Diese chinesischen Hersteller haben die besten Chancen

Zunehmend bauen chinesische Marken ihr Angebot in Deutschland aus. Hersteller wie MG sind auf dem deutschen Markt schon eine feste Größe. Andere wie die Chery-Marke Omoda sind in auf dem Sprung.

Auf der IAA Mobility in München wird das Land neben den heimischen Herstellern um Volkswagen, Audi, BMW und Mercedes so präsent sein wie kein anderes. Das Angebot an Fahrzeugen wächst quasi täglich, auch im Straßenbild Deutschlands sind Marken wie MG, Polestar oder BYD längst keine Exoten mehr.

Und die Fahrzeuge sind wettbewerbsfähig. "Abgesehen davon, dass viele einheimische Hersteller enorme Fortschritte in Sachen Design, Konstruktion, Fertigungsqualität und Optik gemacht haben: Gerade die Infotainmentsysteme und die dazugehörige Software lassen viele westliche Systeme alt aussehen", beschreibt beispielsweise Capgemini-Experte Peter Fintl seine Eindrücke von einer aktuellen China-Reise.

Außerdem hätten die chinesischen EV-Pioniere sich sehr genau damit auseinandergesetzt, wie man ein positives Kundenerlebnis im Handel schafft. "Und haben meiner Meinung nach einige westliche Marken in puncto Kundenerlebnis definitiv überholt", so Fintl. Immerhin steckten unter der Haube noch einige hochwertige Komponenten von deutschen Zulieferern.

Doch nicht alle Marken werden auf Dauer in Europa und Deutschland Fuß fassen. Denn neben einer ansprechenden Modellpalette bedarf es vor allem einer dem Markt angepassten Vertriebsstrategie. Hinzu kommt ein im Heimatland ruinöser Preiskampf auf dem Elektromarkt, der für teils hohe Verluste bei einzelnen Herstellern sorgt und teure Expansionspläne erschwert. Die Automobilwoche wagt eine Prognose, welche Marken am Ende übrig bleiben könnten.

BYD verkauft weltweit schon jetzt mehr Elektroautos als Tesla. Und das soll erst der Anfang sein. „Ich will in Europa unter die Top fünf kommen“, sagt Brian Yang, BYDs Vize-Europachef. Bis Anfang 2024 sollen sechs Modelle in nahezu allen Segmenten erhältlich sein. BYD gilt als technologisch weit fortgeschritten. Vor allem die eigene Zellfertigung und die daraus entstandene Blade-Batterie auf Basis der LFP-Technologie machen BYD zu einem ernsthaften Konkurrenten auch auf dem europäischen Markt.

Das E-Crossover Atto 3 etwa könnte dem ID.4 von VW gefährlich werden, auch wenn die Ladeleistung mit maximal 88 Kilowatt vergleichweise schwach ist und die Zulassungszahlen in Deutschland mit 574 bis Ende Juli noch sehr bescheiden. Mit dem Seal und Seal U greift BYD Teslas Model 3 und Model Y an. Zwar sind die Autos von BYD wie die anderer chinesischen Marken hierzulande keine Schnäppchen, da die Kosten für die Homologation recht hoch sind.

Doch anders als bei den deutschen Autobauern gibt es meist mehr Ausstattung zum gleichen Preis. Zudem hat BYD sich von Anfang für eine Kooperation mit etablierten Händlern entschieden. Die Hedin-Gruppe wurde mit dem Aufbau eines Vertriebsnetzes in Deutschland und Schweden beauftragt, auch Vertriebsstandorte in größeren Städten sind geplant. Damit sichert sich die Chinesen den Marktzugang. Hinzu kommen Kooperationen wie mit dem Vermieter Sixt, der allein 100.000 E-Autos von BYD bestellt hat. BYD dürfte also gute Chancen haben, sich dauerhaft in Europa zu etablieren.

MG hat in Europa einen beeindruckenden Start hingelegt. Die ehemals britische Marke gehört heute zum SAIC-Konzern, der in China Joint-Venture-Partner von Volkswagen ist. 2019 kamen die ersten Autos nach England, dann auch auf das europäische Festland. Dank eines dicht geknüpftes Netzes mit über 100 Händlern allein in Deutschland und eines Porfolios, das offenbar den Geschmack der Kunden trifft, können sich die Zahlen sehen lassen.

