Was der 911 für Porsche bedeutet

Im satten Grün der irischen Nationalflagge fährt der einmillionste Elfer von der Produktionsstraße ins Rampenlicht. Es ist die Farbe des Ur-Elfer und nebenbei auch noch die Lieblingsfarbe von Wolfgang Porsche, Porsche-Aufsichtsratschef und Enkel des Firmengründers Ferdinand Porsche. Innen ist er individuell ausgestattet mit Ledersitzen, deren Mittelbahnen das Originalmuster von damals tragen. Sie sind ebenso eine exklusive Einzelanfertigung für das Jubiläumsmodell wie die vielen weiteren historischen Zitate, darunter etwa das Holz-Sport-Lenkrad mit altem Wappen, die silber veredelten Rundinstrumente oder die Applikationen aus Mahagoni.

Drumherum haben sich der gesamte Porsche-Vorstand sowie Wolfgang Porsche und Betriebratschef Uwe Hück zum Gruppenfoto aufgestellt. Doch so schön er ist – einen Kunden will Porsche für dieses Auto nicht finden. Das Sportwagen-Modell, das auf dem 911 Carrera S mit 450 PS-Boxermotor und Siebengang-Schaltgetriebe basiert, wird ein Einzelstück im Besitz des Unternehmens bleiben. Ehe er in die Sammlung des Porsche-Museums kommt, wird er auf Weltreise gehen und als Markenbotschafter unter anderem in den schottischen Highlands, rund um den Nürburgring, in den USA oder China eingesetzt.

Der Auftrieb ist groß an diesem Tag. Journalisten aus aller Welt sind gekommen, um den Sprung über die historische Marke zu beobachten. Die groß angelegte Feier im Werk Zuffenhausen soll die Bedeutung unterstreichen, die das Modell für das Unternehmen hat. "Vor 54 Jahren durfte ich mit meinem Vater die ersten Fahrten über die Großglockner-Hochalpenstraße machen. Dieses Gefühl in einem 911 genieße ich immer noch wie damals. Denn die Kernwerte unserer Marke sind heute dank des 911 so visionär wie seit dem ersten Porsche 356 Nummer 1 aus dem Jahr 1948", sagt Wolfgang Porsche.

Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück frohlockt: "Wir haben heute den einmillionsten Elfer. Das Gute daran ist, dass unsere Kollegen das immer noch mit voller Liebe machen, wie beim ersten Fahrzeug. Ohne unsere einzigartigen Porscheaner wäre die Erfolgsstory des 911 nicht denkbar." Und Vorstandschef Oliver Blume spricht vom "emotionalen Herz" von Porsche.

Tatsächlich hat es Porsche geschafft, den Mythos 911 über all die Jahre lebendig zu halten. Wer auf einem Internetportal einen Gebrauchten sucht, muss dafür oft fast genauso viel hinblättern wie für einen Neuwagen – nicht selten sogar mehr. Die Auswahl ist groß, denn 70 Prozent aller jemals produzierten 911 sind noch auf den Straßen unterwegs. Das spricht nicht nur für die Begehrtheit des Autos, sondern auch für dessen Qualität.

Obwohl sich Design und Technik über die Jahrzehnte stark verändert haben, so ist doch jede Generation auf Anhieb als Ableger des Urmodells zu erkennen. "Wie haben den 911 immer wieder verfeinert und perfektioniert. So ist er stets hoch modern und innovativ geblieben", sagt Porsche-Chef Oliver Blume. „Darüber hinaus ist es uns gelungen, die Modellreihe sehr erfolgreich über Derivate zu verbreitern." So habe sich der 911 über 53 Jahre hinweg an der Spitze seines Segments gehalten. "Er ist der Inbegriff des alltagstauglichen Seriensportwagens."

