der als reines Elektroauto der Mittelklasse ein direkter Konkurrent des Tesla Model 3 ist. Die Autos werden in China gebaut und von dort in verschiedene Märkte exportiert. Der Kauf ist nur online möglich, Interessenten können die Fahrzeuge aber in Showrooms, den so genannten Polestar Spaces, besichtigen.
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