Im ersten Halbjahr konnte MG seine Verkäufe in Deutschland auf 9399 Exemplare steigern und im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppeln. Nach eigenen Angaben ist MG Motor damit die am stärksten wachsende Marke in Deutschland und erreicht schon im zweiten Jahr nach Markteintritt  einen Anteil von 0,7 Prozent. Meistverkauftes Modell ist der MG 4, der vor allem dem ID.3 von VW Konkurrenz macht. MG fällt dabei weniger durch kernige Kampfansagen auf als durch solides Management. Außerdem tritt die Marke genau in dem Segment an, das vor allem die deutschen Hersteller zunehmend vernachlässigen, weil sie sich nach oben orientieren. Mit dem SAIC-Konzern im Hintergrund dürfte der Atem länger von MG sein als bei manchen Wettbewerbern.

Neben der schwedischen Marke Volvo tritt der chinesische Hersteller Geely in Europa mit weiteren Konzern-Ablegern an. Polestar ist eine gemeinsame Tochter von Volvo und Geely, die als reine Elektromarke seit 2020 Fahrzeuge produziert. Immerhin 4210 Exemplare vom Polestar 2 wurden in Deutschland bis Ende Juli verkauft. Die Marke ist inzwischen etabliert, die Autos sind vor allem im Leasing günstig zu haben. Ob das reicht, um sich dauerhaft zu etablieren, werden die nächsten Jahre zeigen, wenn neue Modelle von Polestar auf den Markt kommen.

Auch Lynk und Co. gehört zum Geely-Konzern. Die Marke steht für ein neues Geschäftsmodell, bei denen die Autos hauptsächlich im Abonnement an die Kunden gebracht werden. Es gibt nur ein Modell, das in wenigen Farben und Ausstattungsvarianten zu haben ist. Chef Alain Visser aus Schweden betont bei jeder Gelgenheit, dass der Besitz eines Pkw nicht mehr in die Zeit passe. Die Kunden sehen dies aber in der Mehrheit anders. Nur 1878 Fahrzeuge wurden bis Ende Juli zugelassen. Damit bleibt Lynk und Co. bisher in die Nische. Und da die Marke schon seit mehreren Jahren auf dem Markt ist, wird sich daran wohl wenig ändern. 

Auch am Neustart der Mercedes-Tochter Smart hat Geely einen wesentlichen Anteil. Als Joint-Venture-Partner sind die Chinesen für die Entwicklung und die Produktion zuständig, stellen beispielsweise die komplette E-Plattform zur Verfügung. Bei Mercedes entstand lediglich das Design. Vertrieben wird die Marke über Mercedes-Händler, was die Chancen erhöht. Allerdings ist der Smart #1 mit einem Startpreis ab 42.490 Euro alles andere als günstig. Zwar bietet das Auto dafür eine Menge. Doch ob die Marke in der neuen Konstellation auch akzeptiert wird, muss sich zeigen.

Mit seiner Edelmarke Zeekr schickt Geely gar das nächste Pferd ins Rennen um die Gunst europäischer Kunden. Die ersten Modelle sind das Flaggschiff der Marke, der an einen Porsche Panamera erinnernde Shooting Brake ZEEKR 001 mit einer Reichweite von etwa 600 Kilometer sowie der ZEEKR X, ein urbaner SUV. Ihr Debüt feiern die Fahrzeuge Ende 2023 in Schweden und in den Niederlanden, wobei schon bald weitere Länder und Modelle folgen sollen. Der ZEEKR X basiert auf der gleichen Elektro-Plattform wie der Smart. Geely macht sich damit in gewisser Weise selbst Konkurrenz.

Eine weitere Marke mit großen Ambitionen ist Great Wall Motors. Dabei handelt es sich nach eigenen Angaben um Chinas ersten privaten Automobilhersteller, der 2003 an der Börse notiert wurde. Great Wall tritt in Europa mit den Marken Wey und Ora an. In Deutschland hat GWM als Vertriebspartner die mächtige Emil Frey Gruppe an Land gezogen  – also eigentlich gute Voraussetzungen.

Doch der Start verlief alles andere als reibungslos. Vor allem der Plug-In-Hybrid Coffee 01 von Wey tritt praktisch nicht in Erscheinung. Grund dafür ist wohl ein Streit um das Vertriebsmodell. Offenbar will Emil Frey das Auto nicht im  Agenturmodell verkaufen, sondern im normalen Handel. Zwar kommen Autos in Bremerhaven an, werden aber nicht verteilt, wie das Online-Portal Elektroauto-News berichtet.

