Warum Tesla ohne Musk besser dran wäre
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Im November 2017 sah es nicht gut aus für Elon Musk und Tesla: Die Produktion des Hoffnungsträgers Model 3 lief nur zäh an, die Ungeduld von Kunden, Aktionären und Öffentlichkeit wuchs, die Kritik wurde lauter. Und Musk? Der sprang euphorisiert wie eh und je über eine Bühne auf dem Flugplatz von Hawthorne nahe Los Angeles und stellte der Welt nicht nur den neuen Elektro-Truck Semi, sondern auch gleich einen zweiten schnittigen Roadster vor.
Selbstverständlich mit den üblichen Superlativen: Der Semi sei einem Diesel-Lkw auch dann noch überlegen, wenn nur noch zwei seiner vier Motoren liefen und die Windschutzscheibe sei besonders robust: "Sie übersteht eine Atomexplosion – oder Sie bekommen Ihr Geld zurück", flachste Musk - ganz Marketing-Mann.
"Musk schafft es sehr geschickt, das nächste Feuerwerk zu zünden, um über die aktuellen Probleme hinwegzutäuschen", sagt Axel Schmidt von der Unternehmensberatung Accenture, der Tesla seit Jahren beobachtet. The Show must go on - oder sollte es heißen "Musk" go on? Ohne Zweifel ist es Musk, der mit seinem Talent für die große Show und seiner Vision von der erschwinglichen E-Mobilität für alle Anleger und Kunden seit Jahren bei Laune hält.
Doch in den vergangenen Monaten bekommt das Bild von Musk als elektrisierende Heilsgestalt Risse. Immer öfter rastet er aus, würgte etwa Analysten ab, weil sie "uncoole" Fragen stellen und beschimpft zuletzt auf Twitter einen britischen Taucher, der es gewagt hatte, Musks Mini-U-Boot zu kritisieren. Dieses hatte der Tesla-Chef für die Rettung der in einer thailändischen Höhle eingeschlossenen Jugendlichen zur Verfügung gestellt.
Die Aktionäre sehen Musk ebenfalls kritischer als früher: „Wir unterstützen ihn sehr, aber wir würden uns jetzt etwas Ruhe und Arbeit wünschen“, sagte beispielsweise James Anderson, dessen Fonds vier Milliarden Dollar in Tesla-Aktien hält.
Wäre Tesla ohne Musk am Ende vielleicht besser dran?
„Die Marke Tesla kann langfristig Erfolg haben", ist sich Thomas Göttle, Autoexperte des international tätigen Beratungshauses PA Consulting, sicher, "aber man kann Zweifel haben, ob dies mit Elon Musk an der Unternehmensspitze gelingen kann.“
Auf der technischen Seite hätten die Kalifornier zweifelsohne noch einige Asse im Ärmeln, so der Experte. „Aktuell ist Tesla dem Markt in etwa vier Jahre voraus", sagte Göttle. Daher verortet er Tesla in einer aktuellen Prognose für 2021 auf Platz sieben der wichtigsten Elektroautobauer weltweit. (siehe Tabelle)
„Aktuell gibt es keinen effizienteren Elektroantrieb im Markt als den von Tesla", urteilt Göttle. Reichweite, Leistungsfähigkeit, Agilität - Tesla hat das Zusammenspiel von Batterie- und Motor perfektioniert. In puncto Leistungselektronik - die fast 50 Prozent der Kosten der Gesamtelektronik ausmache - mache dem Hersteller aktuell niemand etwas vor, so der Experte. Ein klarer Wettbewerbsvorteil gegenüber Audi, BMW, Daimler also.
So sehen es auch das renommierte Center of Automotive Management (CAM) unter Leitung von Stefan Bratzel und die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC, die Tesla bei der Vergabe der AutomotiveInnovations Awards 2018 mit Platz eins in der Kategorie „Innovationsstärkste alternative Antriebe“ bedachten.
Auch ist Tesla aktuell weltweit der einzige Automobilhersteller der fundierte Erfahrungen in der Serienproduktion von Batterien für die E-Autos hat. Durch die enge Zusammenarbeit mit Panasonic kennt Musk die gesamte Wertschöpfungskette und alle Kostentreiber genau: „Damit hat er gegenüber den anderen Herstellern einen deutlichen Know-how-Vorsprung", sagt Göttle - schiebt aber nach: "Die Aufholjagd läuft, der Vorsprung wird schrumpfen.“ Ob Musk zum Beispiel durch eine bessere Batteriechemie zukünftig noch punkten kann, wird sich zeigen. Tesla kommt aktuell nach eigenen Angaben mit erstaunlich wenig Kobalt aus.
