Frau Heitmüller, seit einigen Jahren wird den Unternehmen Diversity immer wichtiger, also die Zusammenarbeit von Menschen beispielsweise unterschiedlicher Kulturen und Nationalitäten, unterschiedlichen Alters oder Geschlechts oder mit sehr unterschiedlichen Fähigkeiten. Warum bekommt dieses Thema immer mehr Gewicht?
Nehmen wir ruhig den Volkswagen-Konzern als Beispiel: Wir sind ein internationales Mobilitätsunternehmen mit weltweit mehr als 620.000 Beschäftigten, wir verkaufen acht von zehn Automobilen außerhalb Deutschlands, sechs von zehn Fahrzeugen werden außerhalb Deutschlands produziert. Das heißt: Weltweit treffen wir auf völlig unterschiedliche Voraussetzungen. Dem muss das Unternehmen natürlich gerecht werden, das muss sich im Unternehmen spiegeln.
Deshalb brauchen wir Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit unterschiedlichen Hintergründen, Fähigkeiten und Qualifikationen, um weiter erfolgreich zu sein. Hinzu kommt die Digitalisierung, die neue und direkte Formen der Zusammenarbeit über Landes- und Zeitgrenzen hinweg ermöglicht. Kurz: Vielfalt ist ein entscheidender Erfolgsfaktor. Sie sorgt für breiteres Wissen, sie fördert Kreativität und Innovationskraft. Mehr denn je können wir sie im Unternehmen als Chance nutzen.
Volkswagen ist schon seit Jahrzehnten international aktiv – und hat dennoch erst kürzlich seine erste Diversity Konferenz abgehalten. Was ist der konkrete Auslöser dafür?
Die berufliche Entwicklung weiblicher Nachwuchskräfte und die Förderung von Internationalität sind nicht neu, sie bleiben unverändert wichtige Aufgaben. Und zwar so wichtig, dass sie als festgelegte Zielvereinbarungen des Managements aufgenommen wurden. Zugleich entwickeln wir uns bei Volkswagen weiter, um mit den Herausforderungen ans Unternehmen Schritt zu halten. Dies haben wir auch in der „Together 2025“-Strategie des Volkswagen Konzerns verankert. Jetzt geht es an die Umsetzung: Wir etablieren ein internationales Diversity-Management und bauen ein Wissensnetzwerk im Unternehmen auf. Auf der Diversity-Konferenz schließlich wurde dazu der Startschuss gegeben.
Dass eine größere Vielfalt Vorteile Unternehmen bringen kann, scheint naheliegend, doch gibt es auch Untersuchungen, die das belegen? Und welche Verbesserungen förderten sie zutage?
Vielfalt sichert die Wettbewerbsfähigkeit von Volkswagen: Vielfalt treibt Innovationen, Kreativität und Leistungsstärke einer Organisation. Vielfalt schafft also einen klaren unternehmerischen Mehrwert. Studien – beispielsweise Center of Talent Innovation – belegen dieses auch. So können börsennotierte Unternehmen mit einer vielfältigen Belegschaft und Führungsmannschaft mit einer deutlich höheren Wahrscheinlichkeit (45 Prozent) ihre Marktanteile erhöhen und sind grundsätzlich innovativer (75 Prozent mehr Innovation auf dem Markt). Auch weitere Forschungsansätze bestätigen, dass gemischte Teams besser arbeiten und innovative Lösungsansätze befördern, und das betrifft vor allem auch die Zusammenarbeit zwischen Führungskräften. Darüber hinaus ist Vielfalt im Unternehmen natürlich auch ein wichtiges Element für die Arbeitgeberattraktivität.
Mit welchen konkreten Maßnahmen treiben die Diversity-Manager im VW-Konzern die Vielfalt voran?
Wir stärken Vielfalt auf allen Ebenen und in allen Bereichen des Unternehmens. Wir haben damit begonnen, festlegte Zielgrößen in die Zielvereinbarungen des Managements aufzunehmen, und zwar den Frauenanteil im Management und die Internationalität im Top-Management. Und vor allem geht es uns darum, die Führungskräfte im Unternehmen darin zu unterstützen, das Potenzial gemischter Teams aus eigener Überzeugung zu fördern.
Wie hoch liegt der Frauenanteil auf Managementebene bei Volkswagen heute und welchen Anteil haben Sie als Zielgröße festgelegt? Wann soll dieses Ziel erreicht sein?
Der Frauenanteil im Management der Volkswagen AG steigt kontinuierlich. Hier liegen wir mittlerweile bei knapp über 14 Prozent, das sind deutlich mehr als noch vor zehn Jahren, 2007 lag der Wert bei 9,3 Prozent. Ebenso konnten wir den Frauenanteil im Oberen Managementkreis auf knapp elf Prozent erhöhen. Das ist im Vergleich zu 2007 eine Steigerung um drei Prozentpunkte. Der Frauenanteil im Top Management Kreis, der Berichtsebene unterhalb des Vorstands, ist mit etwas über vier Prozent nahezu konstant geblieben, was uns nicht zufriedenstellt. (*)
Volkswagen hat bislang nur ein einziges weibliches Vorstandsmitglied – trauen sich die weiblichen Führungskräfte allgemein zu wenig zu, so dass es nicht bis in den Vorstand schaffen?
Nein. In meiner täglichen Arbeit spreche ich mit vielen weiblichen Führungskräften, und Frauen, die auf dem Weg sind, Führungskraft zu werden. Sie sind engagiert und haben das notwendige Know-how. Zugleich setzt sich im Unternehmen eine klare Überzeugung durch: Wir können auf das Können und das Fachwissen von Frauen in Entscheiderpositionen nicht verzichten. Wir haben uns deshalb fordernde Ziele gesetzt und verfolgen sie mit Nachdruck.
(*) Anm. der Redaktion: Im neuen Nachhaltigkeitsmagazin Shift des VW-Konzerns heißt es zum Thema Frauen im Topmanagement übrigens wörtlich:
"Mehr Frauen im Männerverein - Es ist offensichtlich: Das Topmanagement von Volkswagen ist männlich. Doch nicht nur bei der Förderung weiblicher Führungskräfte hat der Konzern Nachholbedarf. Unterrepräsentiert sind auch Manager aus anderen Ländern und Kulturen. Die neue Diversity-Strategie zielt auf mehr Entscheiderinnen und größere Internationalität im Management." (S. 24 Shift Nachhaltigkeitsmagazin)
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