VW-USA-Chef Woebcken kritisiert Vorgänger

Als einen „großen Tag für VW“ und einen „überaus gelungenen Auftakt in die elektrische Zukunft“ der Marke auch in den USA hat Hinrich J. Woebcken, CEO Volkswagen Group of America, die Rekordfahrt von Romain Dumas mit dem I.D. R Pikes Peak beim gleichnamigen legendären Bergrennen in Colorado Springs gefeiert.

Und nach der Fabelzeit, die über Funk vom Ziel ans vor dem Bildschirm mitfieberndem Team durchgegeben wurde, ließ Woebcken Arm in Arm mit Technikern seiner Freude freien Lauf.

Freuen kann sich Woebcken derzeit allerdings auch über die Entwicklung von VW auf dem US-Markt. „Die neue Strategie zeigt Erfolge“, sagte der US-Chef der Marke am Rande des Rennens. Obwohl bereits vor mehr als zwei Jahren auf den Weg gebracht, passt die dafür gewählte und jetzt erstmals offiziell genannte Bezeichnung „Accellerate“ (Beschleunigen) wie gemalt zum rasanten Antritt des I.D. R Pikes Peak.

Zwar nannte Woebcken keine konkreten Zahlen - „da halten wir uns bekanntlich zurück“ - doch stellt er klar, dass der Turnaround voranschreite. „Im Vergleich zum Vorjahr haben wir in den ersten Monaten ein Verkaufsplus von 7,5 Prozent erzielt.“

Gründe für die guten betriebswirtschaftlichen Ergebnisse seien unter anderem Synergien, die auf Gebieten wie Entwicklung, Produktion, Einkauf, Vertrieb und Marketing geschaffen wurden. Auf der Kostenseite und der regionalen Steuerung müsse das Optimum herausgeholt werden. „Hunderte von Einzelmaßnahmen führen zu Effekten, mit denen wir nach vorne kommen.“

In dem Zusammenhang äußerte sich Woebcken auch durchaus kritisch zu seinen Vorgängern und dem Auftritt von VW in den USA. „Die Bedürfnisse dieses Marktes wurden nicht ausreichend erfüllt. Es wurde versucht, die in Europa und auch China erfolgreichen Geschäftsmodelle in die USA zu übertragen. Das aber funktioniert schlichtweg nicht. Für Amerika muss ein anderer Cocktail gemischt werden.“ Volkswagen sei in den USA eine Art Semi-Premium-Marke gewesen mit Modellen, die 4000 bis 6000 Dollar zu viel gekostet hätten. „Das hat das Wachstum begrenzt. Die vielen Maßnahmen zur Verkaufsförderung haben die Restwerte beschädigt. Und das haben wir gedreht.“

Ein Atlas mit tatsächlich ausreichendem Platz für bis zu sieben Passagieren zum Preis von 30.000 Dollar, voll ausgestattet 48.000 Dollar und der neue, deutlich aufgewertete Jetta für 18.450 Dollar, damit günstiger als der Vorgänger, würden dazu beitragen, dass VW „ein relevanter Spieler im Markt“ werde. „Wir wollen in absehbarer Zeit fünf Prozent mehr Marktanteil gewinnen.“

Doch nicht nur das. Woebcken, der vor zwei Jahren von BMW geholt wurde, hat sich ein großes Ziel gesetzt: „Die Marke Volkswagen muss im Herzen des US-Marktes positioniert werden.“

Klar sei aber auch, dass die Angebotspalette ausgebaut werden müsse, um mehr Kunden zu gewinnen. So ist er überaus optimistisch, was die Erfolgsaussichten des Arteon in Amerika betrifft. „Das Auto strahlt jede Menge Emotionalität aus. Das wird bei den Kunden ankommen.“ Ein weiterer Schritt in diese Richtung sei der Atlas Cross Sport, eine fünfsitzige Variante, bei gleichem Radstand etwas kürzer als das bisherige Modell. Der Wagen wird 2019 zu den Händlern kommen.

In Sachen Pick-up indessen sieht Woebcken zur Zeit nur wenig Möglichkeiten für VW, das Portfolio zu erweitern. Die Anfang des Jahres auf der Messe in New York gezeigte Studie Tanoak auf Basis des Atlas würde im B-Segment antreten. Und in dem werden alles in allem lediglich 500.000 Fahrzeuge verkauft. Da sei der zu erwartende Anteil für VW überschaubar. „Es ist fraglich, dass sich eine Investition rechnet.“

Und für die großen, in Amerika weitaus relevanteren Pick-ups, fehlt VW eine entsprechende Plattform. Anders sieht der US-Chef die Chancen für ein weiteres SUV neben dem Tiguan, das mit einer Länge von etwa 4,50 Metern in Planung sei. „Dieses Segment verträgt auf alle Fälle noch ein weiteres Modell.“

Überaus wichtig sei das Engagement von VW in Sachen Elektromobiliät, für die der I.D. R Pikes Peak beste Werbung gemacht hab. Viele der Händler könnten es kaum erwarten, den noch I.D. Buzz genannten E-Bulli endlich anbieten zu können. Doch das wird frühestens 2020 möglich sein.

Apropos Händler: Die halten der Marke die Treue. Deren Zahl liegt wie vor dem Dieselskandal bei 652. Und die Kunden haben die Diskussionen um den Selbstzünder anscheinend komplett verdrängt. Nicht nur, dass bisherige VW-Fahrer sich wieder für ein Modell der Marke entscheiden. Der Atlas, in den USA zum besten Auto 2018 über alle Kategorien hinweg gewählt, verzeichnet einen Neukundenanteil von satten 74 Prozent.

Einen Diesel wird es in Amerika indessen weder für das große SUV noch für ein anderes VW-Modell mehr geben. Unter der Haube von US-Volkswagen werkeln lediglich noch Benziner mit vier und sechs Zylindern. Ob Hybride eine Chance haben, ist eher fraglich. Auch wenn sich Hinrich J. Woebcken nicht festlegen will - eine gewisse Skepsis ist deutlich zu erkennen, was die Erfolgsaussichten dieser Antriebsart in den USA betrifft.

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