Herr Otto, wie war Ihr Start als Chef von Dräxlmaier?
Das Unternehmen wurde von Fritz Dräxlmaier sehr gut aufgestellt und profitiert derzeit vom wachsenden Bedarf in der Elektrifizierung. Eingestiegen bin ich mit Besuchen der weltweiten Standorte, um über die Umsetzung der An- und Hochläufe zu sprechen.
Welche Probleme umtreiben Sie?
Mich beschäftigen vor allem die steigenden Lohnkosten und die mangelnde Verfügbarkeit von Personal in einigen Ländern, in denen wir tätig sind. Dies führt zu ungeplant hohen Aufwänden und Sondertransporten, um die Versorgung aufrechtzuerhalten. Diese Problematik ist neu für unsere Industrie und führt bei manchen Herstellern zu akuten Problemen in der Lieferkette.
Dräxlmaier macht einen Großteil des Umsatzes mit Bordnetzen. Wie läuft es da?
Was es im Moment im Bordnetz-Geschäft so schwierig macht, ist der hohe manuelle Anteil in Verbindung mit der Entwicklung der Arbeitskosten, auch in Best-Cost-Ländern. Zum anderen die Mitarbeiterverfügbarkeit in Anbetracht der hohen Arbeitsbelastung.
Was bedeutet das für Ihr Unternehmen vor Ort?
Die eigentlich schöne Situation, dass die Produkte der deutschen Industrie, wie die in den USA produzierten SUVs weltweit begehrt sind, hat dazu geführt, dass die Stückzahlen höher als geplant liegen. Und jetzt müssen alle in der Kette diese Volumina realisieren.
Aber die Kunden brauchen es doch so günstig wie möglich?
Aus unserer Sicht könnte die Automatisierung der Leitungssatzfertigung Abhilfe schaffen. Dazu ist aber eine völlig neue Architektur und Technik nötig. Wenn die Anforderungen an Energie- und Datentransfertechnik beziehungsweise Bordnetzarchitektur weitersteigen, lässt sich dieser nächste Schritt vollziehen.
Gibt es vielleicht nicht eine Lösung: Sie bauen Ihr Batteriegeschäft aus und machen sich weniger abhängig vom Bordnetz?
Wir fokussieren uns seit Jahren auf die Trends Konnektivität, Autonomes Fahren, Elektromobilität, Nachhaltigkeit und Leichtbau. Bereits heute sind wir mit unseren Produkten in diesen Bereichen sehr gut aufgestellt. Ich bin sehr dankbar, dass Fritz Dräxlmaier die Strategie schon vor vielen Jahren auf die Elektromobilität ausgerichtet hat. Das zahlt sich aus: Unsere Kunden setzen auf unsere Expertise und Innovationen. Damals wie heute. So waren wir mit der leichtesten Serientürverkleidung aus Naturfasern schon beim BMW i3 mit dabei. Und heute liefern wir das 800-Volt-Gesamtbatteriesystem für den Porsche Taycan.
Kann sich das Potenzial einmal in einer Größenordnung bewegen wie das Bordnetz?
Auf jeden Fall. Durch den Einstieg vor zehn Jahren sehen wir uns technologisch gut aufgestellt. Für die Hochvolt-Batterie-Produktion für den Taycan haben wir eine Fabrik in Sachsenheim aufgebaut. Wir arbeiten auch seit vielen Jahren mit Audi, BMW und Tesla auf diesem Gebiet zusammen. Aber nicht nur bei der Elektrik, sondern auch im Interieur.
Welche Kunden haben Sie bei der Batterie im Blick? Werden neben Porsche weitere Sportwagenhersteller auf Sie zukommen, die elektrifizieren müssen?
Das sind sie teils schon, nur darüber können wir noch nicht reden. Wir verfolgen einen systemischen, breiten Ansatz von der Ladedose über die Verteilung der Energie bis zum Management der Batterie.
Sie bauen in Thailand eine Batteriefertigung auf. Ist das Werk schon eröffnet?
Das passiert erst noch. Wir versorgen dort einen Kunden vor Ort.
Wie ist es in Sachsenheim angelaufen?
Dort beginnt jetzt gerade der Hochlauf. Das Werk entspricht einem Industrie-4.0-Ansatz.
Macht der Interieur-Bereich mehr Freude, weil das Interieur sowohl beim E-Auto als auch beim autonomen Fahren ein zentrales Thema ist?
Die derzeitige Entwicklung ist spannend für alle drei Segmente, in denen wir unterwegs sind, die Elektrik mit allen Facetten, das Batterie-Management-System und natürlich das Interieur. Es gibt Kompetenzen und Technologien in den Bereichen Systemintegration, Leichtbau und Nachhaltigkeit, die wir in allen Feldern einbringen und zum Teil auch verbinden können wie beispielsweise bei der Lichtintegration im Interieur. Hier fokussieren wir uns klar auf das Premiumsegment und bringen dort technologische Innovationen in den Markt. Der wichtige Punkt ist: Für alle Bereiche, die jetzt kommen – autonomes Fahren, Konnektivität, Elektromobilität –, sind wir mit unseren Kompetenzen gut aufgestellt.