Auch bei der Ora Funky Cat waren die Erwartungen höher. Immerhin zählte das Kraftfahrtbundesamt bis Ende Juli 831 Zulassungen des Kompaktmodells mit Retro-Charme. Vom Wey Coffee 01 waren es dagegen nur 13. Für 2023 war das Ziel von GWM, mindestens 15.000 Weys und Oras zu verkaufen. Dies dürfte kaum noch zu schaffen sein. So zeigt auch das Beispiel von GWM, dass ein funktionierender Vertrieb die größte Hürde für den nachhaltigen Markterfolg ist. Gelingt dies nicht, dürfte auch die Ora Funky Cat nur ein kurzes Gastspiel auf deutschen Straßen haben.

Es ist unbestritten, dass Nio schöne Autos baut, die dazu technologisch ausgreift sind. Entsprechend selbstbewusst sind die Chinesen mit dem rührigen Gründer und CEO William Li bei ihrer Ankunft in Europa aufgetreten. Doch von der Anfangseuphorie ist nicht viel geblieben. Bis Ende Juli wurden nur 394 Exemplare der Marke in Deutschland registriert, jeweils 148 ET 7 und ET 5 sowie 91 EL 7.

Weil der Start so schleppend verlief, musste Nio in Deutschland bereits die Preise senken. So kam der ET 5 in Deutschland für 47.500 Euro auf den Markt, etwa fünf Prozent weniger als geplant. Auch auf dem Heimatmarkt in China musste Nio wiederholt die Preise im harten Wettbewerb mit Tesla senken. Hinzu kommen hohe Kosten für die Batterie-Tauschstationen, die Nio aus der Masse der Hersteller herausheben sollen und die Reichweitenangst nehmen.

Allerdings muss Nio deswegen für die Infrastruktur sehr hohe Kosten tragen. Auch der Preiskampf macht dem Unternehmen zu schaffen. Allein im ersten Quartal 2023 machte Nio einen Verlust von knapp 600 Millionen Euro. Wie lange Nio so überleben kann, ist fraglich. Vor allem der Aufbau der Tauschstationen erscheint überflüssig, da sich die Reichweiten der Batterien in den nächsten Jahren deutlich erhöhen werden. Weil Nio sich zudem als Premiumanbieter sieht, ist die Luft in Europa mit Konkurrenz von etablierten Hersteller wie Audi, BMW oder Mercedes besonders dünn.

Mit HiPhi will sich neben Nio eine weitere Marke im Premium-Segment etablieren. Der HiPhi X und der HiPhiZ können bereits in Deutschland und Norwegen bestellt werden. Die ersten Fahrzeuge sind nach der Homologation bereits für den Straßenverkehr zugelassen. Einen ersten Showroom hat HiPhi am Flughafen München eröffnet. Weitere europäische Märkte würden im Laufe des Jahres bekannt gegeben, heißt es.

Ansonsten ist aber noch wenig bekannt über die Marke. Das gilt beispielsweise für die Vertriebskanäle in Europa. Die Preise für den HiPhi X beginnen bei 109.000 EUR, der HiPhi Z kostet ab 105.000 EUR. HiPhi greift also direkt die deutschen Premiumhersteller wie Audi, BMW und Mercedes an. Dass sich die Marke durchsetzen kann, darf bezweifelt werden. Entsprechend vorsichtig bleibt HiPhi selbst. In diesem Jahr sollen 600 Autos verkauft werden, im nächsten Jahr doppelt so viele.

Als einer der ersten Anbieter in Europa hätte Aiways eigentlich gute Chancen gehabt, sich festzusetzen. Bereits ein halbes Jahr nach dem Produktionsstart in China kam der Hersteller im Sommer 2019 nach Europa. Der Aiways U 5 als SUV kam bei Testern nicht schlecht an, mit dem U 5 wurde ein Crossover-Modell nachgeschoben. 

Doch Aiways wählte die Elektronikkette Euronics als Handelspartner und machte damit einen entscheidenden Fehler. Denn wer Fernseher und Staubsauger verkauft, kann nicht unbedingt auch Autos verkaufen. Das Vertriebsmodell funktionierte nicht, die Kunden in Europa machen seither einen Bogen um Aisways. 2023 wurden bis Ende Juli in Deutschland von U 5 und U 6 gerade mal 44 Exemplare verkauft.