Nimmt man alleine den Absatz als Maßstab, dann ist der Porsche 911 innerhalb der Produktpalette längst von anderen Modellen überholt worden. Knapp 237.800 Fahrzeuge hat die VW-Tochter im Jahr 2016 ausgeliefert. Auf den 911 entfielen dabei nur 32.365 Exemplare. Vom Erfolgs-SUV Macan wurden 97.200 Einheiten verkauft, vom größeren Bruder Cayenne, der vor einem Modellwechsel steht, immerhin 71.700. Auch wenn das in Zuffenhausen niemand gerne hört, so ist der Autobauer längst vom Sportwagenhersteller zum Geländewagenhersteller mutiert.

Doch die Bedeutung des 911 bemisst sich natürlich nicht nur an schnöden Verkaufszahlen. Kein Geheimnis ist, dass das Modell maßgeblich für die in der Autobranche als Benchmark geltende Rendite von jenseits der 15 Prozent verantwortlich ist. Genaue Zahlen erfährt man nicht, doch Finanzvorstand Lutz Meschke verrät der Automobilwoche am Rande der Veranstaltung. "Das Absatzdelta zum Macan macht er beim Gewinn wieder gut wett." Ein Macan fängt bei 56.000 Euro an, ein Elfer dagegen bei fast 100.000 Euro. Wer einen 911 kauft, der schaut nicht aufs Geld und ordert auch gerne individuelle Sonderausstattungen und stärkere Motorisierungen. "Die Wahrscheinlichkeit, dass sich auf der Straße zwei identische Elfer begegnen, ist äußerst gering", sagt Blume. Schließlich gilt der 911 für die meisten Kunden als Lebenstraum, den man sich nur einmal erfüllt.

Zum Käuferkreis zählen nicht nur betuchte Zahnärzte, sondern auch viele Schauspieler, Sportler oder Künstler. Viele davon greifen auch gerne zu älteren Modellen wie etwa Tatort-Schauspieler Richy Müller, der als großer Elfer-Fan gilt und immer wieder bei Rennveranstaltungen auftaucht. In seinem Film "Le Mans" über die legendäre Rennserie setzte Steve Mc-Queen dem 911 im Jahre 1970 ein Denkmal. Und allein 300 Bücher versuchen, das Erfolgsgeheimnis des Modells zu erklären. Erfinder Ferry Porsche hat dafür eine einfache Antwort: "Der 911 ist das einzige Auto, mit dem man von einer afrikanischen

Sein Debüt feierte der 911 am 12. September 1963, als Porsche den Prototypen auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt präsentiert. Ein Jahr später war die Markteinführung geplant. Eigentlich war die Bezeichnung 901 vorgesehen, doch der französische Autobauer Peugeot reklamierte die Typbezeichnung mit der Null in der Mitte erfolgreich für sich. Mitten in der Produktion musste der Namen daher geändert werden. Vom Ur-Elfer, der mit luftgekühltem Sechszylinder-Boxermotor und 130 PS auf eine Höchstgeschwindigkeit von 210 Kilometer pro Stunde kam, wurden bis bis 1973 rund 81.100 Stück verkauft. Es folgten bis heute sechs weitere Generationen.

Die nächste Generation ist bereits in Planung. Sie wird vermutlich im Jahr 2018 vorgestellt. "Es wird ein absoluter Hingucker", sagt Oliver Blume. Die Schwierigkeit sei, ein perfektes Auto noch besser zu machen. Nach dem Abschied vom Saugmotor ist dann eine weitere Antriebsneuerung möglich. "Die Plattform ermöglicht auch eine Hybridisierung des Fahrzeugs", sagte Entwicklungschef Michel Steiner der Automobilwoche. Wann und ob der 911 als Plug-In angeboten werden, sei aber noch nicht entscheiden. Ein lautlos dahingleitender Porsche 911 ist zwar kaum vorstellbar. Doch vermutlich wird auch dies den Mythos des Sportwagens nicht nachhaltig beeinträchtigen können.

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