Und last but not least, weiß Tesla wie man mit zubuchbaren Software-Funktionen Geld verdienen kann. "Tesla ist wahrscheinlich der erste und einzige Autobauer, der wirklich von der Vernetzung profitiert", sagte Roger Lanctot, Direktor Automotive Connected Mobility bei der Beratung Strategy Analytics. Lanctot geht sogar von einem nahezu "eine Dekade weiten Vorsprung" Teslas bei Hard- und Software aus.
Dass die Fahrzeuge in etwa so begehrt sind wie die iPhones von Apple, ist vor allem der Verdienst von Musk. Der omnipräsente Firmenchef, der schon mal in der Fabrik übernachtet, ist ein talentierter Selbstdarsteller und zudem ein hochintelligenter Autodidakt. Aber reicht das? Immer öfter kommen Zweifel an seiner sozialen Kompetenz auf. Auf die Bitte eines Beschäftigten um einen Tag Urlaub anlässlich der Geburt seines Kindes soll Musk geantwortet haben: "Wollen Sie die Welt retten oder ihrer Frau die Hand halten?"
Musk setzt seine Mannschaft einem hohen Druck aus und konzentriert zudem viele Entscheidungen auf sich selbst. Nicht jeder möchte so arbeiten und die Zahl der Manager, die das Handtuch geworfen haben, wächst in den vergangenen Monaten stetig. „Musk‘s Management-Methode ist mehr Bürde als Hilfe für das Unternehmen", findet Berater Göttle. Man könne nur hoffen, dass er dazulerne und ein Kulturwandel einsetze. Denn die vermeintlich "weiche" Komponente "Firmenkultur" habe mehr Relevanz für den langfristigen Erfolg als gedacht, daher fließt sie ebenfalls in den PA Future Mobility Score mit ein. (siehe unten)
BMW etwa musste beim "Project i", in dem die Bayern ihre Elektroaktivitäten bündelten schmerzlich lernen, was passiert, wenn der Brain-Drain einsetzt. Die Mannschaft war unzufrieden über die Art, wie das Projekt geführt wurde, viele Team-Mitglieder wanderten innerhalb kurzer Zeit ab. Es dauerte rund ein Jahr bis das E-Spezialisten-Team wieder Fuß fassen konnte. Dem Unternehmen gingen dadurch wichtiges Know-how und viel Zeit verloren.
Göttles Urteil ist eindeutig: „Musk packt zu viele Dinge an und verliert dabei den Fokus. Ein Manager mit Erfahrung in der Autoindustrie hätte vielleicht gesagt: Lass uns die Montage auslagern. Für Musk muss es jetzt heißen: Fokus, Fokus, Fokus.“
Dass der Befreiungsschlag über eine Produktion im geheiligten Land der E-Mobilität naht, glaubt er dagegen kaum. „Eine Fabrik in China ist an sich der richtige Schachzug, aber ich halte ein solches Projekt in so kurzer Zeit aufgrund der noch offenen Baustellen und des negativen Cashflows in den USA kaum für umsetzbar", so Göttle.
Musk hatte angekündigt ab 2020 in China jährlich 500.000 Fahrzeuge produzieren zu wollen. Dabei hatte er erst vor wenigen Wochen das Produktionsziel von 5000 Autos pro Woche geschafft.
Fazit: Tesla braucht einen starken Automanager, der die aktuellen Probleme in der Produktion löst. Musk sollte Platz machen - zumindest zur Seite treten. Die Lösung könnte aus einem "magisches Duo" an der Spitze bestehen: Visionär Musk und ein klassischer "car guy". Dann hat der Pionier gute Chancen, auch zukünftig unter den Top-E-Auto-Hersteller mitzuspielen.
Zum Future Mobility Score: Sechs Erfolgsfaktoren werden zu einem Score von 100 Punkten gewichtet und je nach Zielerreichung in den einzelnen Dimensionen zu einem Durchschnitt für das E-Mobilitäts-Potenzial pro Hersteller zusammengefasst:
- Technologie und Strategie – 30%;
- Batterietechnologie – 20%;
- Kultur und Incentives – 10%;
- Lieferantennetzwerk – 15%;
- Ökosystem und Partnerschaften – 15%;
- Finanzielle Leistungsfähigkeit (EBIT als Indikator für Investition in E-Mobilität) – 10%.
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