Hinzu kommt, dass Aiways auf dem Heimatmarkt China unter die Räder gekommen ist und wegen des ruinösen Preiskampfes die Produktion seit März steht. Ein neuer Investor soll für die nächste Finanzspritze sorgen und die Fertigung absichern. Aiways will sich nach eigenen Angaben hauptsächlich auf den Export konzentrieren. In Deutschland wird dazu das Händlernetz neu ausgerichtet, ohne Euronics, aber weiterhin mit dem Werkstattpartner ATU. Weil inzwischen viel Zeit verloren wurde, dürfte Aiways eine der ersten chinesischen Marken sein, die aus Europa wieder verschwinden.

Das Unternehmen Xpeng Motors, das im Original Guangzhou Xiaopeng Motors Technology heißt, wurde 2014 gegründet und brachte 2018 das erste Modell auf den Markt. In China verkauft das Unternehmen mittlerweile 100.000 Autos pro Jahr. Nun soll der Sprung nach Europa gelingen. In Norwegen, Schweden, Dänemark und den Niederlanden ist Xpeng schon vertreten. In Deustchland plant der Hersteller einen großen Aufschlag im Rahmen der IAA Mobility in München.

Xpeng hat bisher zwei Limousinen und zwei SUVs im Programm, die Antriebe sind rein elektrisch. In Europa will das Unternehmen vor allem mit dem Luxus-SUV G9 punkten. Der verfügt über eine Reichweite von 570 Kilometer. Im Gegensatz zu den meisten bisherigen Elektroautos kann das Fahrzeug aber mit bis zu 300 Kilowatt Leistung geladen werden, was den Tankstopp deutlich verkürzt – vorausgesetzt, es ist ein Schnelllader verfügbar. Aber auch die Limousine P7 soll verfügbar sein.

Zwar spricht XPeng beim Vertrieb von eigenen Markenstores in Metropolregionen sowie Handelspartnern wie Emil Frey. Noch ist allerdings unklar, wie genau der Kaufprozess ablaufen soll und wie die Fahrzeuge tatsächlich zum Kunden kommen. Die Fahrzeuge sind technologisch und vom Design her auf der Höhe der Zeit. Allerdings tritt Xpeng im umkämpften Premium-Segment an, in dem beispielsweise auch Lexus als Luxusmarke von Toyota oder Genesis von Hyundai jahrelang kaum etwas bewegen konnten. Daher dürften auch die Chancen von Xpeng eher gering sein, sich hier gegen Audi, BMW oder Mercedes zu etablieren.

Die Chery Gruppe gehört zu den großen chinesischen Herstellern. Dabei beschränkt sich der 1997 gegründete Hersteller schon lange nicht mehr auf den Heimatmarkt. Nach eigenen Angaben ist es der größte chinesische Auto-Exporteur und in mehr als 80 Ländern aktiv. Nach Europa kommt die Gruppe nun mit ihrer noch jungen Marke Omoda – ein Kunstwort aus O von Oxygen und moda von modern. Mit Omoda zielt der Hersteller vor allem auch auf jüngere Käufer.

Vor dem Marktstart in Deutschland legt Omoda in Großbritannien los. Derzeit sucht der chinesische Hersteller nach lokalen Vertriebspartnern. Geplant ist ein Netz mit rund 50 Standorten. Bereits Ende 2023 will die Marke die Orderbücher für den Omoda 5 öffnen. Anfang 2024 soll es dann losgehen. Im nächsten Jahr will Omoda bereits 15.000 Einheiten in Großbritannien verkaufen.

Das SUV hat eine Länge von 4,40 Meter, damit geht er in Wettbewerb zu etablierten Modellen wie Nissan Qashqai und dem Seat Ateca. Er kommt als Benziner und als Elektroauto. Laut britischen Medien liegen die Preise zwischen 20.000 und 25.000 Pfund (23.000 bis 28.000 Euro) für den Verbrenner und bei rund 45.000 Pfund (53.000 Euro) für die Elektrovariante.

Weitere Modelle hat die SUV-Marke bereits geplant: Ende 2024 will der chinesische Hersteller einen großen SUV (Omoda 9) und im Jahr darauf einen kleinen SUV (Omoda 3) nach Europa bringen.

Aus dem Datencenter:

Absatz der deutschen Premiummarken in China 2012 bis 2022