Was Daimler mit Volocopter vorhat

Eine Fluggenehmigung hat Daimler beim Regierungspräsidium Stuttgart kurzfristig nicht bekommen. Aber auch so ist das Interesse groß, als der Konzern bei einem Pressetermin zum zehnjährigen Bestehen der Geschäftseinheit Business Innovation den Volocopter in einem Hangar nahe des Flughafens einer breiteren Öffentlichkeit präsentiert. Inspired by EQ steht auf dem Heck der elektrisch fliegenden Personendrohne. Die eilig angebrachten Aufkleber machen klar, dass das Fluggerät nun irgendwie einen Stern trägt. Die Marke EQ steht für die Elektrooffensive des Daimler-Konzerns in den nächsten Jahren.

Bereits vor einigen Wochen hatte Volocopter eine Beteiligung von Daimler an dem Start-up mit Sitz in Bruchsal bei Karlsruhe bekannt gegeben. 25 Millionen Euro wurden insgesamt von verschiedenen Investoren eingesammelt. Genaue Angaben macht Daimler nicht. Die Höhe der Beteiligung dürfte jedoch bei rund elf Prozent liegen. "Das starke finanzielle Engagement unserer neuen Investoren ist ein Signal und Beleg für die wachsende Zuversicht in den Markt für elektrisch angetriebene Senkrechtstarter als persönliche Lufttaxis", sagt Volocopter-Chef Florian Reuter. Für ihn eröffnen sich durch das Engagement des Autokonzerns neue Spielräume bei der Entwicklung und Vermarktung des Fluggeräts.

Auch der Daimler-Konzern will von der Verbindung profitieren. Mit den zunehmenden Beschränkungen der individuellen Mobilität in den großen Städten gehe den Kunden ein Stück Freiheit verloren, sagt Susanne Hahn, Leiterin der Geschäftseinheit Business Innovation, die nun Lab1886 heißt. Sie hatte den Deal eingefädelt. Mit der elektrisch fliegenden Drohne wolle Daimler den Kunden die Freiheit zurückgeben und damit das ganze Spektrum der Verkehrsmittel abdecken. "Wir werden prüfen, inwiefern Lufttaxis dabei als Ergänzung zum Fahrzeug eingebunden werden können." Auf der IAA soll der Volocopter auf dem Daimler-Stand neben den elektrischen EQ-Modellen stehen. Er passe hervorragend zur CASE-Strategie, mit der die Zukunftsfelder Vernetzung, autonomes Fahren, flexible Nutzung und Elektrifizierung umgesetzt werden sollen.

Bei dem ersten Volocopter 2X handelt es sich um eine zweisitzige Drohne. Sie verfügt über 16 kleine Rotoren, die innerhalb eines Kreises über der Kabine sitzen. Sie werden von neun Batterien angetrieben, die sich im Heck des Fluggeräts befinden. Fällt eine Batterie aus, dass schalten sich immer zwei gegenüberliegende Rotoren ab, um die Stabilität nicht zu gefährden. Je nach Fluglage und Last können bis zu neun Rotoren ausfallen, ohne dass die Drohne abstürzt. Zudem sind Rettungsfallschirme für die Passagiere an Bord. "Das Thema Sicherheit war uns ein wichtiges Anliegen", sagt Hahn.

Noch ist eine Steuerung per Joystick und ein Pilotenschein notwendig. Wenn der Volocopter innerhalb der nächsten 18 Monate auf den Markt kommt, dient er daher vor allem als Sportfluggerät. Später soll das Lufttaxi sich jedoch komplett autonom bewegen können und auf Abruf Passagiere befördern. Auch ein Einsatz als Lastendrohne ist möglich. Wegen geringerer Energiekosten und weniger Wartungsaufwand sei das Fluggerät deutlich günstiger als ein konventionell betriebener Helikopter, so Reuter, der zuvor bei Siemens arbeitete. Er rechnet zu Beginn mit einem Absatz von wenigen Hundert Stück. Die Kosten liegen bei mehreren Hunderttausend Euro.

Die Fluglizenz hat der Volocopter bereits, noch im laufenden Jahr soll das Fluggerät in Dubai zu ersten Demonstrationsflügen abheben. Die Dubaier Transportbehörde will bis zum Jahr 2030 bis zu 25 Prozent der Personentransporte autonom bewältigen. Zunächst sollte das chinesisches Unternehmen Ehang die Fluggeräte dafür stellen. "Am Ende sind sie auf uns zugekommen, weil wir über das beste Sicherheitskonzept verfügen", so Reuter. Bisher schafft der Volocopter mit Batterie eine Flugdauer von rund 30 Minuten und ist daher auf ein Einsatzgebiet von rund 30 Kilometern beschränkt. Um einen schnellen Weiterflug zu ermöglichen, sollen die Batterien komplett getauscht werden können.

Daimler sieht durch die Beteiligung an Volocopter auch ein Einsatzgebiet für seine Brennstoffzellentechnologie. "Dies ist ein möglicher Anwendungsfall, vor allem wenn wir bei der Reichweite in größere Dimensionen vordringen wollen", sagt Susanne Hahn. Damit könnte der Volocopter eine wesentlich größere Reichweite erreichen und möglicherweise auch in einer größeren Variante gebaut werden, die beispielsweise den Einsatz als Rettungsfluggerät ermöglicht.

Die Konkurrenz um die Lufthoheit ist groß. So arbeitet neben dem chinesischen Drohnenbauer Ehang auch beispielsweise Airbus an einem autonom fliegenden Lufttaxi. Im Sommer dieses Jahres wurde das Vahana getaufte Konzept erstmals demonstriert. Es kann die Rotoren senkrecht oder waagrecht stellen und erkennt in der Luft Hindernisse, die es dann selbstständig umkurvt. Noch ist allerdings unklar, wann Airbus die Drohne auf den Markt bringt. Auch der Fahrdienstvermittler Uber will in dem Markt mitmischen.

Die Beteiligung von Daimler an Volocopter bedeutet auch einen Sitz im Beirat des Unternehmens. Damit kann der Autobauer Einfluss darauf nehmen, wer künftig in das Unternehmen investiert und sich unliebsame Wettbewerber bei dieser Technologie vom Hals halten. Nicht ausgeschlossen ist zudem, dass die Stuttgarter schon bei der nächsten Finanzierungsrunde ihre Anteile erhöhen.

Lesen Sie auch:

Elektrische A-Klasse: Neue Bilder vom EQA

Brennstoffzellen-Fahrzeug GLC: Daimler zeigt die vergessen Alternative

Wird die Flucht aus dem Stau Realität?

Uber, Lilium Aviation, Kitty Hawk: Wenn Autos fliegen lernen

Das erste fliegende Auto kommt 2018

Fliegende Autos kommen vor autonomen Autos