Dass die Fahrzeuge in etwa so begehrt sind wie die iPhones von Apple, ist vor allem der Verdienst von Musk. Der omnipräsente Firmenchef, der schon mal in der Fabrik übernachtet, ist ein talentierter Selbstdarsteller und zudem ein hochintelligenter Autodidakt. Aber reicht das? Immer öfter kommen Zweifel an seiner sozialen Kompetenz auf. Auf die Bitte eines Beschäftigten um einen Tag Urlaub anlässlich der Geburt seines Kindes soll Musk geantwortet haben: "Wollen Sie die Welt retten oder ihrer Frau die Hand halten?"
Musk setzt seine Mannschaft einem hohen Druck aus und konzentriert zudem viele Entscheidungen auf sich selbst. Nicht jeder möchte so arbeiten und die Zahl der Manager, die das Handtuch geworfen haben, wächst in den vergangenen Monaten stetig. „Musk‘s Management-Methode ist mehr Bürde als Hilfe für das Unternehmen", findet Berater Göttle. Man könne nur hoffen, dass er dazulerne und ein Kulturwandel einsetze. Denn die vermeintlich "weiche" Komponente "Firmenkultur" habe mehr Relevanz für den langfristigen Erfolg als gedacht, daher fließt sie ebenfalls in den PA Future Mobility Score mit ein. (siehe unten)
BMW etwa musste beim "Project i", in dem die Bayern ihre Elektroaktivitäten bündelten schmerzlich lernen, was passiert, wenn der Brain-Drain einsetzt. Die Mannschaft war unzufrieden über die Art, wie das Projekt geführt wurde, viele Team-Mitglieder wanderten innerhalb kurzer Zeit ab. Es dauerte rund ein Jahr bis das E-Spezialisten-Team wieder Fuß fassen konnte. Dem Unternehmen gingen dadurch wichtiges Know-how und viel Zeit verloren.
Göttles Urteil ist eindeutig: „Musk packt zu viele Dinge an und verliert dabei den Fokus. Ein Manager mit Erfahrung in der Autoindustrie hätte vielleicht gesagt: Lass uns die Montage auslagern. Für Musk muss es jetzt heißen: Fokus, Fokus, Fokus.“
Dass der Befreiungsschlag über eine Produktion im geheiligten Land der E-Mobilität naht, glaubt er dagegen kaum. „Eine Fabrik in China ist an sich der richtige Schachzug, aber ich halte ein solches Projekt in so kurzer Zeit aufgrund der noch offenen Baustellen und des negativen Cashflows in den USA kaum für umsetzbar", so Göttle.
Musk hatte angekündigt ab 2020 in China jährlich 500.000 Fahrzeuge produzieren zu wollen. Dabei hatte er erst vor wenigen Wochen das Produktionsziel von 5000 Autos pro Woche geschafft.
Fazit: Tesla braucht einen starken Automanager, der die aktuellen Probleme in der Produktion löst. Musk sollte Platz machen - zumindest zur Seite treten. Die Lösung könnte aus einem "magisches Duo" an der Spitze bestehen: Visionär Musk und ein klassischer "car guy". Dann hat der Pionier gute Chancen, auch zukünftig unter den Top-E-Auto-Hersteller mitzuspielen.
Zum Future Mobility Score: Sechs Erfolgsfaktoren werden zu einem Score von 100 Punkten gewichtet und je nach Zielerreichung in den einzelnen Dimensionen zu einem Durchschnitt für das E-Mobilitäts-Potenzial pro Hersteller zusammengefasst:
- Technologie und Strategie – 30%;
- Batterietechnologie – 20%;
- Kultur und Incentives – 10%;
- Lieferantennetzwerk – 15%;
- Ökosystem und Partnerschaften – 15%;
- Finanzielle Leistungsfähigkeit (EBIT als Indikator für Investition in E-Mobilität) – 10%.
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