Frau Gräf, wie war Ihr Start mitten in Corona-Zeiten?
Als ich am 1. März meinen ersten Tag bei Škoda hatte, war die Inzidenzzahl in Tschechien auf einem der höchsten Stände, die das Land jemals hatte. Mein erster Tag begann also damit, dass ich mich vom Covid-Aktionsteam auf den Stand der Dinge bringen lassen habe und wir von da an täglich gemeinsam die Maßnahmen überprüft haben. In enger Kooperation mit dem Sozialpartner KOVO hat Škoda mit seinem Safe Office und Safe Production Programm über 80 konkrete Maßnahmen verabschiedet, um gegen die Pandemie anzukämpfen. Das war eine herausforderne Zeit, aber auch dank der sehr guten Zusammenarbeit mit dem Vorsitzenden Jaroslav Povšík konnten wir sofort mit der Umsetzung beginnen! Ich selbst bin zugegebenermaßen meistens ins Büro gefahren, um gemeinsam mit der Task Force für die Sicherheit der Belegschaft zu sorgen.
Sie sind kein Homeoffice-Fan?
Home-Office habe ich schätzen gelernt, was unter anderem die Themen Flexibilität und Digitalisierung angeht. Allerdings schafft es manchmal auch Distanz. Inzwischen sind die Covid-Zahlen in Tschechien aber so niedrig, dass wir wieder flexibler in der Zusammenarbeit sind.
Wird eine Form von New Work nach der Pandemie bleiben oder ist das gerade nur ein Modewort?
Die gewonnene Flexibilität müssen wir uns erhalten. Meine Überzeugung ist, dass Corona ein Booster war für vieles, das später sowieso gekommen wäre. Jetzt ging es nur schneller. Wir arbeiten immer weniger linear und mehr prozessorientiert und -optimiert, die Digitalisierung hat einen großen Schub bekommen.
Nennen Sie uns bitte einmal ein Beispiel für eine Veränderung, die bleibt.
Wir reden über neue Arbeitsmodelle, über mobile Arbeit 2.0. Das Feedback unserer MitarbeiterInnen ist dazu unterschiedlich: Manche möchten wieder fünf Tage in der Woche ins Büro und anderen reicht alle 14 Tage ein Bürotag. Am Ende des Tages geht es um gute Ergebnisse – egal wann und an welchem Schreibtisch sie entstehen.
Dennoch müssen wir als Arbeitgeber Leitplanken setzen. Wir werden vieles möglich machen für ergebnisorientiertes Arbeiten, weg von einer Präsenzkultur. Wir führen Desk-Sharing ein, konzipieren unsere Arbeitsumgebung, denken über neue Führungsmodelle z.B. als Tandem nach. Für uns ist wichtig, dass die Kollegen sich in kreativer Atmosphäre austauschen und bereichsübergreifend unkompliziert an Projekten arbeiten können.
Mobile Arbeit und geteilte Schreibtische – ist das auch aus Kostengründen ein Thema?
Nein, wir sparen dadurch nur sehr wenig, die Investitionen in die Arbeitszeit sind ja getätigt. Es geht darum, auch beim Thema Arbeitsumfeld modern, mutig und innovativ zu sein. Das fördert die dringend notwendige Kreativität und Innovation.
Die Zahl an Mitarbeitern bei Autoherstellern hat ihren Zenit überschritten. Wird Škoda in der Zukunft sinkende Beschäftigtenzahlen haben?
Wir haben Abbauziele, die wir über das Rentenalter, Vorruhestandsregelungen und normale Fluktuation erreichen. Für 2021 werden rund zwei Prozent des indirekten Personals (nicht am Fahrzeugbau beteiligte Mitarbeiter) abgebaut. Es gibt dazu ein Fixkostenprogramm im Konzern für alle Marken, das von 2021 bis 2023 gilt.
Die Jobbeschreibungen ändern sich gerade in den Autowerken. Wie gehen Sie damit um?
