Die FDP hat die Sondierungsgespräche mit CDU/CSU und Gründen am Sonntagabend abgebrochen und für gescheitert erklärt. FDP-Chef Christian Lindner hatte unter anderem auf Twitter erklärt: "Wir sind für Trendwenden gewählt worden. Sie waren nicht erreichbar. Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren."
Manch einer der Teilnehmer zeigte sich vom Abbruch der Verhandlungen überrascht. In einem Interview auf WDR 2 am Montagmorgen sagte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) man sei am Sonntagabend "sehr, sehr nah bei einer Einigung" gewesen. Dann hätten die FDP-Vertreter vor den Kameras das Scheitern der Sondierungsgespräche verkündet, ohne ihre Verhandlungspartner im Vorfeld zu informieren.
"Wir sahen, dass die FDP-Verhandler vor die Tür gingen und haben dann [...] vor dem Fernsehen verfolgt, was die Erklärung war", sagte Laschet, der für die CDU an den Verhandlungen beteiligt war.
Deutschland steht nun vorerst vor einem politischen Vakuum und natürlich sorgt sich auch eine der wichtigsten Branchen, die Autoindustrie, wie es nun weitergeht.
VW-Konzernchef Matthias Müller appelliert auf Anfrage der Automobilwoche an die politische Elite: „Unser Land verträgt keinen Stillstand. Es müssen wichtige Entscheidungen für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands getroffen werden. Egal also, welchen Weg die Politik nun geht: Wir brauchen jetzt schnell klare Verhältnisse. Eine Hängepartie können wir uns nicht erlauben.“
Continental-Chef Elmar Degenhardt hofft darauf, dass sich die Beteiligten rasch besinnen und handeln: „Insbesondere für so bedeutsame Themen wie Bildung, Digitalisierung und Technologieentwicklung benötigen wir dringend verlässliche Rahmenbedingungen. Denn davon hängt die Zukunftsfähigkeit Deutschlands maßgeblich ab. Ich hoffe, die Verantwortlichen in der Politik können trotz der großen Enttäuschung rasch einen Weg zu einem stabilen Regierungsbündnis finden und damit die jetzige Phase der Unsicherheit überwinden und weiterhin den sozialen Frieden sichern.“
Mahle-Chef Wolf-Henning Scheider betont: "Eine stabile Regierung ist eine Grundlage, um eine Wirtschaftsnation wie Deutschland in der vielfachen Vorreiterrolle zu halten. Zukunftsthemen wie Bildung, Digitalisierung oder nachhaltige Mobilität benötigen gerade in der Phase der industriellen Transformation, wie sie die Automobilbranche durchläuft, eine entscheidungs- und handlungsfähige Politik. Daher hoffen wir auf eine baldige, stabile Konstellation, die Deutschland und Europa als weltoffenen Industriestandort weiter stärkt."
Christian Vietmeyer von der Arbeitsgemeinschaft Zuliefererindustrie bedauert das Scheitern der Verhandlungen, sieht darin aber noch keine Krise. "Ergebnisoffene Verhandlungen können auch scheitern. Jetzt müssen die gewählten Parteien verantwortungsbewusst und klug nach anderen Wegen suchen. Neuwahlen wären das letzte Mittel", so Vietmeyer. Er glaubt nicht, dass es den Verhandlungspartner am Willen gefehlt habe. "Ich habe Verständnis dafür, den eigenen Grundprinzipien treu zu bleiben. Wer sich zu sehr verbiegt, wird am Ende vom Wähler erst recht bestraft".
Deutschland brauche nun in absehbarer Zeit eine stabile Regierung, "weil dringende Entscheidungen warten", so Vietmeyer und warnt, "ein Stillstand in Berlin wäre für die Handlungsfelder Wirtschaft, Infrastruktur und Europa schädlich. Das können wir uns nicht erlauben." Sein Appell nach Berlin: "Die CDU ist als stärkste Partei aus der Bundestagswahl hervorgegangen. Sie muss jetzt das Heft in die Hand nehmen und sich ernsthaft bemühen, den Wählerwillen umzusetzen."Mit Bedauern hat der Zentralverband Deutsches Kfz-Gewerbe (ZDK) das Scheitern der Sondierungsgespräche für eine Jamaika-Koalition bewertet. Es sei eine große Chance vertan worden, ein tragfähiges Regierungskonstrukt für die laufende Legislaturperiode zu bilden, so ein ZDK-Sprecher. Deutschland benötige nun so schnell wie möglich eine verlässliche, stabile und handlungsfähige Regierung. Es dürfe nicht dazu kommen, dass wichtige Entscheidungen zur Verkehrspolitik, wie etwa zur Zukunft des Diesel-Antriebs, auf die lange Bank geschoben würden, so der Sprecher. Der ZDK setze sich ausdrücklich für eine Hardware-Nachrüstung älterer Diesel-Fahrzeuge ein. Es bestehe dringender politischer Handlungsbedarf, um drohende Fahrverbote zu vermeiden und positive Signale für das Gebrauchtwagengeschäft mit Diesel-Pkw zu geben, das teilweise zum Erliegen gekommen sei und Kfz-Betriebe in der Existenz bedrohe, so der Sprecher."
VDA-Präsident Matthias Wissmann sagte, Deutschland brauche eine stabile Regierung. Die Unternehmen stünden schließlich in einem harten internationalen Wettbewerb. "Deswegen brauchen wir eine kluge Standortpolitik, die die richtigen Impulse für Innovationen und Investitionen gibt", so Wissmann.
Der Präsident des Wirtschaftsverbandes der deutschen Kautschukindustrie e.V. (wdk), Ralf Holschumacher zeigt sich ebenfalls entrüstet und irritiert: „Mit großer Enttäuschung stellen wir fest, dass offensichtlich parteipolitische Dogmatik über das Wohl unseres Landes gestellt wurde. Der Abbruch der Sondierungsgespräche ist ein herber Rückschlag für die politische und wirtschaftliche Stabilität Deutschlands, auf die insbesondere auch die mittelständischen Unternehmen angewiesen sind. Wir rufen deshalb alle dialogbereiten Kreise in der Bundespolitik dazu auf, sich für das Zustandekommen eines tragfähigen Regierungsbündnisses einzusetzen.“
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