Warum der 992 für den Porsche-Chef so wichtig ist

Wenn eine neue Generation des Porsche 911 auf die Straße kommt, dann ist das weit mehr als eine normale Modellpremiere. Der Sportwagen, der es mit seinem Design ins Museum of Modern Art in New York geschafft hat, ist das emotionale Herz des Unternehmens. Er ist aber auch der Goldesel, der die alljährlichen Milliardengewinne erst möglich macht.

Für Porsche-Chef Oliver Blume hat die Premiere der achten Generation in Los Angeles eine große persönliche Bedeutung. Für den Manager, der als heißer Kandidat für eine Nachfolge von Herbert Diess an der Spitze des VW-Konzerns gilt, ist es das erste allein verantwortete Modell aus Zuffenhausen und damit das Reifezeugnis. Der elektrische Taycan wurde wie die Neuauflagen von Panamera und Cayenne noch von Vorgänger Matthias Müller auf den Weg gebracht. Wird der 911 mit der Typbezeichnung 992 ein Erfolg, dann dürfte dies der Karriere von Blume im Konzern weiteren Auftrieb geben.

Wie groß der Respekt vor der Aufgabe war, hat Blume unlängst im Interview mit der Automobilwoche anlässlich unserer Sonderausgabe zu 70 Jahre Porsche Sportwagen beschrieben.

"Bei einer Ikone wie dem 911 kommt es darauf an, dass er als solcher auch sofort wieder erkennbar ist. Das Design der jeweiligen Generation ist ja unschlagbar. Deshalb haben wir uns viele Gedanken gemacht, um auf der einen Seite technologisch maximal innovativ zu sein und auf der anderen Seite trotzdem die Tradition weiter zu transportieren. Am Ende muss es schließlich heißen: Das ist der beste 911 aller Zeiten."

Die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Der neue 911 steht deutlich breiter da als sein Vorgänger und wirkt dadurch maskuliner. Die verschlankte Mittelsektion mit den eingelassen Türgriffen machen ihn glatter und geschmeidiger. "Wir wollten die Oberflächen so sauber wie möglich halten", sagt Designer Michael Mauer bei der Premiere.

Die Außenhaut ist erstmals komplett aus Aluminium. Dazu kommen neue Motoren, die beim Carrera S und Carrera 4S jeweils 30 PS mehr leisten als in der vorigen Generation. So beschleunigt die Allrad-Version in 3,6 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h und erreicht in der Spitze 306 km/h.

Viel getan hat sich auch im Innenraum. Das Cockpit ist von den geraden Linien der 911-Generationen der 70er Jahre inspiriert. Gleichzeitig ist es vollgestopft mit Innovationen. Das dauerhaft ans Internet angeschlossene Infotainment PCM wird über einen knapp 11 Zoll großes Display angesteuert.

Erstmals sind drei digitale Angebote abrufbar. Über Porsche Roadtrip lassen sich Touren zusammenstellen, mit Porsche 360+ steht ein persönlicher Assistent zur Verfügung und der Emissions-Kalkulator Porsche Impact ermöglicht es, den individuellen CO2-Fußabdruck zu neutralisieren.

Hinzu kommen elektronische Helfer wie einen Fahrmodus für die nasse Fahrbahn, den Porsche als Weltneuheit anpreist, sowie ein Nachtsichtassistent mit Wärmebildkamera. Die Abstandsregelung erlaubt es nun auch, im Stau die Hände kurzzeitig vom Lenkrad zu lassen. Zwar ist der 911 als Plug-In-Hybrid ausgelegt, doch ob und wann es diese Variante geben wird, ist noch nicht entschieden.

Mit dieser fein dosierten Mischung aus Tradition und Innovation hat es Porsche geschafft, den Mythos 911 über all die Jahre lebendig zu halten. Er trägt die Grundgene, die sich in jedem anderen Modell finden. Dabei ist der 911, was den Absatz angeht, längst überholt worden. Die volumenstärksten Baureihen sind die Stadtgeländewagen. Der Macan kam in den ersten neun Monaten 2017 auf 68.050 Einheiten, der Cayenne im Jahr des Modellanlaufs auf immerhin 49.715 Einheiten.

Aber auch der 911 konnte im letzten Jahr vor dem Modellwechsel bis Ende September nochmals um 19 Prozent zulegen und dürfte damit den Vorjahreswert von 32.000 Exemplaren am Ende des Jahre deutlich übertreffen. Dies zeigt die nach wie vor ungebrochene Attraktivität des Modells – auch wenn ein Teil des Zuwachses der WLTP-Umstellung und eines dadurch bedingten frühzeitigen Abverkaufs geschuldet war.

Die Bedeutung des 911 bemisst sich aber nicht nur an schnöden Verkaufszahlen. Kein Geheimnis ist, dass das Modell maßgeblich für die Rendite verantwortlich ist, die im dritten Quartal bei 17,4 Prozent lag. Genaue Zahlen erfährt man nicht, doch Finanzvorstand Lutz Meschke verriet der Automobilwoche einmal: "Das Absatzdelta zum Macan macht er beim Gewinn wieder gut wett."

Ein Macan fängt bei gut 58.000 Euro an, der neue 911 Carrera S startet bei 120.000 Euro. Ordentlich Geld in die Kasse spülen auch limitierte Sondermodelle wie etwa der zum 70-Jahr-Jubiläum des ersten Porsche Sportwagens aufgelegte 911 Speedster mit zahlreichen Retro-Elementen. So muss der 911 auch einen Beitrag dazu leisten, die sechs Milliarden Euro an Investitionen für die Elektromobilität in den nächsten Jahren wieder reinzuholen.

"Wir haben den 911 immer wieder verfeinert und perfektioniert. So ist er stets hoch modern und innovativ geblieben", sagt Blume. „Darüber hinaus ist es uns gelungen, die Modellreihe sehr erfolgreich über Derivate zu verbreitern."

Blume ist daher zuversichtlich, dass der 992 an die Erfolge der Vorgänger anknüpfen kann, auch wenn er keine Stückzahlen nennt. Die Anstrengungen für die Neuauflage des Klassikers sind angesichts der Premiere in Los Angeles jedenfalls schon fast wieder vergessen. "Bei allen Mühen ist es doch schön, was am Ende dabei herausgekommen ist", so Blume.

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