Zunächst haben wir bei Škoda die Bedarfe der Kompetenzen und Qualifikationen für unsere Zukunft definiert. Wir haben den großen Vorteil, dass wir mit unserer Škoda-Akademie und unserer eigenen Škoda Universität zwei Partner haben, die mit uns die Zukunftsbilder der erforderlichen Ausbildungen erarbeiten und dann in Studiengänge und Berufsausbildungen transformieren. So haben wir die Chance on demand bedarfsgerecht auszubilden oder auch unsere MitarbeiterInnen aufzuqualifizieren.
Ist Škoda in einigen Jahren noch das gleiche Unternehmen? Es heißt ja immer, dass sich Autohersteller zu Mobilitätsdienstleistern wandeln sollen.
Richtig ist, dass wir uns als Automobilhersteller in der größten Transformation unserer Geschichte befinden – die gesamte Industrie verändert sich radikal. Besonders beim Thema E-Mobilität treten neue, starke Wettbewerber gegen uns an. Kompetenzen für Software und und Autonomes Fahren gewinnen stark an Bedeutung. Das eigene Auto an sich bleibt Bestandteil unserer Kultur: Aktuelle Studien besagen, dass viele Menschen nach wie vor individuelle Mobilität schätzen. So bleibt der Besitz eines eigenes Fahrzeuges weiterhin für unsere Kunden attraktiv. Den Trend hat Covid möglicherweise sogar verstärkt.
Was sehen Sie in den nächsten drei Jahren als Ihre größte Herausforderung an?
Es geht mir darum, mit gelungenen Prozessen die Transformation zu beschleunigen. Dabei sehe das HR-Ressort als gleichberechtigen Business-Partner an. Eine große Herausforderung wird dabei die Digitalisierung der HR-Prozesse sein. Natürlich wird ein weiterer Fokus darauf liegen, die erforderlichen Zukunfts-Qualifikationen bereit zu stellen.
Ist Diversität auch ein Thema?
Natürlich. Aber Diversity ist keine Gender-Frage. Diversity ist für mich auch Internationalisierung der Teams, mit einem guten Mix aus verschiedenen Kompetenzen. Da arbeiten Introvertierte neben Extrovertierten, Junge neben Älteren, Mutige neben Vorsichtigen. Wichtig ist, dass Unternehmen Diversity auf die CEO-Agenda nehmen, um dem Thema die gebotene Aufmerksamkeit zu geben. Gemeinsam mit dem Škoda Auto CEO Thomas Schäfer habe ich z. B. vor Kurzem ein Diversity-Memorandum unterschrieben und wir sind dem Pride Business Forum beigetreten.
Dennoch: Sie sind die erste Frau im Vorstand in der Geschichte des Unternehmens, und das im Jahr 2021. Ist Škoda rückschrittig?
Hier sind wir bisher sicher noch nicht Benchmark. Aber im gesamten Konzern gibt es Aktivitäten, das zu ändern. Das Thema treiben vor allem unser Konzern Personalvorstand Gunnar Kilian und unser Konzern Vorstandsvorsitzender Herbert Diess.
Letzte Frage: Wie steht Škoda im Gesamtkonzern da? Ist es eine geliebte Tochter?
Škoda wird sehr geschätzt. Weil Škoda immer abliefert, Ziele erfüllt, mit cleveren Ideen und guten Produkten überzeugt. Unsere Unternehmensstrategie 2030 „Next Level Skoda“, die Thomas Schäfer auf der JPK am 23.06. extern vorstellen wird, ist ein klarer Plan für die Zukunft.
Škoda steht im Konzern bestens da. Der internationale Konzernverbund aller Marken ist für uns von großem Vorteil, besonders in der Transformation. Manche Abstimmung benötigt aufgrund der Konzerngröße eventuell mal eine Schleife mehr bis zu einer endgültigen Entscheidung. Aber der Konzernverbund birgt auch viele Vorteile. Das konzerneigene Softwarehaus CARIAD ist ein gutes Beispiel. So ein Projekt könnte eine Marke wie SKODA nie alleine stemmen.
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