Dräxlmaier will immer organisch wachsen. Reizt es Sie nicht, wenn Sie dieses oder jenes Feld besetzen können durch einen Zukauf, zuzuschlagen?
Aus heutiger Sicht sind die eigenen Ideen so gut, dass wir dort genügend Geschäftsmöglichkeiten sehen, um unser Wachstum zu realisieren. Zuverlässigkeit und Innovation sind die Basis für kontrolliertes, qualitatives Wachstum.
Viele Unternehmen stöhnen wegen schrumpfenden Margen. Wie gestaltet sich das bei Dräxlmaier?
Darüber sprechen wir traditionell nicht. Zudem fokussieren wir uns als Familienunternehmen nicht auf Quartalsergebnisse, sondern verfolgen eine langfristige Strategie, die auch antizyklisches Handeln zulässt. Unsere Ergebnisse fließen seit Jahrzehnten in den Ausbau des Unternehmens und kommen so den Beschäftigten und letztlich auch unseren Kunden zu. Aber wie ich eingangs sagte, gibt es einen massiven Druck auf die Kostensituation durch ungeplant steigende Löhne. Der Lohnanteil am Bordnetz ist erheblich und mit steigender Tendenz.
Wie wird sich die Zahl der Standorte entwickeln?
Wir sind heute mit über 60 Standorten in über 20 Ländern aktiv. Derzeit sehen wir Entwicklungschancen überwiegend im asiatischen Raum. Aber grundsätzlich sehen wir unser Produktionsnetzwerk auch in Zeiten von globalen Handelshemmnissen gut aufgestellt.
2018 lag der Umsatz bei 4,6 Milliarden Euro. Was erwarten Sie für 2019?
Es gibt einige Unwägbarkeiten durch externe Einflüsse, wie den Brexit oder die weltweiten Handelsstreitigkeiten. Trotzdem gehen wir davon aus, dass wir weiteres Wachstum erreichen.
Sie gehen Richtung fünf Milliarden?
Wir sind derzeit in der richtigen Richtung unterwegs.
Wie sieht es bei Rohstoffen aus?
Die sind leider auch mit Steigerungen behaftet. Deshalb sehen wir ja zurzeit so viele negative Ergebnisberichte der Unternehmen. Sie sind sowohl von Personal- als auch von Rohstoffseite unter Druck. Dazu kommen dann noch Stückzahleffekte, die alle Hersteller zu verzeichnen haben. Und obendrein soll sich in dieser Lage noch jeder technisch neu erfinden. Das ist schon eine ziemliche Anstrengung, die unsere Industrie da im Moment durchläuft.
Es gibt den Trend zur Kollaboration. Bieten sich Partnerschaften für Dräxlmaier an?
Ich glaube, dieses Thema wird im Moment etwas überstrapaziert. Am Ende sortiert der Autohersteller diese Arbeitsgemeinschaften. Er wird sich das Gestalten von Systemen nicht aus der Hand nehmen lassen.
Gibt es ein Themenfeld bei Dräxlmaier, das endlich ist?
Aktuell sehen wir Interesse und Geschäftsmöglichkeiten für alle Produktbereiche. Die vor Jahren eingeschlagene Strategie greift. Wir wollen kontrolliert, profitabel und eigenfinanziert wachsen. Da findet dann auch intern ein gesunder Wettbewerb um Ressourcen statt.
Weil es immer margenschwächer wird?
Ich glaube, es ist anders: Die Marge, die Sie sich heute errechnen, ist virtuell. Weil keiner die Faktoren, die wirklich erfolgskritisch sind, über eine so lange Zeit einschätzen kann.
Welche Akzente möchten Sie gerne bei Dräxlmaier neu setzen?
Das Unternehmen ist mit seinen Produkten strategisch gut aufgestellt. Ich werde meine Ideen und Erfahrungen einbringen. Aus meiner früheren Perspektive, wie man ein Familienunternehmen führt und steuert, vor allem in einem globalen Verbund. Und Personal, Organisation, Unternehmenskultur sowie operative Exzellenz – neue Ideen für eine Arbeitswelt der Zukunft – sind die Themen, an denen ich im Sinne einer kontinuierlichen Verbesserung arbeiten werde.
Letzte Frage, Herr Otto: Wie ist das, wenn man als erster familienfremder Manager an die Spitze eines Familienunternehmens kommt?
Ich bin sehr froh über die Übereinstimmung mit Fritz Dräxlmaier in den Werten und fachlichen Ansichten. Für ein seit 60 Jahren familiengeführtes Unternehmen ist es natürlich ein Wandel, wenn ein familienfremder Manager kommt. Fritz Dräxlmaier bleibt seinem Unternehmen als Chairman verbunden. Es ist mein frischer Blick, der ins Unternehmen kommt, Themen hinterfragt und an neuen Ideen misst. Wir wollen alle, dass das Unternehmen sich positiv entwickelt.
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